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OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.06.2024 – 8 U 775/24
Nachweis eines Sturmschadens in der Kfz-Versicherung
Beim Nachweis einer Beschädigung des Fahrzeugs durch die unmittelbare Einwirkung von Sturm (Ziffer A.2.2.1.3 AKB 2015) kommen dem auf Leistung klagenden Versicherungsnehmer keine Beweiserleichterungen zugute.
OLG Dresden, Beschluss vom 21.08.2023, 4 U 476/23
Kaskoversicherung – Fahrer eines KFZ ist beliebiger Dritter und nicht in der Kasko mitversichert
In der Kasko-Versicherung ist der Fahrer eines Kfz nicht mitversichert und damit grds. wie ein beliebiger Dritter zu behandeln.
Trifft einen beim Versicherungsnehmer angestellten Fahrer an der Schadensherbeiführung nur leichte Fahrlässigkeit, bestehen keine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die der Versicherer auf sich überleiten könnte.
§ 142 StGB stellt kein Schutzgesetz zugunsten des Kaskoversicherers dar.
Aus den Gründen:
Dem Versicherer (hier die Klägerin) stehen weder Ansprüche des Versicherers noch übergegangene Ansprüche des Versicherungsnehmers gemäß § 86 Abs. 1 VVG zu. Der beklagte Fahrer hat keine Pflichten gegenüber dem Versicherer verletzt (gemeint sind hier Obliegenheitspflichten) und Ansprüche aus übergegangenem Recht des Versicherungsnehmers sind nicht ersichtlich.
Hintergrund: Klage eines Versicherers auf Regress gegen den Fahrer eines LKW, der von der Fahrbahn abkam und mit zwei Bäumen kollidierte.
Quelle → LINK zu JUSTIZ SACHSEN / AZ-Eingabe erforderlich
OLG Bremen, Beschluss vom 19.04.2023 – 3 U 41/22
Arglistige Täuschung des VN über Vorschäden?
Eine arglistige Täuschung (hier über Vorschäden eines Kfz im Rahmen einer Kaskoversicherung) setzt eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zweck der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Eine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers ist dabei nicht erforderlich.
Es reicht aus, dass der Versicherungsnehmer einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt, etwa indem er Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche ausräumen will und weiß, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann. Es genügt hierfür, etwa Beweisschwierigkeiten vermeiden, die Regulierung beschleunigen, nicht «unnötig Sand ins Getriebe» der Regulierung bringen oder allgemein auf die Entscheidung des Versicherers Einfluss nehmen zu wollen.
Quelle: Beck-Verlag / beck-online / BeckRS 2023, 20261
LG Saarbrücken, Urteil vom 10.02.2023 – 13 S 109/22
Glasbruchschaden muss nicht genau zeitlich und örtlich eingegrenzt werden
Für die Frage, ob für einen Glasbruchschaden in der Teilkaskoversicherung Versicherungsschutz besteht, ist es unschädlich, wenn der Versicherungsnehmer das Schadensereignis nicht näher zeitlich eingrenzen kann. Da es nach allgemeiner Meinung auf die Ursache für den Glasbruch nicht ankommt, genügt zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs der Nachweis eines Glasbruchschadens, der sich im Allgemeinen anhand des Schadensbildes unproblematisch führen lässt.
Da sich Glasbruchschäden an der Windschutzscheibe aufgrund eines Steinschlags häufig erst mit einiger zeitlicher Verzögerung zeigen, etwa in Form von Rissen infolge von Spannungen, würde es die Anforderungen an einen Erstattungsanspruch überspannen, wenn der Versicherungsnehmer zwar nicht die Ursache des Risses, aber dessen Eintritt genau zeitlich einordnen müsste, wenn zugleich feststeht, dass der Schaden erst zeitnah zur Schadensmeldung bemerkt worden ist.
Quelle: Beck-Verlag / beck-online / BeckRS 2023. 1763
BGH, Urteil vom 24.01.2023, VI ZR 1234/20
Eine aus einem Fahrzeug bereits ausgebaute Batterie ist keine Betriebseinrichtung des KFZ mehr – so dass bei einer durch die Batterie ausgelösten Explosion keine Halterhaftung gegeben ist.
