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LG Lübeck, Urteil vom 06.09.2024, 10 O 240/23
Gehwegunfall und die Verkehrssicherungspflichten (mit Rechtsprechungsübersicht in den Gründen)
Ein Verkehrssicherungspflichtiger hat in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren auszuräumen und erforderlichenfalls vor ihnen zu warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag. Grundsätzlich muss der Straßenbenutzer sich den vorgefundenen
Straßenverhältnissen anpassen. Die Pflichtwidrigkeit von Schäden an Gehwegen und unterschiedlicher Höhenniveaus im Fußgängerbereich beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls.
Aus den Gründen:
Die Rechtsprechung beurteilt die Pflichtwidrigkeit von Schäden an Gehwegen und unterschiedlicher Höhenniveaus im Fußgängerbereich mit Blick auf die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Für eine Fußgängerzone oder die nicht für den Kfz-Verkehr bestimmte Zuwegung zu einem Marktplatz wurde ein Niveauunterschied unter 2,00 bis 2,5 cm als erheblich angesehen (OLG Oldenburg vom 20.12.1985, Az. 6 U 72/85; OLG Hamm vom 16.10.2020, Az. 11 U 72/19),
ebenso wie eine Asphaltkante von 3,00 cm, während mit absackenden Pflastersteinen eher zu rechnen ist (OLG Stuttgart vom 26.11.2020, Az. 2 U 437/19).
Auf Gehwegen im Allgemeinen werden Niveauunterschiede von ca. 2 bis 3 cm regelmäßig akzeptiert (OLG Koblenz vom 26.7.2018, Az. 1 U 149/18; OLG Koblenz vom 23.6.2010, Az. 1 U 1526/09; OLG Frankfurt vom 10.2.2003, Az. 1 U 153/01). Entscheidend ist dabei jeweils, inwieweit Gehwegschäden für den Fußgängerverkehr mit Blick auf die örtlichen Begleitumstände erkennbar und ein Überqueren vermeidbar ist (vgl. auch BGH vom 5.7.2012, Az. III ZR 240/11).
Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflichtverletzung kann erst angenommen werden, wenn auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintritt und nicht rechtzeitig erkennbar ist (OLG Saarbrücken vom 26.11.2015, Az. 4 U 110/14).
Und jetzt beginnt der “Tanz” um die Einzelfallbetrachtung:
Und nochmals aus den Gründen:
Ist ein Höhenunterschied von 2,5 cm auf einem Fußgängerweg damit im Ausgangspunkt noch hinnehmbar, oblag es der Klägerseite, weitergehende Anhaltspunkte vorzubringen, aus denen sich ein Überraschungsmoment oder ein anderer Umstand für den Kläger ergab, aufgrund dessen er den Niveauunterschied zwischen den Gehwegplatten bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt nicht hätte feststellen können.
Quelle (Leitsatz): VRR 10/2024, Seite 2
OLG Hamm, Beschluss vom 29.08.2023, 11 U 76/22
Verkehrssicherungspflicht, Geh- und Radweg, Anpflanzung, Sichtbehinderung
Eine für einen innerstädtischen Geh- und Radweg verkehrssicherungspflichtige Kommune ist nicht verpflichtet, gegen eine die Sicht der Verkehrsteilnehmer einschränkende Bepflanzung auf einem privaten Grundstück vorzugehen, wenn die Verkehrsteilnehmer die eingeschränkten Sichtverhältnisse rechtzeitig erkennen und sich auf sie einstellen können.
Quelle → zum VOLLTEXT geht es HIER lang
Und weil es so schön ist, dann nochmal das OLG Hamm:
OLG Hamm, Beschluss vom 05.07.2023, 11 U 149/22
Verkehrssicherungspflicht, herabfallende Vogeleier, Taubenei
Die Gefahr von herabfallenden Vogeleiern besteht in zahlreichen Bereichen des öffentlichen Straßenverkehrs. Zu einem allgemeinen Schutz des Verkehrs vor den hiermit verbundenen Risiken z.B. durch das Anbringen von Abwehrnetzen, die ein Vogelnisten verhindern sollen, ist der Verkehrssicherungspflichtige aufgrund der damit verbundenen erheblichen personellen und wirtschaftlichen Aufwände regelmäßig nicht verpflichtet.
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OLG Dresden, Urteil vom 21.07.2023, 1 U 2377/22
Die Nassreinigung im Supermarkt (während der Öffnung)
Die Nassreinigung eines Fliesenfußbodens in einem Supermarkt während der Öffnungszeiten ist als Verletzung der Verkehrssicherungspflichten anzusehen, wenn keine ausreichenden Schutzmaßnahmen zu Gunsten der Kunden getroffen werden.
AG München, Urteil vom 28.04.2023, 1290 C 17690/22
Freie Fahrt in der Tiefgarage nur bei „Grün“
Im Streit um Schadensersatz aufgrund eines Vorfalls in einer Tiefgarage einer Wohnanlage wies das Amtsgericht München die Klage einer Münchnerin auf Zahlung von 8.639,21 Euro wegen eines Schadens an ihrem Porsche Coupe 911 ab.
Mit der Klage machte sie geltend, ihr Porsche Coupé 911 sei bei der ordnungsgemäßen Ausfahrt aus der Tiefgarage beschädigt worden. Die Klägerin behauptete, sie habe zunächst von innen das Tor mit ihrem Sensorschlüssel geöffnet. Als die zum Tor gehörende Ampel auf „Grün“ gewechselt sei, sei sie die Ausfahrtsrampe hinaufgefahren. Als sich die Klägerin im Bereich des Rolltors befand, sei dieses völlig unerwartet auf dem Dach ihres Fahrzeugs aufgeschlagen. Sie sei nach dem Aufprall mit ihrem Fahrzeug schockiert stehengeblieben und ausgestiegen. Das Rolltor habe das Dach des Porsches mittig getroffen und deutlich beschädigt.
Das AG München wies die Klage ab, da die Klägerin den Beweis dafür, dass sie bei auf „Grün“ stehender Lichtzeichenanlage ihre Fahrt die Auffahrtsrampe hinauf angetreten hat und das Rolltor ohne Verzögerung passiert hat bzw. passieren wollte, nicht erbracht hat. Auch ein Anscheinsbeweis steht ihr nicht zur Seite.
Stand (09.11.2023): Entscheidung noch nicht rechtskräftig
Quelle: Pressemitteilung AG München vom 06.11.2023
KG Berlin, Urteil vom 06.12.2022 – 21 U 56/22
Räum- und Streupflicht: Ernsthafte lokale Glättegefahr
Eine winterliche Räum- und Streupflicht kann nicht nur bei allgemeiner Glätte, sondern auch bei einer ernsthaften lokalen Glättegefahr bestehen. Ob eine ernsthafte lokale Glättegefahr besteht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei kommt es stets auf den Pflichtenmaßstab an, der an den primär Verkehrssicherungspflichtigen zu stellen ist, der den Verkehr auf der in Rede stehenden Fläche eröffnet hat. Dieser Maßstab gilt auch für einen Dritten, auf den der primär Verkehrssicherungspflichtige
die Räum- und Streupflicht übertragen hat.
Quelle: VRR 2023, Heft 1, Seite 2
LG Köln, Urteil vom 24.11.2022 – 5 O 94/22
Die öffentliche Hand muss dafür sorgen, dass auf Freiflächen, die wie Parkplätze aussehen, keine Baumstümpfe stehen, die Autos beschädigen können.
Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt, indem sie den Baumstumpf auf der Freifläche, die sich neben den asphaltierten Parkflächen befand, nicht so entfernt hat, dass ein Fahrzeug beim Abstellen nicht beschädigt wird. Diese Pflicht habe die Beklagte getroffen, weil sie damit rechnen musste, dass Verkehrsteilnehmer diese Freifläche für einen Parkplatz halten konnten. Die Beklagte war auch für die Freifläche als Trägerin der Straßenbaulast für Gemeindestraßen zuständig. Zur öffentlichen Straße gehören dabei auch befestigte Seitenstreifen, Parkplätze und Parkflächen. Dadurch, dass die Beklagte den Baumstumpf auf der von der Klägerin benannten Freifläche weder vollständig entfernt hatte, noch kenntlich machte oder ein Befahren der Fläche verhinderte, verletzte sie auch die ihr obliegende Amtspflicht.
Die Klägerin treffe allerdings ein Mitverschulden von 50 %. Die Klägerin hätte bei den schlechten Sichtverhältnissen nach Einbruch der Dunkelheit besser auf eventuelle Hindernisse achten müssen.
Quelle: Pressemitteilung LG Köln vom 30.11.2022
OLG Hamm, Beschluss vom 11.08.2022, 11 U 184/21
Unbefestigter Trennstreifen und Baumstumpf (beachte die Differenzierung zwischen Trennstreifen, Grünstreifen und Seitenstreifen)
Ein erkennbar unbefestigter Trennstreifen zwischen einer Fahrbahn und einem Seitenweg dient regelmäßig nicht dem Verkehr und muss nicht frei von Hindernissen wie z. B. einem Baumstumpf sein, so dass er von Fahrzeugen gefahrlos zum Parken genutzt werden kann.
Aus den Gründen:
Da aufgrund des baulichen Zustandes und des äußeren Erscheinungsbildes des Trennstreifens dessen Benutzung zum Abstellen von Kraftfahrzeugen erkennbar nicht gestattet war, bestand für die Beklagte auch keine Verpflichtung, eine tatsächlich gleichwohl erfolgende derartige Benutzung zu berücksichtigen und etwaigen Gefahren vorzubeugen, die an den dort abgestellten Kraftfahrzeugen beim Aufsuchen, Befahren oder Verlassen des Streifens entstehen können (vgl. OLG Bremen, Urteil vom 13.05.1992 – 1 U 14/92, juris Rn. 6; LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 04.05.2012 – 2 O 669/11, juris Rn. 19). Die Beklagte war insbesondere nicht gehalten, den Baumstumpf zu entfernen oder vor ihm zu warnen. Damit kommt es auch nicht auf die Behauptung des Klägers an, der Baumstumpf sei aufgrund des hohen Grases nicht zu sehen gewesen.
Der Umstand, dass regelmäßig Fahrzeuge auf den unbefestigten Flächen abgestellt werden, auf denen sich die Baumstümpfe befinden, führt zu keiner anderen Bewertung. Denn allein dieses Verhalten von Verkehrsteilnehmern nach dem Fällen der Bäume vermag die dieser Nutzung entgegenstehende Widmung der Flächen nicht zu ändern.
Hinweis (aus den Urteilsgründen abgeleitet):
Wenn es sich indes um einen Seitenstreifen, der zwar gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 StVO nicht Bestandteil der Fahrbahn ist, aber gleichwohl unter bestimmten Voraussetzungen befahren werden kann, gehandelt hätte, würde die Einschätzung (wohl) anders aussehen. Seitenstreifen sind neben der Fahrbahn verlaufende, mehr oder weniger befestigte Rand- oder Schutzstreifen des Straßenkörpers.
