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LG Berlin, Urteil vom 31.3.2022 – 44 O 340/21
Sturz eines Fahrgastes aufgrund verkehrswidriger Fahrweise eines Kfz – Haftung “bei dem Betrieb” eines KFZ
Mit dem Sturz eines Fahrgastes verwirklicht sich eine mit dem Abbremsen der Straßenbahn typischerweise verbundene Gefahr. Ist diese wiederum durch die verkehrswidrige Fahrweise eines Kraftfahrzeugs verursacht worden war, steht die durch den Sturz verursachte Verletzung eines Dritten in einem engen inneren Zusammenhang mit dem Fahrmanöver des Kfz, sodass sich die Verletzung des Dritten „bei dem Betrieb“ des Kraftfahrzeugs i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG ereignet hat mit der Folge einer Haftung des Fahrzeughalters für die Verletzungen des Dritten.
Quelle: VRR Mai 2022, Seite 2
Schadensersatzansprüche nach Kollision von Pkw und Straßenbahn
1. Der Führer einer Straßenbahn haftet weder aus § 18 Abs. 1 S. 1 StVG noch aus § 1 Abs. 1 HPflG.
2. Kommt es zu einer Kollision zwischen einem Pkw und einer Straßenbahn, weil sich der Pkw-Führer ohne Beachtung der herannahenden Straßenbahn unter schuldhaftem Verstoß gegen § 9 Abs. 1 S. 3 StVO im Gleisbereich aufgehalten hat, ohne das feststeht, dass auch den Straßenbahnfahrer ein Verschulden an der Kollision trifft, so kann eine Alleinhaftung von Fahrer und Halter des Pkws im Verhältnis zum Straßenbahnbetriebsunternehmer gerechtfertigt sein.
Quelle → VOLLTEXT / OLG München / 17.11.2017 / 10 U 1319/17
LG Nürnberg-Fürth, Beschluss v. 19.10.2021 – 8 S 5015/21
Lichtzeichenanlage mit integriertem Fahrsignal geht der Vorrangregelung des § 19 Abs. 1 StVO vor
Hinweis: § 19 Abs. 1 StVO sieht den Vorrang von Schienenfahrzeugen auf Bahnübergängen mit Andreaskreuz haben Vorrang
1. An einer insgesamt mit einer Wechsellichtzeichenanlage geregelten Einmündung, in die ein Bahnübergang über auf einem besonderen Bahnkörper i.S. von § 16 Abs. 4 Satz 3, Satz 4 BOStrab verlegte Straßenbahnschienen integriert ist, geht die Regelung durch Wechsellichtzeichen i.S. von § 37 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 4 Satz 2 StVO der sich aus § 19 Abs. 1 StVO ergebenden Vorrangregelung (Bahnübergang mit Andreaskreuz) vor.
2. Kommt es auf einem solchen Bahnübergang zwischen einem bevorrechtigten Kraftfahrzeug und einer wartepflichtigen Straßenbahn zu einem Zusammenstoß, so kommt eine Mithaftung von Halter und Fahrer des Kraftfahrzeugs im Rahmen der einfachen Betriebsgefahr jedenfalls dann in Betracht, wenn der Fahrer des Kraftfahrzeugs den Zusammenstoß bei einer ihm ohne weiteres zumutbaren Beobachtung des wartepflichtigen Schienenverkehrs durch eine geeignete Bremsreaktion hätte verhindern können.