Und aus den Gründen (nicht ganz wörtlich):
… so dass die Erhitzung und die nachfolgende Explosion der Batterie bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung hier in keinem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG standen. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Batterie bereits aus dem Elektroroller ausgebaut und hatte zu diesem keine Verbindung mehr. Bei dieser Sachlage besteht kein Unterschied zu der Situation, in der eine zuvor nicht im Elektroroller befindliche Batterie dort eingebaut werden soll und zu diesem Zweck vorher aufgeladen wird. In diesen Fällen ist die Batterie nicht mehr bzw. noch nicht Teil der Betriebseinrichtung.
OLG Saarbrücken, Urteil vom 12.10.2022, 5 U 22/22
Kürzung der Versicherungsleistung auf Null in der KFZ-Vollkaskoversicherung bei alkoholbedingtem schwerem Fahrfehler
Ist der Versicherungsnehmer mit dem versicherten Fahrzeug nachts mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,85 Promille in der langgezogenen Linkskurve einer Autobahnüberleitung von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Baum geprallt, so kann, wenn seine Darlegungen einen alkoholunabhängigen Geschehensverlauf nicht plausibel zu erklären vermögen, der Nachweis eines alkoholursächlichen schweren Fahrfehlers geführt und der Versicherer nach den Umständen des Einzelfalles zur Kürzung der Versicherungsleistung auf Null berechtigt sein.
Quelle: Beck-Verlag / beck-online / BeckRS 2022, 29996
LG Bielefeld, Urteil vom 17.05.2021, 18 O 144/20
Ein VN, der ein gebrauchtes KFZ mit nur einem Schlüssel erwirbt, handelt nicht grob fahrlässig, wenn er die Schließanlage nicht austauscht.
Insbesondere folgt aus dem Umstand, dass der Kläger das Fahrzeug lediglich mit einem Schlüssel gekauft hat nicht, dass ein vollständiger Austausch der Schließanlage notwendig gewesen wäre. Der Verlust des Zweitschlüssels oder auch der Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs mit nur einem Schlüssel sind nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht derart unüblich, dass daraus gesteigerte und in einem solchen Maße aufwendige Sicherungsmaßnahmen erforderlich sind. Eine solche gesteigerte Sicherungspflicht oder Pflicht zum Austausch der Schließanlage folgt auch nicht aus dem Umstand, dass ein Fahrer des Verkäufers das Auto von Rumänien nach Z. gefahren hat.
Quelle → VOLLTEXT / LG BIELEFELD / 17.05.2021 / 18 O 144/20
Leitsatz → zfs 2022, 212 (DeutscherAnwaltVerlag)
OLG Hamm, Beschluss vom 19.7.2021 – 20 U 129/21
AKB: Leistungskürzung auf Null wegen alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit
Im Streitfall (Blutalkoholgehalt zum Unfallzeitpunkt mindestens 0,88 o/oo; weitere Umstände) ist eine Leistungskürzung auf Null gerechtfertigt.
Dabei ist zwar selbst in Fällen absoluter Fahruntüchtigkeit immer eine Abwägung der Umstände des Einzelfalles erforderlich, so dass nicht pauschal in jedem Fall von Fahruntüchtigkeit eine Leistungskürzung auf Null vorzunehmen ist (aaO Rn. 33). Eine Leistungsfreiheit des Versicherers kommt aber jedenfalls auch dann in Betracht, wenn – wie hier – in einem Fall relativer Fahruntüchtigkeit die Blutalkoholkonzentration nicht weit von der absoluten Fahruntüchtigkeit entfernt ist und sich der Alkohol erheblich auf den Eintritt des Unfalls ausgewirkt hat, ohne dass Umstände vorgetragen sind, die den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit jedenfalls im subjektiven Bereich in milderem Licht erscheinen lassen.
Quelle → BeckRS 2021, 34270, beck-online
OLG Dresden, Beschluss vom 5.7.2021 – 4 U 428/21
Fahrzeugdiebstahl, Obliegenheitsverletzung, Teilkaskoversicherung
1. Die für das äußere Bild eines versicherten Diebstahls erforderlichen Mindesttatsachen können nur dann durch informatorische Anhörung des Versicherungsnehmers bewiesen werden, wenn Zeugen hierfür nicht zur Verfügung stehen.
2. Die Berufung auf eine Obliegenheitsverletzung seitens des Versicherers erfordert in der Regel die Vorlage der Versicherungsbedingungen, die eine solche Obliegenheit enthalten.