Quelle → VOLLTEXT / OLG Hamm / 11 U 184/21
AG München, Urteil vom 25.04.2022, 159 C 18386/21
Kein Schadenersatz oder Schmerzensgeld nach Sturz von wackeliger Bierbank
Interessant ist das Urteil deshalb, weil eine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht je nach Aufstellort und Untergrund grundsätzlich in Betracht kommen kann. Hier scheiterte der Anspruch indes an der Beweislast.
Aus den Gründen:
Zwar mag man eine Verkehrspflichtverletzung der Beklagten darin sehen, dass die Bierbank zum Teil auf den Dielen zum Teil auf dem Schotter gestanden hat. Das Gericht konnte sich jedoch nicht die erforderliche Überzeugung bilden, dass die Bierbank vor dem Umkippen tatsächlich so gestanden hat.
Im übrigen hatte der Beklagte auch eingewandt, dass die Gäste die Sitzgelegenheiten auch selbst ausreichend in Augenschein nehmen und im Zweifel ordnungsgemäß platzieren müssten.
Quelle: PRESSEMITTEILUNG Nr. 35 vom 16.09.2022
OLG Hamm, Beschluss vom 11.04.2022, 11 U 49/21
Auf feuchtes Laub auf einem Geh- und Radweg im Herbst muss sich der Nutzer einstellen
Eine durch -jahreszeittypisch- feuchtes Laub und feuchte Nadeln auf einem Geh- und Radweg in einem ländlichen Waldstück begründete Rutschgefahr kann für jeden Benutzer des Weges gut zu erkennen und bei vorsichtiger Benutzung beherrschbar sein. Auf diesen Zustand hat sich ein Verkehrsteilnehmer einzustellen, er stellt keine abhilfebedürftige Gefahrenstelle dar.
Quelle → VOLLTEXT / OLG HAMM / 11 U 49/21
OLG Hamm, Urteil vom 06.04.2022 – 11 U 143/21
Verkehrssicherungspflichtverletzung, Baustellenkontrolle, scharfkantiges Bauloch, Fahrbahn, Gefahrenstelle
Ein unzureichend verfülltes, ca. 10 cm tiefes, scharfkantiges Bauloch in einer Fahrbahnoberfläche kann eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle sein. Eine Kommune verletzt die ihr obliegende Pflicht, eine Baustellenabsicherung zu kontrollieren, wenn sie über einen Zeitraum von annähernd drei Wochen nach Einrichtung der Baustelle keinerlei Kontrollen vorgesehen und durchgeführt hat.
Hinweis: Interessant sind aber auch die Ausführungen zu einem Mitverschulden von hier 25 %.
a) Der Unfall war für den Kläger nicht unvermeidbar. Das Loch war auch in der Dunkelheit für einen umsichtigen Fahrer aufgrund der Scheinwerfer des Fahrzeugs erkennbar. Ein sog. Idealfahrer, der in der vorliegenden Verkehrssituation aufgrund einer über den gewöhnlichen Fahrerdurchschnitt hinausgehenden Aufmerksamkeit alle möglichen und naheliegenden Gefahrenmomente berücksichtigt (vgl. Walter, in: Beck-Online Großkommentar, Stand: 01.09.2019, § 17 StVG, Rn. 15), hätte die Geschwindigkeit nach Erkennen entsprechend reduziert und versucht, dass bis in die Fahrbahnmitte hereinragende Loch zu umfahren. Dadurch hätte der Unfall vermieden werden können.
b) Die nach § 254 BGB vorzunehmende Abwägung, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist, ergibt, dass sich der Kläger die Betriebsgefahr des eigenen Fahrzeugs in Höhe von 25 % anrechnen lassen muss.
Die Betriebsgefahr tritt nicht hinter dem Verschulden der Beklagten zurück. Das Zurücktreten der Betriebsgefahr wird nur dann angenommen, wenn diese nicht erheblich ins Gewicht fällt und ein grobes Verschulden auf der anderen Seite vorliegt (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., StVG, § 17, Rn. 16). Ein derartiger grober Verschuldensvorwurf zulasten der Beklagten kann allein in der unterlassenen Kontrolle der erforderlichen Sicherungs- und Warnmaßnahmen nicht gesehen werden.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.03.2022 – 7 U 125/21
Diskobetreiber/in haftet für rutschige Tanzfläche
Ein/e Discobetreiberin hat die Fußböden der dem Publikumsverkehr gewidmeten Räume während der Öffnungszeiten soweit möglich frei von Gefahren zu halten.
Dazu gehört, dass die Tanzfläche regelmäßig durch einen Mitarbeiter abgegangen und auf Getränkepfützen sowie Scherben kontrolliert wird.
Diesen Anforderungen genügen bereits die von der Beklagten erteilten Anweisungen an das Kontrollpersonal, den Chef-Springer, nicht. Es entspricht dem eigenen Vortrag der Beklagten, dass dieser bei laufendem Betrieb bei seinen Rundgängen die Tanzfläche selbst nicht betritt, sondern sich von einer Bühne aus einen Überblick über die Tanzfläche verschafft. Diese Kontrolle ist nicht geeignet, um Gefahrenstellen am Fußboden aufzudecken. Bei einer gut besuchten Tanzfläche ist es nicht möglich, von oben Einzelheiten des Fußbodens zu erkennen, wobei offenbleibt, ob insoweit an den von der Bühne entfernten Teilen der Tanzfläche bei den in einer Diskothek herrschenden Lichtverhältnissen auf die Entfernung überhaupt Getränkepfützen oder Glasscherben zu sehen wären. Auch für die nahe der Bühne gelegenen Teile der Tanzfläche ist eine solche Kontrolle nicht ausreichend, um Gefahrstellen aufzudecken, um diese zu beseitigen, denn zwischen den Tanzenden kann der Boden der Tanzfläche nicht ausreichend überblickt werden, um kleine Objekte wie Glasscherben oder Pfützen zu erkennen. Die Beklagte selbst macht geltend, dass es für die Gäste, insbesondere die weiblichen Gäste, ratsam sei, ihre Getränke mit auf die Tanzfläche zu nehmen (II 35). Die Beklagte weiß daher, dass sich ihre Gäste, oft auch alkoholisiert, mit Gläsern und Getränken auf die Tanzfläche begeben und es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass beim Tanzen oder auch beim Anrempeln durch andere Tanzende Getränke verschüttet oder Gläser fallengelassen werden. Die sich daraus für die Gäste, die beim Tanzen den Boden nicht im Blick haben müssen, ergebenden Gefahren muss die Beklagte in zumutbarem Maß geringhalten. Das kann zwar nicht bedeuten, dass ständig ein Mitarbeiter mit einem Bodenwischer über die Tanzfläche läuft, um Getränkepfützen oder Scherben zu beseitigen, eine effektive Kontrolle des Fußbodens in gewissen Zeitabständen ist jedoch notwendig. Eine solche ist, wie oben ausgeführt von einer Bühne aus, also von schräg oben schauend, nicht möglich. Vielmehr muss die Tanzfläche selbst abgegangen werden.
Soweit die Beklagte meint, dass es schwierig sei, sich durch die Tanzenden zu bewegen, um den Fußboden der Tanzfläche auf Gefahrenstellen, insbesondere verschüttete Getränke und Glasscherben zu überprüfen, ist dies nachvollziehbar, entbindet die Beklagte aber nicht von ihrer Sicherungspflicht den Gästen gegenüber. Eine solche Kontrolle ist auch nicht unmöglich. Mitarbeiter der Beklagten können sich durchaus durch die Tanzenden bewegen. Dies müssen sie auch tun, um zu Gefahrenstellen zu gelangen, um diese zu beseitigen. Dass dies unmöglich wäre, behauptet die Beklagte selbst nicht.
Die Anweisungen der Beklagten zur Kontrolle der Tanzfläche waren daher nicht ausreichend, um ihrer Verkehrssicherungspflicht zu genügen.
Soweit die Beklagte meint, die Getränkepfütze sei erst kurz vor dem Sturz der Klägerin entstanden, habe daher bei einem Kontrollgang nicht entdeckt werden können, weshalb sich eine Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht ausgewirkt habe, überzeugt dies nicht. Der von der Beklagten gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu führende Entlastungsbeweis betrifft nämlich auch die Herkunft des schädigenden Objekts und die Frage, wie lange es sich vor dem Unfall an Ort und Stelle befunden hat. Steht in Rede, dass Glasscherben auf dem Boden einer Diskothek erst kurz vor dem Unfall – und zwar nicht durch ein Verhalten des Geschädigten selbst – dorthin geraten sind, trägt der Discothekenbetreiber die Beweislast und muss insbesondere vortragen und beweisen, wann und von welchem Mitarbeiter der betreffende Bereich vor dem Unfallzeitpunkt zuletzt in Augenschein genommen worden ist (vgl. dazu , bei juris Rn. 52). , Urteil vom 05.04.2016, I-9 U 77/15
LG Köln, Urteil vom 11.2.2022, 5 O 313/19
Windstärke 11/12 und Verkehrsschild korrekt gesichert – keine Verletzung der Verkehrssicherheitspflichten / Windlast / Windstärke
Aus den Gründen:
Der Sachverständige Dipl.-Ing. T1 hat ausgeführt, Verkehrszeichen müssten eine festgesetzte Windlast aufnehmen, bevor sie umfallen dürften. Gemäß ZTV-SA, 6.2.4 seien für den Innerortsbereich 0,25 kN/Quadratmeter vorgeschrieben. Das streitgegenständliche Schild habe eine Fläche von 0,35 m² und sei etwa 2,00 m hoch. Die Windlast wirke anteilig auf das Schild ein und werde durch die Hebelwirkung des Schaftrohres verstärkt. Folglich ergebe sich bei einer angenommenen Windlast von 0,25 kN/Quadratmeter ein Kippmoment von gerundet 200 kNm. In den ZTV-SA für die Ausstellvorrichtungen der Verkehrszeichen seien sogenannte Standsicherheitsklassen K1-K9 festgelegt. Diese würden aufgrund der Schilderfläche und der Höhe über der Aufstellfläche bestimmt. In den TL-Aufstellvorrichtungen 97 seien der Standsicherheit und den verschiedenen Sicherheitsklassen die entsprechenden Prüfkräfte zugewiesen, die in Höhe von 1,00 m auf die Aufstellvorrichtungen aufzubringen seien. Da es sich bei dem streitgegenständlichen Schild um ein Dreieck handele, welches auch eine Aufstellhöhe von mehr als 1,50 m habe, seien demnach zwei Fußplatten vorgesehen. Unstreitig war das streitgegenständliche Schild mit zwei Fußplatten gesichert. Wenn aber die Windgeschwindigkeit 32,7 m/s betrage – dies beschreibe die mittlere Windgeschwindigkeit der Windstärke 12 – wirke, so der Sachverständige, ein Drehmoment von 508,5 Nm. Das Schild kippe dann trotz ordnungsgemäßer Sicherung um. Das Schild wäre den technischen Normen entsprechend nur bis zur Windstärke 8 nicht umgefallen. Auf die tatsächliche Windstärke am Schadenstag komme es daher nicht an.