LG Düsseldorf, Urteil vom 11.05.2011 /23 S 290/10 // 22 C 2033/10
(Leicht) im Schienenbereich haltender Pkw vs. auffahrende Straßenbahn / “hohe” Betriebsgefahr einer Straßenbahn
Danach war auf Seiten der Klägerin von der Betriebsgefahr eines haltenden PKW auszugehen, die allerdings erhöht war durch einen Verstoß gegen § 2 Abs. 3 StVO. Im Ansatz zutreffend ist zwar die Annahme der Klägerin, dass für einen Verstoß gegen § 2 Abs. 3 StVO die Beklagten nachweispflichtig sind. Dass der Wagen der Klägerin im Zeitpunkt der Kollision leicht in den Schienenbereich der Straßenbahn ragte, ist jedoch unstreitig und bedarf insoweit keines Nachweises. Weshalb die Klägerin ihr Fahrzeug auf diese Weise zum Stehen brachte, geht aus ihrem Vorbingen dagegen nicht schlüssig hervor. Soweit sie hierzu vorträgt, sie habe ihren PKW verkehrsbedingt an einer Lichtzeichenanlage, die Rot zeigte, hinter mehreren vor ihr befindlichen PKW zum Stehen bringen müssen, erschließt sich aus ihrem Vorbringen nicht, weshalb das nicht auch außerhalb des Gleisbereichs möglich war. Nachvollziehbare Angaben der Klägerin hierzu fehlen.
Auf Seiten der Beklagten war von der Betriebsgefahr einer geradeaus fahrenden Straßenbahn auszugehen. Zwar ist die Betriebsgefahr einer Straßenbahn wegen ihres langen Bremsweges und ihrer infolge Schienengebundenheit geringen Beweglichkeit meist hoch und in der Regel höher als die eines PKW. Allerdings wirkt sich die erhöhte Betriebsgefahr einer Straßenbahn nicht immer unfallursächlich aus; abzustellen ist stets auf die Umstände des Einzelfalles. Eine überwiegende oder gar alleinige Haftung der Straßenbahn trotz des Verstoßes der Klägerin gegen § 2 Abs. 3 StVO käme deshalb nur dann in Betracht, wenn der Beklagte zu 2) die Kollision durch rechtzeitiges Anhalten ohne weiteres hätte vermeiden können. Dafür bietet das Vorbringen der Klägerin, von einer nachfolgenden Straßenbahn sei weit und breit nichts zu sehen gewesen, jedoch keine hinreichend objektivierbaren Anknüpfungspunkte. Da sich die Klägerin mit ihrem Fahrzeug nur wenige Zentimeter im Gleisbereich befand, begründet der Umstand, dass sich der Beklagte zu 1) verschätzt hat, im Übrigen auch nicht den Vorwurf der Sorglosigkeit trotz erkennbarer Verkehrssituation.
Ergebnis: Haftungsverteilung 50 % / 50 %
OLG Hamm, Urteil vom 13.04.2018, 7 U 36/17
Linksabbieger und Auffahrunfall durch Straßenbahn
Ein Straßenbahnführer darf darauf vertrauen, dass andere Verkehrsteilnehmer §§ 2 Abs. 3 und 9 Abs. 3 StVO beachten und Schienen nicht besetzen.
Er braucht nicht damit zu rechnen, dass ein vor ihm fahrendes Fahrzeug in den Gleisbereich einbiegt und dort zum Halten kommt, und zwar grundsätzlich auch dann nicht, wenn der andere Fahrer seine Abbiegeabsicht bereits angezeigt hat.
Bei der Abwägung der Betriebsgefahr der Straßenbahn gegen das erhebliche Verschulden des Pkw-Führers bei einem Verstoß gegen §§ 2 Abs. 3 und 9 Abs. 3 StVO tritt die Betriebsgefahr der Straßenbahn zurück.
Aus den Urteilsgründen (zur zulässigen Höhctsgeschwindigkeit einer Straßenbahn)
Gemäß § 50 Abs. 3 der Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BOStrab) darf auf einem straßenbündigen Bahnkörper wie vorliegend (vgl. das Lichtbild Bl. 70 d. A.) die für den übrigen Straßenverkehr jeweils geltende Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten werden. Auch unter günstigsten Umständen gilt gemäß § 3 Abs. 3 Ziffer 1 StVO innerhalb geschlossener Ortschaften eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h.