3. Werden Fahrzeugschlüssel nicht so aufbewahrt, dass sie vor dem unbefugten Zugriff Dritter geschützt sind, kann hierin ein grob fahrlässiges Verhalten liegen (im vorliegenden Fall verneint).
Quelle → Beck-Verlag / BeckRS 2021, 23349 / beck-online
OLG Dresden, Beschluss vom 19.07.2021 – 4 W 475/21
Kfz-Versicherung deckt Explosion der Batterie beim Startvorgang ab
1. Nach dem Sinn und Zweck der Kfz-Versicherung sind nur unmittelbar vom Fahrzeug ausgehende Gefahren abgedeckt. Eine solche Gefahr stellt aber die Explosion der Batterie des versicherten Fahrzeugs beim Startvorgang dar, auch wenn dieser mit einer Starthilfe
durch ein anderes Fahrzeug unterstützt wird.
2. Weder die kurzzeitige Außerbetriebssetzung noch die Veräußerung des Fahrzeugs lassen eine Ruhensversicherung als Bestandteil der Kfz-Haftpflicht entfallen.
Die Außerbetriebsetzung eines Fahrzeugs im Sinne des § 14 FZV bedeutet
keinen Wagniswegfall nach G.8 AKB 2015, da das Kfz als versichertes Objekt oder als Ausgangspunkt einer Haftung nicht wegfällt und sie außerdem im Zweifel nicht als endgültig gedacht ist. Bei einer vom Versicherungsnehmer gewollten, nur vorübergehender Stilllegung eines Fahrzeugs, die länger als 2 Wochen, aber nicht länger als 18 Monate andauert, wandelt sich eine uneingeschränkte Fahrzeugversicherung vielmehr gem. H.2 AKB 2015 (automatisch) in eine beitragsfreie Ruheversicherung um, wenn der Versicherungsnehmer mit der Abmeldung des Fahrzeugs dieses (noch) nicht endgültig aus dem Verkehr ziehen wollte (OLG Jena, Urteil vom 13. März 2012 – 4 U 151/11 –, juris). Von letzterem ist bis zu einer gegenteiligen Äußerung des Versicherungsnehmers auszugehen, der Versicherer hat einen fehlenden Wiederzulassungswillen des Versicherungsnehmers zu beweisen (LG Nürnberg-Fürth ZfS 2013, 156).
Quelle → VOLLTEXT unter Justiz Sachen / Aktenzeichen eingeben
OLG Karlsruhe, Urteil vom 01.06.2021 – 9 U 54/19
Versicherungsschutz in der Kfz-Vollkaskoversicherung / Öffnen einer Verkaufsklappe eines Grillhähnchenwagens während der Fahrt
1. Bleibt ein Grillhähnchen-Verkaufswagen beim Vorbeifahren an einer Hausecke hängen, weil sich die seitliche Verkaufsklappe während der Vorbeifahrt geöffnet hat, handelt es sich um ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis im Sinne von A.2.3.2 AKB 2008, also um einen Unfall im Sinne der Vollkaskoversicherung.
2. Die Regelung in den Versicherungsbedingungen, wonach „Schäden aufgrund eines Brems- oder Betriebsvorgangs nicht als Unfallschäden gelten“ enthält keine Ausschlussklausel. Die Regelung hat lediglich deklaratorischen Charakter.
3. Für den Versicherungsschutz in der Vollkaskoversicherung spielt es keine Rolle, ob der Versicherungsnehmer die Verkaufsklappe des Fahrzeugs vor Fahrtantritt fahrlässig unzulänglich befestigt hat. Denn die Vollkaskoversicherung gewährt Versicherungsschutz gerade in den Fällen, in denen der Versicherungsnehmer fahrlässig zum Unfallereignis beigetragen hat.
Quelle: Beck-Verlag / BeckRS 2021, 19567 / beck-online
Fiktive Bestimmung des Restwertes in der Kaskoversicherung
Wird ein kaskoversichertes Fahrzeug, welches bei einem Unfall beschädigt oder zerstört wurde, nicht, nicht vollständig oder nicht fachgerecht repariert oder kann der Versicherungsnehmer nicht durch eine Rechnung die vollständige Reparatur nachweisen, so ist,
wenn sich der Versicherungsnehmer entschließt, das beschädigte oder zerstörte Fahrzeug nicht zu veräußern,
bei der fiktiven Bestimmung des Restwertes des Fahrzeugs lediglich der regionale Markt für den Aufkauf solcher Fahrzeuge am Sitz des Versicherungsnehmers in den Blick zu nehmen.