Auch hat der Sachverständige aus den Lichtbildern die Schlussfolgerung gezogen, dass die Ausrichtung des Schildes korrekt war, weil die Längsseiten der Fußplatten im 90° Winkel zum angebrachten Verkehrszeichen gestanden hätten.
Der Sachverständige hat des Weiteren erläutert, dass aus einer veränderten Stellung beziehungsweise Aufstellung sich nur eine marginal veränderte Windwirkung auf das Schild ableiten lasse. Aus dem Schadensbild am Fahrzeug schließt der Sachverständige, dass der Fuß des aufgestellten Schildes weitestgehend parallel zur Fahrbahn beziehungsweise der Bordsteinkante aufgestellt gewesen sei. Ansonsten wäre ein Kontakt der unteren rechten Kante des Schildes mit dem Fahrzeug in Höhe der B-Säule nicht möglich gewesen. Eine Neigung der Parkfläche zur Fahrbahn hin ziehe eine Neigung des Schildes im oberen Bereich ebenfalls zur Fahrbahn hin nach sich. Die abschüssige Aufstellfläche begünstige eher, dass das Schild keinen Kontakt mit dem Fahrzeug habe. Im Übrigen wäre das Schild, wie bereits ausgeführt, aufgrund der Windgeschwindigkeit auch auf einer ebenen Fläche umgekippt.
Quelle → VOLLTEXT / LG Köln / 11.2.2022 / 5 O 313/19
OLG Karlsruhe, Urteil vom 5.10.2021, 9 U 59/19
Verkehrssicherungspflicht eines Bauunternehmers bei Straßenbauarbeiten – Sturzunfall eines Fahrradfahrers
1. Wird auf einer Straße der Fahrbahnbelag im Zusammenhang mit Aufgrabungsarbeiten erneuert, darf die Straße nach dem Auffräsen des Asphaltbelags nur dann in einem provisorischen Zustand für den Verkehr freigegeben werden, wenn dies nicht mit Gefahren für den Verkehr verbunden ist. Ist bei einem provisorischen Zustand der Fahrbahn mit Gefahren für Verkehrsteilnehmer zu rechnen, muss die Straße im Gefahrenbereich bis zur Wiederherstellung des Asphaltbelags gesperrt bleiben.
2. Ist im Bereich der Baustelle mit Radfahrern zu rechnen, muss der Bauunternehmer Rutschgefahren für Radfahrer berücksichtigen, wenn diese bei einem provisorischen Fahrbahnzustand lockeres Material überfahren müssen; das gilt in besonderem Maß, wenn Radfahrer im Bereich einer Einmündung eine Kurvenfahrt ausführen müssen.
3. Eine Fahrradfahrerin braucht auf asphaltierten Straßen in einem Wohngebiet normalerweise nicht damit zu rechnen, dass der Asphaltbelag wegen einer Baustelle an einer bestimmten Stelle nicht mehr vorhanden ist. Ohne einen besonderen Warnhinweis ist zudem nicht zu erwarten, dass die Radfahrerin in einer solchen Situation den Grad der Gefährlichkeit rechtzeitig einschätzen kann, wenn sie in einer Kurvenfahrt plötzlich lockeres Material an Stelle des Asphaltbelags erkennt.
Quelle → VOLLTEXT / OLG KARLSRUHE / 05.10.2021 / 9 U 59/19
OLG Frankfurt/M., Urteil vom 31.08.2021, 26 U 4/21
Haftung für Schäden durch hochgeschleuderten Gegenstand bei Mäharbeiten (hier: Aufsitz-Rasenmäher)
Bei Mäharbeiten sind grundsätzlich die notwendigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, um Schäden durch hochgeschleuderte Steine zu vermeiden.
Aus den Gründen:
… dass bei Mäharbeiten der vorliegenden Art (insbesondere) die notwendigen Sicherungsvorkehrungen und -maßnahmen zu treffen sind, um Schäden durch hoch geschleuderte Steine zu vermeiden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 04.07.2013 – III ZR 250/12 -, NJW-RR 2013, 1490, 1491; Hager, in: Staudinger, BGB, 2009, § 823 E, Rdnr. E 165). Dabei müssen freilich nur solche Schutzvorkehrungen getroffen werden, die unter Berücksichtigung des Gefahrenpotenzials mit vertretbarem Aufwand durchgeführt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 04.07.2013 – III ZR 250/12 -, NJW-RR 2013, 1490, 1491; Hager, in: Staudinger, BGB, 2009, § 823 E, Rdnr. E 165).
Wird ein Wiesenteil durch einen Mäher in der Weise gemäht, dass der Abstand zu parkenden Fahrzeugen nur 2 bis 3 Meter beträgt, hat der Verkehrssicherungspflichtige Vorkehrungen dafür zu treffen, dass Personen und fremde Sachen nicht beschädigt werden. Gerade weil es sich im Streitfall nur um einen sehr überschaubaren Bereich handelte, der zu mähen war, war es dem Mitarbeiter der Beklagten zumutbar, den dort anwesenden Busfahrer kurz darauf hinzuweisen, dass er beabsichtigt, in einem nach den örtlichen Gegebenheiten sehr geringen räumlichen Abstand zu dem parkenden Bus Mäharbeiten vorzunehmen.
Diese Information hätte den Busfahrer in die Lage versetzt zu entscheiden, ob er – ggf. nach Rücksprache mit einem Vorgesetzten – das Risiko eines Steinschlags hinnimmt oder aber den Bus vorübergehend an einer anderen Stelle abstellt. Vor diesem Hintergrund kann im Streitfall offen bleiben, ob es der Beklagten auch wirtschaftlich und zeitlich zumutbar gewesen wäre, weitergehende Maßnahmen zu treffen (vgl. in Bezug auf Mäharbeiten, die mit motorgetriebenen Rasenmähern zwischen den einzelnen Parkbuchten eines städtischen Parkplatzes vorgenommen wurden und bei denen die Mitarbeiter der Stadt die betroffenen Flächen zuvor nach Steinen abgesucht hatten, etwa BGH, Urteil vom 28.11.2002 – III ZR 122/02 -, NVwZ-RR 2003, 166: Absicherung durch aufzuspannende Planen; Verzicht auf den Einsatz motorgetriebener Geräte und Ausweichen auf handbetriebene Mäher).
siehe hierzu auch die vorbenannte Entscheidung des
BGH, Urteil vom 28.11.2002, III ZR 122/02
Mäharbeiten mit einem Handrasenmäher
Nicht ausreichend sollen sein:
vorheriges Absuchen der zu mähenden Flächen nach Fremdkörpern, insbesondere Steinen
und die Verwendung des vorgeschriebenen Spritzschutzschildes am Mäher.
Als Maßnahmen, die allein oder zusammengenommen die Gefahren des Rasenmähens minimieren könnten und die die Beklagte nach ihrem Ermessen hätte auswählen können, kämen beispielsweise in Betracht:
die Verhängung eines zeitweisen Parkverbotes,
die Anbringung von Planen vor den geparkten Fahrzeugen,
die Verwendung von Auffangbehältern statt eines bloßen Spritzschutzes,
der Einsatz von speziellen Rasenmähern oder sonstigen Vorkehrungen,
die entweder schon auf dem Markt zu kaufen seien oder aber bei entsprechender Nachfrage zu kaufen sein würden,
sowie der Verzicht auf motorbetriebene Werkzeuge.
OLG Hamm, Urteil vom 25.06.2021, 7 U 89/20
Verkehrssicherungspflicht / Erdkabel – über den Fahrradweg / Sichtfahrgebot
Das Verlegen eines Erdkabels über einen Fahrradweg begründet eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle, deren fehlende Absicherung eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Verlegenden bedeutet.
Ist ein über einen Fahrradweg verlegtes Erdkabel im Einzelfall weder schwer erkennbar noch überraschend, kann dem Fahrradfahrer ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot nach § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO und damit ein haftungsbegründendes Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB – hier in Höhe von 50 % – vorgeworfen werden (anders – im Einzelfall – bei einem über einen Feldweg gespannten Stacheldraht BGH Urt. v. 23.4.2020 – III ZR 251/17…).
Quelle → VOLLTEXT zu OLG Hamm / Sichtfahrgebot und Erdkabel
Anmerkung → Das im 2. Leitsatz (am Ende) benannte Urteil des BGH zum Sichtfahrgebot bei Hindernissen, mit denen schlichtweg nicht zu rechnen sein muss,
findet Ihr gleich als nächste Entscheidung nachfolgend.
Sturz eines Mountainbikers über einen über einen Feldweg absperrenden Stacheldraht / Verkehrssicherungspflichten von Jagdpächtern / Sichtfahrgebot und Fehlreaktion
Einen Jagdpächter treffen Verkehrssicherungspflichten für die ihm bekannten, von einem Vorpächter mit einer jagdlichen Zielsetzung geschaffenen Einrichtungen. Eine jagdliche Zielsetzung ist auch die Schaffung von Ruhezonen für das Wild.
Das Sichtfahrgebot gebietet es nicht, dass der Fahrer seine Geschwindigkeit auf solche Objekte (hier quer über einen für die Nutzung durch Radfahrer zugelassenen Weg gespannter, nicht auffällig gekennzeichneter Stacheldraht) einrichtet, die sich zwar bereits im Sichtbereich befinden, mit denen der Fahrer – bei Anwendung eines strengen Maßstabs – jedoch unter keinem vertretbaren Gesichtspunkt rechnen muss. Dies betrifft etwa Hindernisse, die wegen ihrer besonderen Beschaffenheit ungewöhnlich schwer erkennbar sind oder deren Erkennbarkeit in atypischer Weise besonders erschwert ist und auf die nichts hindeutet (Fortführung von BGH, Urteile vom 5. April 1960 – VI ZR 49/59, VersR 1960, 636; vom 27. Juni 1972 – VI ZR 184/71, VersR 1972, 1067 und vom 15. Mai 1984 – VI ZR 161/82, NJW 1984, 2412).
Die falsche Reaktion eines Verkehrsteilnehmers stellt keinen vorwerfbaren Obliegenheitsverstoß dar, wenn dieser in einer ohne sein Verschulden eingetretenen, für ihn nicht vorhersehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu ruhiger Überlegung hat und deshalb nicht das Richtige und Sachgerechte unternimmt, um den Unfall zu verhüten, sondern aus verständlichem Erschrecken objektiv falsch reagiert.
OLG Hamm, Beschluss vom 07.05.2021, 7 U 27/20
Verkehrssicherungspflichten bei Abdecken von Versorgungsleitungen auf Jahrmärkten, bei Großveranstaltungen und in Stadion
Das Abdecken von Versorgungsleitungen auf Jahrmärkten und anderen Großveranstaltungen mit Matten kann grundsätzlich zur Wahrung der Ver-kehrssicherungspflicht genügen.
Es begründet aber eine eigenständige – hier verletzte – Verkehrssicherungspflicht, wenn die Abdeckmatten selbst eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle darstellen, weil sie im Randbereich wellig sind/vom Boden abstehen und von in dichtem Gedränge aus einem großen Fußballstadion strömenden Zu-schauern kaum wahrzunehmen sind.