Von einer niedrigeren zulässigen Höchstgeschwindigkeit ist vorliegend auch in Ansehung der besonderen Umstände des Falles nicht auszugehen. Zwar dürfen auch Straßenbahnen in der Regel nicht schneller als angemessen und grundsätzlich nur so auf Sicht fahren, dass sie rechtzeitig anhalten können, § 3 Abs. 1 S. 4 StVO (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.12.2006, Az. I-1 U 121/06; König a. a. O. § 3 StVO, Rn. 31). Da die Unfallstelle auf einem geraden Streckenverlauf lag, ergibt sich aus dem Sichtfahrgebot vorliegend allerdings keine Verpflichtung zur Reduzierung auf eine unterhalb 50 km/h liegende Geschwindigkeit. Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass dem Beklagten zu 2) nach eigenen Angaben die erhebliche Unfallträchtigkeit der Unfallstelle bekannt war. Denn allein hieraus resultiert eine Verpflichtung, generell den fraglichen Streckenabschnitt mit einer 50 km/h deutlich unterschreitenden Geschwindigkeit zu befahren, nicht. Die bekanntermaßen bestehende Unfallhäufigkeit verpflichtet einen Straßenbahnfahrer lediglich dazu, an der Unfallstelle besonders auf etwaige von rechts kommende Pkw zu achten.
Eine Verpflichtung zur deutlichen Reduzierung der Geschwindigkeit unter 50 km/h ergibt sich schließlich entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht daraus, dass der klägerische Pkw für den Beklagten zu 2) bereits von Weitem als auf den Gleisen stehend wahrnehmbar gewesen wäre. Denn dies ist nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens gerade nicht erwiesen. Vielmehr hat dieses – wie bereits ausgeführt – ergeben, dass die Schilderung des Beklagten zu 2), nach der der Kläger erst in einer Entfernung von ca. 14 Metern vor ihm auf die Gleise eingefahren ist…
OLG Hamm, Urteil vom 22.11.2004, 13 U 131/04
Haftungsquote bei Straßenbahnunfall
Fährt ein Kraftfahrer unter Verkennung der vor ihm befindlichen erkennbaren Verkehrssituation (Rückstau vor einer roten Ampel) und trotz einer sichtbar folgenden Straßenbahn in den überdies mit einer – lediglich zur Schaffung einer Abbiegemöglichkeit unterbrochenen – Sperrflächenmarkierung (Zeichen 298) versehenen Gleisbereich auf der linken Fahrspur ein, um das auf der rechten Fahrspur vor ihm befindliche Fahrzeug zu passieren, und zieht er seinen PKW nach Erkennen des Rückstaues auf die rechte Fahrspur zurück, ohne den Gleisbereich vollständig zu räumen, so tritt auch die naturgemäß erhöhte Betriebsgefahr der dann auffahrenden Straßenbahn hinter der verschuldensbedingt erhöhten Betriebsgefahr des PKW ganz zurück.
In diesem Fall spricht auch kein Anschein für ein Verschulden des Straßenbahnführers.
OLG München, Urteil vom 13.01.2017 – 10 U 4109/16
Kollision eines beim Wenden auf dem Gleisbett haltenden PKW mit einer Trambahn
Kommt es auf einem Straßenbahnübergang zu einer Kollision einer Straßenbahn mit einem dort wendenden Pkw, so tritt die Betriebsgefahr der Straßenbahn gegenüber dem groben Verschulden des Kraftfahrers völlig zurück (Abgrenzung zu OLG München BeckRS 2009, 05470).
OLG Celle, Urteil vom 21.02.2006, 14 U 121/05
Haftungsverteilung bei Straßenbahnunfall mit ungeklärtem Unfallhergang / “größere” Betriebsgefahr einer Straßenbahn
Kommt es auf einer Kreuzung zu einer Kollision zwischen einer Straßenbahn und einem PKW und kann nicht geklärt werden, wer freie Fahrt hatte, ist wegen der von einer Straßenbahn ausgehenden größeren Betriebsgefahr eine Haftungsverteilung von 40 : 60 zu Lasten des Straßenbahnbetreibers auszugehen.
Quelle → VOLLTEXT / OLG Celle / 21.02.2006 / 14 U 121/05