Quelle → BGH – fiktive Bestimmung des Restwertes in der Kasko
LG Magdeburg, Urteil vom 11.09.2018, 11 O 217/18 (042)
Kfz-Kaskoversicherung: Leistungskürzung bei grob fahrlässiger Ermöglichung eines Kfz-Diebstahls
Ein Versicherungsnehmer, der nach dem Versicherungsvertrag ausdrücklich dazu verpflichtet ist, seine Garage als nächtlichen Einstellplatz für sein Auto zu nutzen, handelt grob fahrlässig, wenn er das Auto nachts vor der Garage abstellt.
Angesichts dieser Obliegenheitsverletzung ist der Versicherer zu einer Leistungskürzung in Höhe von 30 % berechtigt.
Volltext → LG Magdeburg / 11 O 217/18 (042)
Kritik → Aber so wirklich überzeugt das Urteil nicht, weil das Gericht nach vielfacher Einschätzung nicht exakt mit der Trennung der Bestimmungen zur Gefahrerhöhung und zu den vertraglichen Obliegenheiten sowie zur Herbeiführung des Versicherungsfalls umgeht.
OLG Dresden, Urteil vom 16.02.2021, 4 U 1909/20
Beweislast für die Beseitigung von Vorschäden
Auch in der Kaskoversicherung trägt der Versicherungsnehmer die Beweislast für die Beseitigung von Vorschäden, sofern diese nicht eindeutig von den geltend gemachten Unfallschäden abgegrenzt werden können.
Optisch unauffällige Vorschäden (hier Lackkratzer) rechtfertigen des Schluss vom Schadensbild auf eine Kenntnis des Versicherungsnehmers und die Annahme einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung auch dann nicht, wen ihre Beseitigung mit erheblichen Kosten verbunden ist.
Aus den Gründen:
Entgegen der Auffassung der Beklagten scheitert eine Feststellung der Schadenshöhe auch nicht an einer Teilüberlagerung von Vor- und Unfallschäden. Allerdings trägt der Geschädigte die volle Beweislast für die Abgrenzung des Neuschadens, wenn er Schadensersatz im Fall einer Teilüberlagerung von Vorschäden mit geltend gemachten Schäden fordert (vgl. 16 O 452/14; , Urt. v. 08.01.2016 – 2b O 183/12; Hoffman-Benz, juris PR-VerkR 3/2014 Anm. 2; , Urteil vom 01.10.2013 – 10 O 1419/12; Wenker, juris PR-VerkR 1/2014 Anm. 2). Nach der ganz herrschenden Rechtsprechung (vgl. , Urteil vom 30.10.2013 – 1 U 205/10; , Urteil vom 15.06.2011 – 12 U 128/09; , Beschluss vom 22.03.2010 – 11 U 214/12 – juris) hat der Geschädigte darzulegen, dass die Vorschäden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Eintritt des neuen Schadenfalles fachgerecht beseitigt worden sind. Dem Geschädigten obliegt es, ausreichende Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung nach , Beschluss vom 08.04.2013 – § 287 ZPO vorzutragen und unter Beweis zu stellen (vgl. 11 U 214/12). Dazu muss er ausschließen, dass ähnliche Schäden im gleichen Bereich schon früher vorhanden waren (vgl. z. B. , Beschluss vom 08.04.2013 – 9 U 238/12; , Urteil vom 01.02.2013 – 6 U 362/03). Erst wenn detailliert nachgewiesen wurde, welche technisch abgrenzbaren Vorschäden durch welche Reparaturmaßnahmen fachgerecht beseitigt worden sind, besteht Raum für eine Schätzung der Schadenshöhe ( , Urteil vom 18.07.2003 – § 287 ZPO). So liegt der Fall hier indes nicht. Vorliegend steht die Schadenskompatibilität des überwiegenden Teils der Schäden fest. Der Sachverständige S… hat in seinem Gutachten die Übereinstimmung der Schäden mit dem geschilderten Unfallverlauf in einem Umfang von 5.360,91 € netto eindeutig bejaht und diese Schäden auch eindeutig von den Vorschäden abgegrenzt. Zudem hat der Kläger auch nicht einzelne Kratzer in seiner Schadensmeldung angegeben – wozu er auch nicht verpflichtet gewesen wäre. Vielmehr erfolgte die Schadensfeststellung durch einen Gutachter der Beklagten – den Sachverständigen N. -, der an der Plausibilität der Unfallursächlichkeit der Schäden – bis auf wenige Kratzer und Parkdellen – keine Zweifel hatte.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.12. 2020 – 9 U 124/18
Vollkaskoschutz nach dem Platzen eines Reifens – und am besten den “alten” Reifen aufbewahren
oder Unfall im Sinne der Kaskobedingen bei Eindringen eines Fremdkörpers
Wenn ein Reifen während der Fahrt durch einen eingedrungenen Fremdkörper platzt, handelt es sich um ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis, mithin um einen Unfall im Sinne der üblichen Bedingungen in der Vollkaskoversicherung.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Fremdkörper auf der Fahrbahn liegt und vom Fahrzeug überfahren wird, oder ob sich der Fremdkörper schon vorher im Reifen befand und erst später durch Einwirkungen während der Fahrt das Platzen des Reifens verursacht.