Die Delegation einer Verkehrssicherungspflicht kann – wie hier von Seiten des veranstaltenden Vereins – auch faktisch erfolgen, wenn die Übertragung gleichwohl derart klar und eindeutig ist, dass eine Ausschaltung von Gefahren zuverlässig sichergestellt ist.
Seiner Kontroll- und Überwachungspflichten kann der Delegierende im Einzelfall – so hier – nachkommen, wenn er das Verlegen der Abdeckmatten kontrolliert und keine Anhaltspunkte dafür hat, dass von Seiten des Delegierten ungeeignete Abdeckmatten verwendet werden.
Eine freiwillige Leistung des Delegierenden muss sich der Geschädigte nicht im Wege des Vorteilsausgleichs auf seine Ansprüche gegen den Delegierten anrechnen lassen.
Quelle → OLG Hamm / Verkehrssicherungspflichten / Abdecken von Versorgungsleitungen
LG Offenburg, Urteil vom 21.01.2021, 2 O 65/20
Zur Haftung für Schäden durch hochgeschleuderte Steine bei Mäharbeiten am Straßenrand
Ein sog. Kettenschutz sowie eine weitere Kunststoffvorrichtung zum Schutz vor aufgewirbelten Gegenständen sind ausreichende Sicherungsmaßnahmen zum Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer.
Zu weiteren Sicherheitsvorkehrungen war der Beklagte nicht verpflichtet, insbesondere hätte der Beklagte ohne konkreten Anlass (z.B. einen verunfallten Kiestransporter) den zu mähenden Abschnitt nicht unmittelbar vor Durchführung der Mäharbeiten auf Steine oder sonstige Fremdkörper untersuchen lassen müssen (vgl. OLG Hamm, a.a.O., Rn. 21).
Quelle: Beck-Verlag / BeckRS 2021, 12601
OLG Hamm, Beschluss vom 13.04.2016, I-1 U 127/15
Verkehrssicherungspflicht, Stöckelschuhe, Schmutzfangmatte, Eingangsbereich, Theater
Eine Besucherin, die mit den Absätzen ihrer Stöckelschuhe in einer Schmutzfangmatte im Eingangsbereich eines städtischen Theaters hängen bleibt und dann zu Fall kommt, kann die Stadt nicht aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung auf Schadensersatz für erlittene Verletzungen in Anspruch nehmen, wenn die Matte im Eingangsbereich klar erkennbar und bei vorsichtigem Gehen – auch mit Stöckelschuhen – gefahrlos zu überqueren war.
Aus den Gründen (mit einem gewissen Schmunzeln):
Die Gefahrenstelle war auch beherrschbar. Dies gilt auch für Trägerinnen von Stöckelschuhen…
Dies ist bei achtsamer Begehung eines Untergrundes wie dem in Rede stehenden auch möglich, indem nämlich entweder von vornherein das Körpergewicht nur zurückhaltend auf die Absätze verlagert wird oder jedenfalls bei Anhebung des einen – potentiell festhängenden – Fußes sichergestellt wird, dass jeweils auf dem anderen Bein ein sicherer Stand möglich ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass die streitgegenständliche Schmutzfangmatte, deren Abmessungen die für die Abhilfebedürftigkeit der Gefahrenstelle darlegungsbelastete Klägerin nicht vorträgt, jedenfalls wie in öffentlichen Gebäuden üblich eine überschaubare Länge und Breite haben wird, so dass die von der Klägerin zu verlangende und ihr auch ohne weiteres mögliche vorsichtige Gehweise auf der Schmutzfangmatte sich jedenfalls auf wenige Schritte hätte beschränken müssen.
Quelle → OLG Hamm / Beschluss vom 13.04.2016 / 11 U 127/15
OLG Stuttgart, Urteil vom 26.11.2020, 2 U 437/19
Sturz über eine 3 cm hohe Asphaltkante bei Neubau eines Gehweges
Eine in Laufrichtung, mitten auf dem Gehweg verlaufende Asphaltkante von 3 Zentimetern Höhe löst bereits eine Sturzgefahr aus, da sie als ungewöhnlich anzusehen ist. Das gilt nicht für Bordsteinkanten, absackende Pflastersteine oder eine angehobene Asphaltdecke im Bereich eines großen Baumes.
Das Bauunternehmen trifft eine besondere Verkehrssicherungspflicht. Die Gefahrenstelle war entsprechend abzusichern.
Quelle: Der Verkehrsanwalt (DV), Heft 1, 2021, Seite 7
OLG Hamm, Urteil vom 12.08.2016, 11 U 121/15
Auf öffentlichen Kreisstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften muss der Verkehrssicherungspflichtige nur an besonders gefährlichen Stellen streuen, um der Gefahr einer Glatteisbildung vorzubeugen. Besonders gefährlich sind nur solche Straßenabschnitte, auf denen ein Verkehrsteilnehmer bei der für Fahrten auf winterlichen Straßen zu fordernden schärferen Beobachtung des Straßenzustandes und erhöhter Sorgfalt den glatten Zustand der Straße nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und deswegen die Gefahr nicht meistern kann.
(und weiter …)
Ein umsichtiger Fahrer hätte an der Unfallstelle bei winterlichen Temperaturen grundsätzlich mit Glätte durch Eis oder Raureif gerechnet und seine Fahrweise darauf eingestellt. In einem Gebiet mit – wie vorliegend – abschnittsweise neben der Straße befindlichen Waldbeständen und damit unterschiedlicher Sonneneinstrahlung auf die Straßenoberfläche müsse ein umsichtiger Kraftfahrer auch mit überraschendem Auftreten von Glätte rechnen und seine Fahrweise dementsprechend anpassen. Im Bereich der Unfallstelle lägen keine außergewöhnlichen gefahrenträchtigen Straßenverhältnisse vor. Dort weise die Fahrbahn kein besonderes Gefälle und keine seitliche Neigung o.ä. auf, die eine besondere Gefährlichkeit begründen könnten. Die Straßenführung sei für einen herannahenden Verkehrsteilnehmer gut sichtbar.
LG Dessau-Roßlau, Urteil vom 10.08.2016, 2 0 46/16
Hinweispflicht eines Tankstellenbestreibers auf bei Regen durch Fahrzeuge auf das Tankstellengelände eingebrachte Nässe sowie auf den Austritt geringfügiger Mengen von Kraftstoff beim Einführen oder Entnehmen der Zapfpistole besteht nicht (auch sind keine besonderen Vorkehrungen zu treffen)
Die Beklagte trifft insoweit die zwar die grundsätzliche Pflicht dafür Sorge zu tragen, dass Kunden auf ihrem Gewerbegrundstück nicht zu Schaden kommen. Hierzu gehört es auch, witterungsbedingte Gefahrenquellen zu beseitigen und deren Neuentstehung zu unterbinden (OLG Celle, Urt. v. 13.09.1999 – 6 U 43/99; juris). Allerdings ist eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, nicht erreichbar. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst deshalb nur diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger, verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (st. Rspr., zuletzt BGH, Urt. vom 02.10.2012 – VI ZR 311/11 m. zahlr. Nachw.; juris). Der Dritte ist regelmäßig nur vor denjenigen Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann, nicht aber vor allgemeinen Gefahren, die jedermann vor Augen stehen und vor denen sich der Betroffene ohne weiteres selbst schützen kann. Dabei muss auch der Nutzer einer Tankstelle wie bei einer Verkehrsfläche deren Zustand so hinnehmen, wie er sich ihm erkennbar darbietet.
Gemessen an diesem gleichermaßen für vertragliche wie für deliktische Ansprüche geltenden Sorgfaltsmaßstab war die Beklagte nicht gehalten, auf bei Regen durch Fahrzeuge eingebrachte Nässe besonders hinzuweisen und hiergegen Vorkehrungen zu treffen. Hierbei handelt es sich um eine normale witterungsbedingte Erscheinung, die jedermann vor Augen steht, mit deren allgemeinen Begleiterscheinungen der Kunde auch außerhalb des Tankstellengeländes in anderen Verkehrsbereichen zu rechnen und auf die er sich von vornherein einzurichten hat. Der Austritt geringfügiger Mengen von Kraftstoff beim Einführen der Zapfpistole in den Tankstutzen oder Entnehmen ist ebenfalls ein derart verbreitetes Phänomen, dass der Benutzer einer Tankstelle hiermit ohne weiteres zu rechnen hat. Die Beklagte hätte deshalb nur dann tätig werden müssen, wenn ihr bekannt gewesen wäre oder hätte sein müssen, dass es in einem konkreten Bereich infolge der Vermischung von Niederschlagswasser und ausgelaufenem Kraftstoff zur Bildung eines rutschigen Oberflächenfilms gekommen ist, den sie hätte abstumpfen müssen.
OLG Saarbrücken, Urteil vom 18.05.2019, 4 U 146/16
Kontrollintervalle der Gemeinde bei innerörtlichen Straße / Amtshaftung für Kraftfahrzeugschäden infolge Fahrbahnschäden
Bei innerörtlichen Straßen genügt die Gemeinde ihrer Verkehrssicherungspflicht in der Regel, wenn sie eine monatliche Kontrolle der Fahrbahnoberfläche in solcher Art und Weise durchführt, dass der betreffende Gemeindebedienstete geeignete Möglichkeiten hat, Anhaltspunkte für Schäden zu erkennen.
Steht fest, dass der verkehrswidrige Zustand einer Straße bereits so lange angedauert hat, dass in dieser Zeit Kontrollen hätten stattfinden müssen, ist zu Gunsten des Geschädigten zu vermuten, dass der Gefahrenzustand bei sorgfältigen Kontrollen hätte erkannt werden müssen.
Quelle → OLG Saarbrücken / 18.05.2017 / 4 U 146/16
BGH, Urteil vom 14.02.2017, Az: VI ZR 254/16
Mal wieder zur winterlichen Räum- und Streupflicht
Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wegen Verstoßes gegen winterliche Räum- und Streupflichten setzt entweder das Vorliegen einer allgemeinen Glätte voraus oder das Vorliegen von erkennbaren Anhaltspunkten für eine ernsthaft drohende Gefahr aufgrund vereinzelter Glättestellen.
Eine Gemeindesatzung über den Straßenreinigungs- und Winterdienst muss nach dem Grundsatz gesetzeskonformer Auslegung regelmäßig so verstanden werden, dass keine Leistungspflichten begründet werden, die über die Grenze der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten hinausgehen.
OLG Hamm, Beschluss vom 13. April 2016 – 11 U 127/15
Sturz mit Stöckelschuhen auf einer Schmutzfangmatte
Eine Besucherin, die mit den Absätzen ihrer Stöckelschuhe in einer Schmutzfangmatte im Eingangsbereich eines städtischen Theaters hängen bleibt und dann zu Fall kommt, kann die Stadt nicht aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung auf Schadensersatz für erlittene Verletzungen in Anspruch nehmen, wenn die Matte im Eingangsbereich klar erkennbar und bei vorsichtigem Gehen – auch mit Stöckelschuhen – gefahrlos zu überqueren war.
Quelle → OLG Hamm, Beschluss vom 13.04.2016 – 11 U 127/15
OLG Hamm, Urteil vom 13.09.2016, 9 U 158/15
Unebenheiten eines Gehwegs im Zugangsbereich eines Lebensmittelmarkts bis zu einer Grenze von 2,0 cm bis 2,5 cm muss ein Kunde in der Regel hinnehmen.
Mit größeren Höhenunterschieden muss er demgegenüber nicht rechnen, sie begründeten eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle.
Einem über die Unebenheit stürzenden Kunden kann ein Mitverschulden anzulasten sein.
LG Bochum, Urteil vom 08.07.2016, 5 O 252/14
Zur Verkehrssicherungspflicht bei Straßenbäumen (hier: Platane)
Aus den Gründen:
Der Straßenverkehrssicherungspflichtige … muss deshalb Bäume oder Teile von ihnen entfernen, die verkehrsgefährdend sind. Andererseits ist nicht jede von einem Baum oder einzelnen seiner Äste ausgehende Gefahr immer von außen erkennbar.
Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt in solchen Fällen deshalb nur dann vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Erfahrung auf eine weitere Gefahr durch den Baum hinweisen. Der Verkehrssicherungspflichtige genügt seiner Überwachungs- und Sicherungspflicht hinsichtlich der Straßenbäume, wenn er diese aufgrund laufender Beobachtung in angemessenen Zeitabständen auf Krankheitsanzeichen untersucht und die Pflegemaßnahmen vornimmt, welche für die Beibehaltung der Standfestigkeit des Baumes notwendig sind. Zu einer eingehenderen fachmännischen Untersuchung des Baumes ist der Verkehrssicherungspflichtige erst verpflichtet, wenn besondere Umstände wie etwa trockenes Laub, trockene Äste oder Verletzungen oder Beschädigungen des Baumes und dergleichen sie angezeigt sein lassen (OLG Hamm, Beschluss vom 04.11.2013, 11 U 38/13; Beschluss vom 21.09.2012, 11 U 149/12).
Danach ist der Verkehrssicherungspflichtige zunächst einmal nur verpflichtet, bei sämtlichen Straßenbäumen in regelmäßigen Zeitabständen eine äußere Gesundheits- und Zustandsprüfung in Form einer fachlich qualifizierten und vom Boden aus durchgeführten Inaugenscheinnahme des Baumes vorzunehmen. Dabei ist zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich eine zweimal jährlich vom Boden aus durchgeführte äußere Sichtprüfung des Baumes bezogen auf Gesundheit und Standsicherheit durch den Verkehrssicherungspflichtigen erforderlich, aber auch ausreichend, so lange nicht konkrete Defektsymptome an dem betreffenden Baum erkennbar sind (OLG Hamm, Beschluss vom 04.11.2013, 11 U 38/13; Beschluss vom 21.09.2012, 11 U 149/12).
Zwar kann jeder Baum an einer Straße zu einer Gefahrenquelle werden, da durch Naturereignisse sogar gesunde Bäume entwurzelt oder geknickt oder Teile von ihnen abgebrochen werden können. Das gebietet indessen nicht die Entfernung aller Bäume aus der Nähe von Straßen. Der Verkehr muss gewisse Gefahren, die sich nicht durch menschliches Handeln entstehen, sondern auf Gegebenheiten gegenüber Gewalten der Natur beruhen, als unvermeidbar hinnehmen. Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist erst dann anzunehmen, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Erfahrung auf eine konkrete Gefahr durch den Baum hinweisen.
Grundsätzlich trägt der Kläger insoweit die Beweislast für eine Pflichtverletzung der Beklagten. Ihm obliegt der Nachweis, dass bei der zumutbaren Überwachung der Straßenbäume eine Schädigung entdeckt worden wäre.
Und dann weiter zur Besonderheit bei Platanen heisst es:
Bei Platanen müsse aus fachlicher Sicht die Totholzbeseitigung innerhalb von 3 Monaten durchgeführt werden. Die Frist von 3 Monaten zur Planung der Totholzbeseitigung ergebe sich nicht konkret aus Vorschriften. In den Baumkontrollrichtlinien sei festgelegt, dass ein Handlungszeitraum bestimmt werden solle, um einen Schaden zu verhindern. Dies obliege der fachlichen Entscheidung des Baumkontrolleurs. Da jedoch die Problematik von Massaria bei Platanen allgemein bekannt sei, weswegen das Totholz auch schnell abgeworfen werde, sei aus seiner Sicht aufgrund des schnellen Totholzabwurfs eine Frist von maximal 3 Monaten zu setzen, die von anderen Sachverständigen nach seiner Einschätzung ggfs. noch geringer vertreten würde. Diese angesetzten drei Monate seien pflanzenartbedingt und auch situationsbedingt, es handelte sich um eine Platane und sie stünde neben einem Bürgersteig und Parkplätzen, zudem verbreiteten sich die Platanen über die Straße.
OLG Stuttgart, Urteil vom 23.11.2016 – 4 U 97/16
Haftung des Grundstücksbesitzers aus Verkehrssicherungspflicht
Anscheinsbeweis für mangelhafte Errichtung oder Unterhaltung bei Loslösen von Dachziegeln bei Starkwind (hier eines Kirchendachs)
Aus den Gründen:
Deshalb spricht das Ablösen von Gebäudeteilen im Rahmen des Anscheinsbeweises grundsätzlich für eine fehlerhafte Errichtung des Bauwerks oder eine mangelhafte Unterhaltung (BGH NJW 1993, 1782 [1782]; OLG Hamm BeckRS 2010, 29594 ll.2.d. = MDR 2010, 1386; OLG Köln VersR 2005, 512). Der Anscheinsbeweis erstreckt sich auch auf die Kausalität für das schädigende Ereignis in Form des Einsturzes oder der Ablösung von Teilen (BGH NJW-RR 2006, 1098 [1099 Rn. 17]; BGH VersR 1994, 324 [325]; BGHZ 58, 149, [154]).
Demgegenüber greift der Beweis des ersten Anscheins nicht, wenn die ernsthafte Möglichkeit feststeht, dass das schädigende Ereignis auf einer anderen Ursache als der fehlerhaften Errichtung oder der mangelhaften Unterhaltung beruht (BGH NJW-RR 2006, 1098 [1100 Rn. 18]). Der Bundesgerichtshof hat hierzu ausgeführt, dass „Naturereignisse oder Witterungseinflüsse besonderer Art die Annahme ausschließen [können], dass die Ablösung von Teilen eines Werkes auf fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung beruht. Das ist aber nur der Fall, wenn es sich um ein außergewöhnliches Naturereignis handelt, dem auch ein fehlerfrei errichtetes oder mit der erforderlichen Sorgfalt unterhaltenes Werk nicht standzuhalten vermag. Anders verhält es sich dagegen, wenn es sich um Naturereignisse oder Witterungseinflüsse handelt, mit denen nach der Erfahrung zu rechnen ist und denen ein Werk bei fehlerloser Errichtung und ordnungsgemäßer Unterhaltung standhalten muss. In einem solchen Fall beweist gerade die Loslösung von Werkteilen infolge der Witterungseinwirkung, dass die Anlage fehlerhaft errichtet oder mangelhaft unterhalten war (BGH NJW 1972, 724 [725]).“
Der Unterhaltspflichtige muss erhebliche Sturmstärken in seine Betrachtung mit einbeziehen und entsprechende Vorsorge für die Festigkeit der Teile des Gebäudes oder Werks treffen. In der Regel ist deshalb der Anscheinsbeweis noch nicht erschüttert, wenn die Schadenursache eine (besonders) starke Sturmböe war (BGH VersR 1999, 1424 [1425]; OLG Hamm BeckRS 2010, 29594 II.2.d. = MDR 2010, 1386; OLG Koblenz OLGR 2002, 446; OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 885; OLG Rostock NJW-RR 2004, 825; OLG Köln VersR 2005, 512; LG Karlsruhe NJW-RR 2002, 1541; LG Offenburg NJW-RR 2002, 596). Nur außergewöhnliche Naturereignisse, denen auch ein fehlerfrei errichtetes oder mit der erforderlichen Sorgfalt unterhaltenes Bauwerk nicht standhalten könnte, lassen den Anscheinsbeweis entfallen (BGH NJW 1972, 724; BGH NJW 1993, 1782 [1783]; BGH NJW 1999, 2593; OLG Hamm BeckRS 2010, 29594 II.2.d. = MDR 2010, 1386 [mehr als 13 Beaufort]; OLG Hamm OLGR 1992, 123 [7 Beaufort]; OLG Koblenz NVwZ-RR 2004, 322, 323; OLG Rostock NJW-RR 2004, 825; OLG Köln VersR 2005, 512; LG Baden-Baden VersR 2003, 517; Diehl ZfS 2011, 258). Keinesfalls außergewöhnlich in diesem Sinne sind Windgeschwindigkeiten von 120 km/h (12 Beaufort) (OLG Düsseldorf VersR 1993, 841; OLG Hamm BeckRS 2010, 29594 II.2.d. = MDR 2010, 1386 [mehr als 13 Beaufort]).
Trotz der Begrenzung der Windlast auf Windstärken bis 12 Beaufort in technischen Regelwerken für Bauwerke wird im Hinblick auf den Klimawandel und die Häufung größerer Windstärken aber auch vertreten, dass diese nicht mehr als außergewöhnliches Naturereignis anzusehen seien (Staudinger/Belling, BGB [2012], § 836 Rn. 109; OLG Hamm BeckRS 2010, 29594 II.2.d. = MDR 2010, 1386 [mehr als 13 Beaufort]).
Jedenfalls Werte im mittleren Bereich von 14 Beaufort (Sturm „Lothar“ – Weihnachten 1999) beziehungsweise von mehr als 150 km/h sollen den Anscheinsbeweis erschüttern (OLG Zweibrücken NJW-RR 2002, 749; OLG Koblenz NVwZ-RR 2004, 322 [323]). Es wird als unerheblich angesehen, ob das Gebäude oder Werk ordnungsgemäß errichtet beziehungsweise unterhalten war, wenn es auch in diesem Fall nicht den ex-tremen Witterungseinflüssen standgehalten hätte (LG Karlsruhe NJW-RR 2002, 1541).
OLG München, Urteil vom 18.01.2017, 20 U 4062/167.
Der Betreiber eines Ladengeschäfts kann im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht gehalten sein, bei nasser Witterung einen Reinigungs- und Wischdienst einzusetzen, wenn die Gefahr besteht, dass der Ein- und Ausgangsbereich infolge eingetragener Nässe rutschig wird.
Stürzt ein Kunde auf nassem Boden, weil einerseits der Betreiber des Ladengeschäfts der dargestellten Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen ist, andererseits der Kunde nicht das angesichts der schlechten Witterungsverhältnisse gebotene gesteigerte Maß an Aufmerksamkeit aufgebracht hat, so kann es richtig sein, den Mitverschuldensanteil des Kunden mit nicht mehr als 25% zu bemessen.