Ein Unfall im Sinne der üblichen Bedingungen in der Vollkaskoversicherung liegt hingegen nicht vor, wenn ein schon vorher bestehender Reifenschaden, eine fehlerhafte Montage oder fehlerhafter Luftdruck alleinige Ursache für das Platzen des Reifens während der Fahrt ist.
Thema Beweislast:
Macht der Versicherungsnehmer nach dem Platzen eines Reifens Leistungen aus der Vollkaskoversicherung geltend, muss er die Voraussetzungen eines Unfalls beweisen. Dazu gehört der Nachweis, dass ein eingedrungener Fremdkörper für das Platzen des Reifens ursächlich war.
Quelle: aus BeckRS 2020, 37565
LG Oldenburg, Urteil vom 14.10.2020, 13 O 688/20
Diebstahl nach Schlüsseleinwurf in Werkstatt-Briefkasten – grobe Fahrlässigkeit und Leistungsfreiheit der Teilkasko?
Wie so oft im Recht, ist das eine Frage des Einzelfalles und dazu führt das LG Oldenburg in den Entscheidungsgründen aus:
Es ist zwar anerkannt, dass das Einwerfen eines Schlüssels in den Briefkasten eines Autohauses den Tatbestand der groben Fahrlässigkeit erfüllen kann (siehe beispielsweise OLG Köln, 9U 65/00); dieser Grundsatz gilt aber nicht ohne Weiteres. Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalles, so dass es also darauf ankommt, ob es für jeden einleuchtend und ersichtlich ist, dass ein in den Briefkasten eingeworfener Schlüssel im konkreten Einzelfall leicht wieder herausgezogen werden kann, und ob sonstige äußere Umstände den Verdacht aufkommen lassen müssen, der Schlüssel sei dort nicht sicher und dem Zugriff Dritter leicht ausgesetzt.
KG Berlin, Urteil vom 29.05.2020, 6 U 102/19
Leistungspflicht des Kfz-Haftpflichtversicherers bei Blanko-Versicherungsbestätigung
Auch wenn ein Hauptvertrag über eine Kfz-Versicherung nicht zustande gekommen ist, weil im Versicherungsantrag ein anderes Fahrzeug ausgewiesen wurde als im Versicherungsschein und der Versicherungsnehmer das darin liegende neue Angebot mangels Prämienzahlung nicht angenommen hat, so bleibt die Leistungspflicht des Kfz-Haftpflichtversicherers aus der vorläufigen Deckung bestehen, wenn das den Unfall verursachende Fahrzeug mit einer „blanko“ erteilten elektronischen Versicherungsbestätigung zugelassen wurde.
siehe hierzu auch (weiter unten):
KG Berlin, Beschluss vom 13.06.2014, 6 U 22/14
AG Northeim, Urteil vom 13.08.2019, 3 C 99/19
Kosten der Beilackierung sind im Kaskoschadenfall versichert
Bei der Beilackierung handelt es sich bei lebensnaher Betrachtung,
insbesondere aus der Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers, um einen Teil einer vollständigen und sachgerechten Reparatur. Die handwerklich korrekte Instandsetzung nach einem Unfall beinhaltet auch die gegebenenfalls erforderliche Beilackierung. Dabei handelt es sich nicht um eine Wertverbesserung des Fahrzeugs, sondern um eine Wiederherstellung des zuvor bestehenden Zustands. Würde auf die Beilackierung verzichtet, dürfte die Lackierung aus technischer Sicht nicht einwandfrei sein. Es handelt sich insofern nicht um einen Folgeschaden oder die Geltendmachung einer Wertminderung. Letztere dürfte nur dann
vorliegen, wenn der Versicherungsnehmer einen gegebenenfalls
vorhandenen merkantilen Minderwert geltend machen würde. So
liegt hier der Fall jedoch nicht.