Quelle: Leitsätze aus http://www.gesetze-bayern.de/
AG München, Endurteil vom 01.02.2017 – 262 C 19865/14
Entlastung des Betreibers einer Autowaschanlage bei Beschädigung eines Pkw
Gegen den Betreiber einer Autowaschanlage kann der Vorwurf der Fahrlässigkeit nur dann erhoben werden, wenn er nicht das beachtet hat, was der Verkehr von ihm berechtigterweise erwarten kann. Der Rechtsverkehr kann aber im Normalfall nicht mehr erwarten, als dass der Betreiber einer risikobehafteten Anlage die dafür maßgeblichen allgemein anerkannten Regeln der Technik beachtet und diejenigen Sicherheitsvorkehrungen trifft, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind.
Ein Waschanlagenbetreiber hat nicht die Pflicht, über jede auch nur theoretisch denkbare Gefährdung aus der Wechselwirkung von Fahrzeug und Waschanlagentechnik aufzuklären. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein solches schädigendes Zusammenwirken von Fahrzeugbeschaffenheit und Waschanlage vorliegt, welches so atypisch ist, dass eine Aufklärung darüber auch unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung und nach Treu und Glauben nicht erwartet werden kann.
Ihm ist nicht zumutbar, von jedem existierenden Fahrzeugtyp Kenntnis darüber zu erlangen, welche Bauteile den Einwirkungen einer den technischen Vorgaben entsprechenden Waschanlage möglicherweise doch nicht standhalten könnten.
BGB, Urteil vom 23.11.2017, Az: III ZR 60/16
Pflichtverletzung bei Überwachung eines Schwimmbades
a) Die zur Badeaufsicht in einem Schwimmbad eingesetzten Personen sind verpflichtet, den Badebetrieb und damit auch das Geschehen im Wasser zu beobachten und mit regelmäßigen Kontrollblicken darauf zu überprüfen, ob Gefahrensituationen für die Badegäste auftreten.
Dabei ist der Standort so zu wählen, dass der gesamte Schwimm- und Sprungbereich überwacht und auch in das Wasser hineingeblickt werden kann (Anschluss an BGH, Urteile vom 2. Oktober 1979 – VI ZR 106/78 , NJW 1980, 392, 393 und vom 21. März 2000 – VI ZR 158/99 , NJW 2000, 1946 f). In Notfällen ist für rasche und wirksame Hilfeleistung zu sorgen.
b) Wer eine besondere Berufs- oder Organisationspflicht, andere vor Gefahren für Leben und Gesundheit zu bewahren, grob vernachlässigt hat, muss die Nichtursächlichkeit festgestellter Fehler beweisen, die allgemein als geeignet anzusehen sind, einen Schaden nach Art des eingetretenen herbeizuführen. Dies gilt auch im Falle einer grob fahrlässigen Verletzung der Verpflichtung zur Überwachung eines Schwimmbadbetriebs (Bestätigung von BGH, Urteil vom 13. März 1962 – VI ZR 142/61 , NJW 1962, 959, 960 und Fortführung von Senat, Urteil vom 11. Mai 2017 – III ZR 92/16 , NJW 2017, 2108 Rn. 22 ff, vorgesehen für BGHZ sowie BGH, Urteil vom 10. November 1970 – VI ZR 83/69 , NJW 1971, 241, 243).
OLG Hamm, Urteil vom 12.10.2011, I-13 U 52/11
Sturz eines Jagdgastes vom Hochsitz / Anspruch aus Verkehrssicherungspflicht gegen den Jagdpächter
Der Besitzer eines Hochsitzes muss dessen Standsicherheit im Rahmen seiner Verkehrssichtungspflicht durch regelmäßige Kontrolle und Wartung sicherstellen. An die Überprüfung sind hohe Anforderungen zu stellen. Sie setzt außerdem ein hohes Maß an Sachkunde beim Kontrollierenden voraus.
Quelle → OLG Hamm Sturz eines Jagdgastes vom Hochsitz
OLG Hamm, Urteil vom 05.02.2016, 9 U 134/15
1. §§ 25, 28 StrWG NRW dienen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und bezwecken die Vermeidung von Ablenkungen der Verkehrsteilnehmer durch die Ausgestaltung von Werbeanlagen.
2. Die Verkehrserwartung auch bei Kradfahrern geht vernünftigerweise nicht dahin, dass die von ihnen befahrene Straße im Umfeld von keinerlei potentiellen Hindernissen, die im Falle eines Sturzes und Abkommens von der Fahrbahn getroffen werden können, umgeben sind.
3. Derjenige, der eine Werbeanlage im Umfeld einer Straße (hier 6 Meter Entfernung) aufstellt, muss lediglich dafür Sorge tragen, dass diese so beschaffen ist, dass durch Umwelteinflüsse kein Ablösen von Teilen möglich ist, dass keine Behinderung der Verkehrsteilnehmer durch eine ungünstige Position des Schildes oder eine Ablenkung durch dessen Aufmachung erfolgen.
4. Weitergehende Sicherungsmaßnahmen wie etwa eine Polsterung oder ein Fangzaun sind bei Hinweisschildern der vorliegenden Art nicht üblich und entsprechen auch nicht der Verkehrsauffassung.
Hinweis: Nichtzulassungsbeschwerde des im Prozess unterlegenen Kradfahrers hat der BGH mit Beschluss vom 24.10.2017 (Az. VI ZR 162/16) zurückgewiesen.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 04.08.2017, 7 U 122/16
Schlaglöcher auf Fahrbahnen und Radfahrer
Auf Fahrbahnen von Straßen werden auch gegenüber Radfahrern Schlaglöcher oder Vertiefungen im Bereich von 4 cm mitten in der Straße als gewöhnlich noch nicht verkehrswidriger Zustand angesehen, dabei kommt es aber immer auf die Umstände des Einzelfalls an (OLG Stuttgart, a. a. O. juris Rn. 96 m. Hinweis auf OLG Koblenz, DAR 2001, 460).
OLG Hamm, Urteil vom 18.12.2015, 11 U 166/14
Fahrbahnbelag – Griffigkeit – Land haftet für unzureichende Griffigkeit
Leitsatz:
Das Land Nordrhein-Westfalen kann aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung für einen Fahrbahnbelag haften, der eine unzureichende Griffigkeit aufweist, wenn es aufgrund dieser Gefahrenquelle zu einem Motorradunfall kommt.
Das beklagte Land hat die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil der Fahrbahnbelag im Bereich der Unfallstelle eine unzureichende Griffigkeit aufwies.
Aus den o.g. Vorschriften des Straßen- und Wegegesetzes NW ergibt sich für das beklagte Land die Verpflichtung, die von ihm unterhaltenen Verkehrsflächen von abhilfebedürftigen Gefahrenstellen frei zu halten. Es muss dabei nicht für alle erdenklichen, auch entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintrittes Vorsorge treffen. Eine absolute Gefahrlosigkeit kann nicht gefordert werden. Grundsätzlich muss sich auch der Straßenbenutzer den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Der Verkehrssicherungspflichtige muss jedoch in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (vgl. nur BGH, NZV 2012, S. 533 m. w. N.). Entscheidend sind die konkreten Umstände des Einzelfalls. Maßgebend ist die Sicherheitserwartung des Verkehrs, die sich wesentlich an dem äußeren Erscheinungsbild der Verkehrsfläche, ihrer Verkehrsbedeutung und dem Maß der Ablenkung der Verkehrsteilnehmer orientiert (vgl. nur OLG Hamm, 9. Zivilsenat, NJW-RR 2006, S. 1100).
Den danach zu stellenden Anforderungen hat das beklagte Land nicht genügt. Die Verhandlung vor dem Senat hat ergeben, dass der Fahrbahnbelag an der Unfallstelle mindestens seit dem Jahre 2008 eine mangelhafte Griffigkeit aufwies, aufgrund derer nicht mehr gewährleistet war, dass Motorradfahrer trotz Einhaltung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt den streitgegenständlichen Streckenabschnitt bei Nässe gefahrlos passieren konnten. Im Senatstermin vom 13.11.2015 hat das beklagte Land einräumen müssen, dass bereits im Rahmen einer Straßenzustandserhebung im Jahre 2008 eine Griffigkeit ermittelt wurde, die mit einem Seitenkraftbeiwert unterhalb des sogenannten Schwellenwerts des von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen erstellten Merkblatts zur Bewertung der Straßengriffigkeit bei Nässe (im Folgenden M BGriff) lag und zu einer Bewertung mit „mangelhaft“ führte.
(Hinweis: Das Urteil ist zwar für das Land NRW ergangen, hat aber Gültigkeit auf das gesamte Bundesgebiet.)
OLG Celle, Urteil vom 07.08.2017, 8 U 123/17
Zu den Verkehrssicherungspflichten einer Stadt im Bereich einer Fußgängerzone.
Anforderungen an die zusätzliche Absicherung einer dort vorhandenen Stufe während eines Wochenmarktes.
Aus den Gründen:
Im vorliegenden Fall mag der Beklagten zuzustimmen sein, dass der streitgegenständliche Absatz aufgrund der baulichen Gestaltung der Straße unter “normalen” Umständen und bei Tageslicht gerade noch hinreichend vor sich selbst warnen mag und keine weiteren Sicherungsmaßnahmen erfordert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in der Mitte der L.Straße ein mit roten Ziegelsteinen gepflasterter Bereich verläuft. Dieser vermittelt in Abgrenzung zu den beiden mit Kopfsteinpflaster befestigten Randbereichen optisch den Eindruck einer Fahrbahn. Jedenfalls außerhalb von Fußgängerzonen muss aber jeder Verkehrsteilnehmer mit einem Niveauunterschied zwischen Fahrbahn und Gehweg rechnen, sodass es insoweit auch keiner gesonderten Kenntlichmachung durch den Sicherungspflichtigen bedarf (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. September 2008, Az. 18 U 213/07; OLG Koblenz MDR 1999, 421).
Anders verhält es sich aber jedenfalls an Tagen, an denen Wochenmärkte abgehalten werden. Durch solche Veranstaltungen wird nicht nur die von den Besuchern einer Fußgängerzone zu erwartende Aufmerksamkeit für die Straßenverhältnisse nochmals weiter abgesenkt. Durch die Marktbeschicker und ihre Stände sowie die Besucher des Wochenmarktes wird vielmehr auch die Erkennbarkeit der optischen Trennung von “Fahrbahn” und “Gehweg” im Verlauf der L.Straße zusehends verwischt. Das wird durch das von der Klägerin mit Schriftsatz vom 11. November 2016 eingereichte Lichtbild von einem Wochenmarkt im Unfallbereich eindrucksvoll belegt (vgl. Bl. 19 d. A.).
OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 07.02.2017, 7 U 114/16
Kollision eines ortskundigen Fahrzeugführers beim Einparken mit einem ca. 15 x 15 cm großen Granitblock aus dem Bordstein
Die Benutzer von Straßen, Wegen und sonstigen Verkehrsflächen müssen sich den gegebenen Verkehrsverhältnissen anpassen und diese so hinnehmen, wie sie sich ihnen erkennbar darbieten. Der Verkehrssicherungspflichtige muss in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen bzw. erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die bei sorgfältiger Benutzung nicht erkennbar sind und auf die der Benutzer sich nicht einrichten kann. Die Beantwortung der Frage, ob ein Verkehrsweg sich in einem ausreichend sicheren Zustand befindet, richtet sich nach der Art und der Häufigkeit der Benutzung sowie der Bedeutung des Verkehrsweges (BGH NJW 1989, 2808 f.). Die Verpflichtung des Verkehrssicherungspflichtigen zum sofortigen Einschreiten kann vollständig entfallen, wenn es sich um eine Gefahr handelt, die ein Verkehrsteilnehmer, der die erforderliche Sorgfalt anwendet, rechtzeitig erkennen und sein Verhalten ohne weiteres danach ausrichten kann (OLG Schleswig, Urteil vom 11.11.1999 a. a. O.; BGH VersR 1983, 39 m. w. N.). So liegt der Fall hier.
Im Übrigen entfällt die Haftung der Beklagten bereits deshalb, weil ein Granitblock mit einer Größe von etwa 15×15 cm bei Anwendung der gehörigen Sorgfalt im Zusammenhang mit dem Einparken am rechten Bordstein hätte realisiert werden müssen. Üblicherweise erfolgt das Einparken mit ohnehin reduzierter Geschwindigkeit. Gemäß § 12 Abs. 4 und Abs. 5 StVO ist außerdem platzsparend zu parken und bei fehlendem Seiten- oder Parkstreifen an den rechten Fahrbahnrand heranzufahren. Dies geschieht in der Regel vorsichtig und unter Beachtung der verkehrserforderlichen Sorgfalt. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, weshalb der Ehemann der Klägerin zunächst mit dem vorderen rechten Reifen und anschließend auch noch mit dem Hinterreifen über den 15×15 cm großen Granitblock gefahren ist.
OLG Hamm, Beschluss vom 28.02.2018, 11 U 57/17
Der Fahrer eines Linienbusses darf den Bus nach dem Zustieg eines laut Schwerbehindertenausweis gehbehinderten Fahrgastes, dessen Einschränkung äußerlich nicht erkennbar ist, anfahren, bevor der Fahrgast einen Sitzplatz eingenommen hat.
Allein die Vorlage eines Schwerbehindertenausweises mit dem Merkzeichen G verpflichtet den Fahrer nicht zur besonderen Rücksichtnahme. Vielmehr kann von dem gehbehinderten Fahrgast erwartet werden, dass er den Busfahrer auf seine Gehbehinderung anspricht und ggfls. darum bittet, das Anfahren bis zur Einnahme eines Sitzplatzes zurückzustellen.
(Quelle: Pressemitteilung Justiz-NRW vom 20.04.2018)
OLG Köln, Urteil vom 30.11.2017 – 7 U 23/17
Sturz aufgrund einer Bodenmulde in Fußgängerzone
Bei einer großflächigen, lediglich leichten Muldenbildung im Straßenbelag ohne plötzliche Absenkungen, etwa in Form einer Stolperkante, handelt es sich auch dann um eine für einen Fußgänger bei Anwendung durchschnittlicher Sorgfalt und Aufmerksamkeit grundsätzlich erkenn– und beherrschbare Gefahrenstelle, wenn sich diese Stelle innerhalb einer Fußgängerzone mit Ladengeschäften befindet.
Dies gilt auch für den Fall, dass die Mulde durch leichten, jahreszeitbedingt üblichen Laubbefall, mit dem gerechnet werden muss, teilweise verdeckt ist. Ein durchschnittlich sorgfältiger Verkehrsteilnehmer weiß, dass sich unter laubbedeckten Stellen Hindernisse in Form von Vertiefungen, Mulden oder Ähnlichem befinden können; er wird deshalb derartige Stellen gerade wegen der mangelnden Erkennbarkeit dessen, was sich möglicherweise darunter verbirgt, mit besonderer Vorsicht begehen.
OLG Köln, Beschluss vom 30.06.2017 – 7 U 22/17
Bestehen einer Räum- und Streupflicht
Grundsätzlich ist Voraussetzung für das Bestehen einer Räum- und Streupflicht auf Straßen oder Wegen das Vorliegen einer „allgemeinen Glätte“ und nicht nur das Vorhandensein einzelner Glättestellen. Letztere sind nur dann relevant, wenn erkennbare Anhaltspunkte für eine durch sie ernsthaft drohende Gefahr vorliegen.
Räum- und Streumaßnahmen müssen grundsätzlich erst dann eingeleitet werden, wenn Glättebildung aufgetreten ist. Jedoch sind Wettervorhersagen zu beachten und Straßen und Wege gegebenenfalls auf das Auftreten von Glätte hin zu kontrollieren.
OLG Nürnberg, Urteil vom 25.04.2018, 4 U 1455/17
Besucher eines Schwimmbades können keine „Rundum“-Kontrolle erwarten
Aus der Pressemitteilung des OLG Nürnberg vom 18.06.2018:
Selbst wenn man den Vortrag des Klägers zum Unfallhergang zugrunde legt, ergibt sich nach Auffassung des Senates
keine Haftung der Beklagten,
da diese nicht gegen ihre Verkehrssicherungspflichten verstoßen habe.
Eine lückenlose Aufsicht jedes einzelnen Badegastes in Schwimmbädern sei weder üblich noch zumutbar und auch nach ständiger Rechtsprechung nicht erforderlich. Dies gelte auch für die Aufsicht an besonderen Einrichtungen des Schwimmbades, etwa an einem Sprungturm. Dort habe eine Aufsichtsperson gestanden und immer nur einen Badegast auf den Sprungturm gelassen und auch die Abstände der Sprünge kontrolliert. Zudem habe die Beklagte in einer gut sichtbar angebrachten Benutzungsordnung darauf hingewiesen, dass sich die Badegäste vor dem Absprung vergewissern müssen, dass das Sprungbecken frei sei. Eine jeweils gesonderte Freigabe jedes einzelnen Sprunges durch die Beklagte habe nicht erfolgen müssen.
(Die Urteilsgründe liegen zum heutigen Tage noch nicht vor. Wir berichten gern weiter.)
OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 23.05.2018, 5 U 351/18
Keine Haftung wegen Sturzes auf Kreuzfahrtschiff bei schwerem Seegang
1. Auf das Erfordernis, sich bei schwerem Seegang vorsichtig zu bewegen und für die eigene Sicherheit Sorge zu tragen, muss der Reisende auf einem Kreuzfahrtschiff nicht gesondert hingewiesen werden. Auch die Nutzung eines Fitnessstudios erfolgt daher auf eigene Gefahr.
2. Steht ein vom Kläger vorgetragenes Sturzereignis mit der Nutzung des Fitnessstudios auf einem Kreuzfahrtschiff lediglich in einem zufälligen Zusammenhang, da der Sturz in Folge der Rückbewegung des Schiffes und nicht während der Nutzung des Fitnessgeräts eingetreten ist, fehlt es an einem Zurechnungszusammenhang zwischen einer mutmaßlichen Verkehrssicherungspflichtverletzung durch Eröffnung der Gefahrenlage „Nutzung des Fitnessstudios“ und dem Sturz.
3. Der Schiffsarzt auf einem Kreuzfahrtschiff ist grundsätzlich weder Erfüllungs- noch Verrichtungsgehilfe des Reiseveranstalters, wenn der Reisende durch dessen Konsultation zusätzliche, im Reisevertrag nicht vorgesehene Leistungen in Anspruch nimmt.
BGH, Urteil vom 21.02.2018, Az: VIII ZR 255/16
Räum- und Streupflicht des Eigentümers
Ein Vermieter und Grundstückseigentümer, dem die Gemeinde nicht als Anlieger die allgemeine Räum- und Streupflicht übertragen hat, ist regelmäßig nicht aus dem Mietvertrag gemäß § 535 Abs. 1 BGB verpflichtet, auch über die Grundstücksgrenze hinaus Teile des öffentlichen Gehwegs zu räumen und zu streuen.
Entsprechendes gilt für die allgemeine (deliktische) Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers aus § 823 Abs. 1 BGB.
OLG Oldenburg, Urteil vom 16.01.2018, 2 U 105/17
Haftung aus Verkehrssicherungspflichtverletzung: Notwendige Sicherheitsvorkehrungen bei einem Speedwayrennen zum Schutz der Zuschauer vor ausbrechenden Motorrädern
1. Ein Verein, der im Rahmen einer von ihm organisierten Speedwayrennveranstaltung den Zuschauerbereich des Rundkurses lediglich durch eine 1,2 m hohe Betonmauer mit einem davorliegenden Luftkissenwall sowie einem 3 Meter hinter der Betonmauer entfernt gespannten Seil abgrenzt, verletzt seine Verkehrssicherungspflicht.
2. Er ist für den Schaden, der einem hinter dem Seil stehenden elfjährigen Zuschauer dadurch entsteht, dass ein Fahrer die Kontrolle über sein Motorrad verliert, dieses abhebt, über die Betonwand hinweg fliegt und auf den Zuschauer aufprallt voll einstandspflichtig.
3. Für die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht bei Speedwayrennveranstaltungen ist es erforderlich, zusätzlich zu oder auf der Betonwand bzw. statt ihrer einen motorsportspezifischen Fangzaun zu montieren, der geeignet ist, in den Zuschauerraum ausbrechende Motorräder aufzuhalten.
4. Unerheblich ist, ob sich im Einzelfall die Sicherheitsvorkehrungen des Veranstalters im Rahmen des Üblichen halten, die Vorschriften des Rennsportverbandes sowie die Auflagen der Behörden eingehalten worden sind, weil der Verkehrssicherungspflichtige eigenverantwortlich zu prüfen hat, welche Vorkehrungen zu treffen sind, damit niemand einen Schaden erleidet (vgl. BGH, VersR 1966, 165, 166; NJW 1975, 533).
OLG Braunschweig, Urteil vom 10.12.2018, 11 U 54/18
Wer in der Dunkelheit mit dem Auto auf einen Betonpoller auffährt, muss nicht unbedingt für seinen Schaden selbst aufkommen,
entschied der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig.
Die beklagte Gemeinde, so das Gericht, habe gegen ihre Straßenverkehrssicherungspflicht verstoßen. Die Gemeinde hätte die der Verkehrsberuhigung dienenden Poller so aufstellen müssen, dass die Benutzer der Straße diese gut sehen könnten, wenn sie entsprechend sorgfältig führen. Dies hätte durch gut sichtbare Markierungen und ausreichende Beleuchtung erfolgen müssen, was vor allem dann gelte, wenn es sich, wie hier, um Poller von einer geringen Höhe (ca. 40 cm) handele. Solche Poller seien aus dem Sichtwinkel des Fahrers eines Kraftfahrzeuges nur schwer zu erkennen. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens ist der 11. Zivilsenat im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis gekommen, dass jedenfalls der mittlere und der rechte Poller unabhängig von der Geschwindigkeit und selbst bei Tageslicht für einen von rechts in die Straße einbiegenden Kraftfahrzeugfahrer nicht erkennbar waren. Dies habe der Sachverständige anhand von Videosequenzen für das Gericht belegt. Auch dem Sackgassenschild habe ein Autofahrer nicht entnehmen können, dass die Straße durch Poller versperrt sein würde. Die beklagte Gemeinde habe damit in eklatanter Weise gegen ihre Verkehrssicherungspflichten verstoßen.