Interessant ist in dem Zusammenhang die folgende Entscheidung des BGH zur fiktiven Abrechnung von Unfallschäden in der Fahrzeugkaskoversicherung auf Gutachtenbasis
BGH, Urteil vom 11.11.2015, IV ZR 426/14
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird schon nach dem Wortlaut der Klausel davon ausgehen, dass ihm im Versicherungsfall diejenigen Aufwendungen ersetzt werden, die ein wirtschaftlich vernünftig handelnder Betroffener in seiner Lage tätigen würde, um das beschädigte Fahrzeug wieder fachgerecht herzustellen.
aa) Danach sind Aufwendungen für die Fahrzeugreparatur in einer markengebundenen Werkstatt immer dann erforderlich, wenn aufgrund der Art der anfallenden Reparaturarbeiten nur dort eine vollständige und fachgerechte Reparatur durchgeführt werden kann.
bb) …
In dem Verständnis, dass es für die Frage der Erforderlichkeit der Kosten nicht ausschließlich auf die technisch einwandfreie Instandsetzung des Fahrzeugs ankommen muss, wird sich der Versicherungsnehmer durch den Zweck der Versicherung bestärkt sehen. Mit dem Abschluss einer Fahrzeugkaskoversicherung erstrebt er in der Regel nicht nur den Schutz vor wirtschaftlich nachteiligen Folgen hinsichtlich des eigenen Fahrzeugschadens bei selbst verschuldeten Unfällen, sondern auch die Befreiung vom Risiko der Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegen den Unfallgegner bei unklarer Haftungslage. Die Praxis zeigt, dass Versicherungsnehmer es in derartigen Fällen vielfach vorziehen, ihren Fahrzeugschaden beim eigenen Kaskoversicherer zu regulieren und diesem die Prüfung eines Regresses beim Unfallgegner zu überlassen. Dass der Umfang ihres Anspruchs gegen den Versicherer insoweit generell hinter dem zurückbleiben soll, was im Schadenfall von einem haftpflichtigen Unfallgegner verlangt werden kann (vgl. dazu BGH, Urteile vom 29. April 2003 – VI ZR 398/02, BGHZ 155, 1 unter II 2; vom 20. Oktober 2009 – VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 Rn. 7 f.; vom 22. Juni 2010 – VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 Rn. 6 und VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 Rn. 5 f.; vom 13. Juli 2010 – VI ZR 259/09, VersR 2010, 1380 Rn. 6; vom 15. Juli 2014 – VI ZR 313/13, NJW 2014, 3236 Rn. 8; vom 28. April 2015 – VI ZR 267/14, VersR 2015, 861 Rn. 9 ff.), wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer dem Begriff der erforderlichen Kosten jedenfalls nicht entnehmen.
LG Düsseldorf, Urteil vom 19.10.2018, 21 O 324/16
Keine grobe Fahrlässigkeit bei Zusammenstoß mit Straßenbahn
Bei fehlender Ortskenntnis kann bezüglich eines Unfalls eine grob fahrlässige Herbeiführung zu verneinen sein, wenn örtliche Besonderheiten vorliegen, die sich einem Ortsunkundigen nicht sogleich erschließen.
Quelle: Beck-Verlag / r+s 2020, 498
KG Berlin, Beschluss vom 13.06.2014, 6 U 22/14
Leistungen aus einer KASKO-Versicherung; Anforderung an die Annahme der Erteilung einer vorläufigen Deckungszusage aus einer KASKO-Versicherung
1. Hat ein Versicherungsnehmer in einer Kfz-Haftpflichtversicherung bereits vor Erteilung der Versicherungsbestätigung mitgeteilt, dass er auch KASKO-Schutz in Anspruch nehmen will, hat die Versicherung dem Versicherungsnehmer vorläufigen Deckungsschutz auch in der KASKO-Versicherung zu gewähren.
Dabei genügt es, wenn der Versicherungsnehmer seinen Wunsch auf Versicherung in der KASKO-Versicherung gegenüber einem Versicherungsmakler erklärt hat.
2. Eine Pflicht zur vorläufigen Deckungszusage scheidet lediglich dann aus, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer spätestens mit der Übergabe der Versicherungsbestätigung explizit darauf hingewiesen hat, dass sich die vorläufige Deckungszusage nur auf die Haftpflichtversicherung bezieht.
Dabei genügt ein nicht weiter hervorgehobener Hinweis im Versicherungsantrag dieser Mitteilungspflicht nicht.
OLG Frankfurt / Main, Urteil vom 26.09.2018, 13 U 43/17
Nachhaftung gem. § 117 VVG für sog. Kurzkennzeichen
Auch bei sog. “Kurzkennzeichen” ist der Versicherer gegenüber Dritten ebenfalls der Nachhaftung nach § 117 VVG unterworfen.
OLG Hamm, Urteil vom 07.02.2007, 20 U 134/06
Ein Abkommen von einer schmalen Fahrbahn auf den Grünstreifen begründet nicht ohne Weiteres grobe Fahrlässigkeit
Im Streitfall ist der Kläger von einer schmalen Fahrbahn mit unbefestigtem Randstreifen abgekommen; der Spurverlauf zeigt, dass er mit den rechten Rädern auf die dichte Grasnarbe neben seiner Fahrspur geraten ist, und dies bei einer Lenkbewegung, die nach den Berechnungen des Sachverständigen eine Zeitraum von nicht mehr als einer Sekunde gedauert hat. Aus einem solchen Fahrfehler ist dem Kläger nicht der Vorwurf eines schlechthin unentschuldbaren Verstoßes gegen seine Sorgfaltspflichten zu machen.
Und:
Wenn ein Versicherungsnehmer nicht in der Lage ist, einen plausiblen Grund für das Abkommen von der Fahrbahn anzugeben, kann daraus keine Umkehr der Beweislast abgeleitet werden, die nach § 61 VVG dem Versicherer obliegt.
Aber:
Wie das Abkommen von einer sehr breiten, gut ausgebauten und etwa mit Randstreifen versehenen Fahrbahn ohne plausiblen Grund zu beurteilen sein würde, kann der Senat offen lassen.
Quelle → VOLLTEXT / OLG Hamm / 20 U 134/06
OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.03.2007, 19 U 127/06
Parken bei Straßengefälle – immer doppelte Sicherung durch Handbremse und Gang! Alles Andere ist grob fahrlässig!
ebenso
OVG Niedersachsen, Beschl. v. 02.04.2013, 5 LA 50/12
Wird ein Kraftfahrzeug auf einer abschüssigen Straße abgestellt, ohne dass eine doppelte Sicherung gegen Wegrollen mittels Handbremse und Einlegen eines Ganges erfolgt, rechtfertigt dies grundsätzlich den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit.
Aus den Gründen (2 Anmerkungen):
Die Gefahrensituation einer stark abschüssigen Straße erforderte nämlich besondere Aufmerksamkeit, so dass der Kläger gehalten gewesen wäre, sich mit Sorgfalt zu vergewissern, tatsächlich den richtigen Gang eingelegt zu haben. Dies zumal der Sachverständige für ein Gefälle von 10 % den ersten Gang nur gerade noch für ausreichend erachtet hat und es für empfehlenswerter hielt, das Fahrzeug sogar mit Hilfe des Rückwärtsganges zu sichern.
… entlastet den Kläger insbesondere nicht, dass es sich bei der Sicherung eines Fahrzeugs gegen Wegrollen (durch Gang und Handbremse) um einen mehraktigen Routinevorgang handelt. Das Vergessen eines von verschiedenen Handgriffen in einem zur Routine gewordenen Handlungsablauf, das auch einem üblicherweise mit seinem Eigentum sorgfältig umgehenden Versicherungsnehmer passieren kann, ist nur dann der typische Fall eines Augenblicksversagens, der das „Verdikt der groben Fahrlässigkeit“ nicht verdient, wenn der Versicherungsnehmer einen der Routinehandgriffe ausnahmsweise – durch äußere Umstände abgelenkt – vergisst (BGH VersR 1989, 582; BGH NJW 1986, 2838). Solche besonderen Umstände hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen.
Quelle → zum VOLLTEXT geht es HIER lang