Quelle: OLG Braunschweig, Urteil vom 10.12.2018, 11 U 54/18 (aus Pressemitteilung vom 17.12.2018)
LG Aachen, Urteil vom 24.05.2018, 12 O 430/17
Winterwartung an Bushaltestellen
Nach Ansicht des Gerichts hatte das beklagte Land neben der Landstraße selber auch die unmittelbar an der Landstraße liegende Bushaltestelle zu räumen. Rechtsprechung und Schrifttum gehen von einer gesteigerten Verkehrssicherungspflicht im Bereich von Bushaltestellen aus. Auch die Bushaltestelle bei der sowieso erforderlichen Räumung der Landstraße selber zu räumen und abzustreuen wäre auch kein unverhältnismäßiger Aufwand gewesen. Die Bushaltestelle war auch für den Führer eines Räumfahrzeuges ohne weiteres erkennbar, so dass sich die Einbeziehung der Haltestelle in die Räumung angeboten hätte, insbesondere auch zum erkennbar notwendigen Schutz derjenigen Anwohner, die gerade in den Wintermonaten auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind.
Im Ausgangspunkt ging es darum, dass ein Fahrgast aus einem Bus ausstieg und infolge winterlicher Glättebildung an der Bushaltestelle stürzte, obwohl sie, so der Vortrag, sich beim Ausstieg festgehalten hatte und Winterschuhe getragen habe.
Das Gericht kam hier zu einer vollen Haftung zulasten des beklagten Landes (hier NRW).
OLG Naumburg, Urteil vom vom 02.11.2018, 7 U 31/18
Verletzung der Verkehrssicherungspflicht aufgrund unzureichender Durchfahrtshöhe – unter 4 Metern – unter einer Stromkabelführung
Der Betreiber einer Baustelle hat im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht den Luftraum über der Straße bis zu einer Höhe von 4 m freizuhalten. Ein Fahrzeug, das die nach § 32 StVZO zulässigen Maße nicht überschreitet, muss die Gefahrenstelle ohne Berührung mit Baustelleneinrichtungen passieren können.
Verläuft ein Stromkabel für eine Ampelanlage unter dieser Höhe und stößt ein Lkw gegen dieses Kabel, tritt seine Haftung gemäß §§ 9 StVG, 254 BGB vollständig hinter das Verschulden des Baustellenbetreibers zurück.
OLG Brandenburg , Urteil vom 15. 1. 2019 – 2 U 49/17 (r+s 2019, 169)
Kfz-Schaden im öffentlichen Verkehrsraum durch Astabbruch – Baumschauen
1. Grundsätzlich genügt eine Stadt hinsichtlich des Baumbestandes im öffentlichen Verkehrsraum ihrer Verkehrssicherungspflicht, wenn die Bäume jedes Jahr zweimal – jeweils im belaubten und im unbelaubten Zustand – einer Sichtkontrolle vom Boden aus unterzogen werden; bei der Kontrolle bietet die Baumkontrollrichtlinie eine Orientierungshilfe.
2. Wenn aber Umstände vorliegen, die auf eine besondere Gefährdung hinweisen (z. B. ein vom Boden aus erkennbarer Pilzbefall oder sonstige Schäden), sind eingehendere Untersuchungsmaßnahmen erforderlich.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.9.2016, 7 U 196/15
Verkehrssicherungspflicht eines Reiseveranstalters: Sturz eines 5 1/2-jährigen Kindes aus einem ungesicherten Hochbett in einem Ferienhaus in der Schweiz; Aufsichtspflicht der Eltern
Die Vermietung eines Hochbetts ohne jede Absturzsicherung und mit einer Matratze, die nahezu mit ihrer gesamten Dicke über den Rahmen hinausragt, widerspricht der Verkehrssicherungspflicht und stellt einen Reisemangel dar.
… dient das Erfordernis einer Absturzsicherung bei Hochbetten nicht ausschließlich dem Schutz vor dem Herausfallen im Schlaf. … Eine Absturzsicherung soll vielmehr auch bei sachgemäßer Benutzung eines Hochbetts im wachen Zustand wie beispielsweise beim Ein- und Ausstieg einen gewissen Schutz bieten. Auch dabei besteht nämlich die Gefahr einer versehentlichen Gewichtsverlagerung und damit eines Absturzes, insbesondere wenn die nachgiebige Matratze – wie hier – nahezu vollständig über den Rahmen hinausragt. Eine umlaufende Absturzsicherung, die pflichtgemäß mindestens 16 cm über die Matratze hinausreicht, bietet in solchen Situationen die Möglichkeit, sich festzuhalten oder anzulehnen und auf diese Weise einen Sturz abzuwenden.
und dazu auch noch gleich
AG Nürnberg, Urteil vom 24. April 2019, Az.: 19 C 7391/18
Absturzsicherung am Hochbett muss sich in ausreichender Höhe über die gesamte Länge des Bettes erstrecken
Das Amtsgericht Nürnberg hat entschieden, dass eine an einem Hochbett angebrachte Absturzsicherung sich mit Ausnahme eines 30 – 40 Zentimeter breiten Einstiegsbereichs in einer Höhe von mindestens 16 Zentimetern über der Oberkante der Matratze über die gesamte Länge des Bettes erstrecken muss. Im Falle eines Sturzes spreche bei unzureichender Absturzsicherung der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Sturz in Folge der nicht ausreichenden Sicherung zustande gekommen sei.
Quelle: Pressemitteilung 19 des AG Nürnberg vom 8. Mai 2019
OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.09.2008, 1 U 301/07
Straßenverkehrssicherungspflicht: Keine Haftung wegen Verkehrssicherungspflichtverletzung bei Verdeckung einer Verkehrsinsel durch Laubfall
Ein durchschnittlich sorgfältiger Verkehrsteilnehmer weiß, dass sich unter laubbedeckten Stellen auf der Fahrbahn Hindernisse in Form von Vertiefungen, Stufen oder Ähnlichem befinden können; er wird derartige Stellen gerade wegen der mangelnden Erkennbarkeit dessen, was sich möglicherweise darunter verbirgt, entweder meiden oder mit besonderer Vorsicht, notfalls mit tastenden Schritten, begehen (vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 21. November 1996, NJWE-VHR 1997, S. 286).
Zur Verkehrssicherungspflicht bei der Gestaltung einer Parkbucht / und zur Höhe einer Bordsteinkante einer Parkbucht
Der Parkplatz ist entsprechend den technischen Regelungen eingerichtet und hergestellt worden. Randsteine dienen der Begrenzung der eigentlichen Parkfläche. Sie sind – was jeder Verkehrsteilnehmer weiß oder wissen muss – schon entsprechend ihrer Begrenzungsfunktion nicht ohne Weiteres stets zum “Darüber-Fahren” oder auch nur zum “Überhangparken” mit den vorderen Fahrzeugkarosserieteilen durch Anfahren der Fahrzeuge mit den Rädern bis zur Bordsteinkante geeignet beziehungsweise konzipiert. Demgemäß bestehen auch keine generellen Amtspflichten der verkehrssicherungspflichtigen Körperschaft, für ein gefahrloses “Überhangparken” Sorge zu tragen oder vor Gefahren beim freigabewidrigen Überhangparken zu warnen
(a. A. wohl OLG Hamm, NZV 2008, 405: Bordsteine von 18-23 cm Höhe stellen eine “abhilfebedürftige Gefahrenquelle” dar).
Vorliegend ist die stirnseitige Begrenzung der Parkbuchten durch das Anbringen der 20 cm hohen Randsteine und die Bepflanzung so ausgestaltet, dass ein “Überhangparken” ersichtlich nicht stattfinden kann beziehungsweise nicht stattfinden soll. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts waren die mit der Höhe der Randsteine verbundenen Gefahren und Risiken für einen durchschnittlich aufmerksamen Kraftfahrer ungeachtet der zum Unfallzeitpunkt noch fehlenden Bepflanzung ohne weiteres erkennbar und beherrschbar. Dies war nach der Würdigung des Berufungsgerichts trotz der ebenfalls noch nicht funktionsfähigen Beleuchtungseinrichtungen auch bei Dunkelheit der Fall, wenn ein Fahrer sein Fahrverhalten – wie geboten – den herrschenden Lichtverhältnissen anpasste.
Und dann noch eine Anmerkung des BGH dazu, was hier denn bei einem tiefergelegten KFZ wäre, so sich aus anderen Gründen eine Haftung ergeben sollte:
… denn ihn träfe ein so überwiegendes Mitverschulden, dass daneben der Haftungsanteil der Beklagten zu vernachlässigen wäre: Der Kläger wusste, dass er ein tiefergelegtes Fahrzeug mit einer Bodenfreiheit von nur ca. 10 cm hatte. Bei dieser Sachlage musste er (wie das Berufungsgericht im Rahmen seiner Ausführungen zur Erkennbarkeit der Gefahrenquelle zutreffend ausgeführt hat) der Höhe der vorhandenen Randsteine sein ganz besonderes Augenmerk widmen.
LG München II, Urteil vom 22.04.2020 – 10 O 5592/16
Schadenersatz wegen Verletzung der Räum- und Streupflicht – Mitverschulden
Überträgt die Gemeinde die ihr als öffentlich-rechtliche Pflicht obliegende Räum- und Streupflicht einem Dritten, hat die übertragene Tätigkeit hoheitlichen Charakter, zumal wenn die Gemeinde dem Dritten Streumittel und Geräte zur Verfügung stellt.
Für eine Fahrradunterführung an einem S-Bahnhof kann eine Räum- und Streupflicht bestehen.
Hat die Geschädigte den Bereich der Unterführung mit dem Fahrrad befahren, obwohl sie erkannt hatte, dass nach erneutem Schneefall noch nicht vollständig geräumt war, muss sie sich ein Mitverschulden von 25% anrechnen lassen. Allein das Fahren mit dem Fahrrad bei winterlichen Straßenverhältnissen kann allerdings kein Mitverschulden begründen.
Quelle: BeckRS 2020, 6363
LG Coburg, Beschluss vom 07.04.2020, 33 S 1/20
Keine Verantwortlichkeit des Vermieters eines Pkw-Stellplatzes für herabtropfendes Harz
Das LG Coburg hat entschieden, dass die Mieterin eines Pkw-Stellplatzes keinen Anspruch auf Ersatz von Schäden an ihrem Fahrzeug durch herabtropfendes Harz und Beseitigung des hierfür ursächlichen Baumes hat, weil weder ein Mangel der Mietsache vorliegt noch für den Vermieter eine entsprechende Verkehrssicherungspflicht besteht, das Herabtropfen von Harz zu verhindern.
Die Klägerin war seit vielen Jahren Mieterin einer Wohnung sowie eines Pkw-Stellplatzes, der unter einem Baum gelegen war. Weil jetzt Harz von den Ästen des Baumes auf das Fahrzeug der Klägerin tropfte, verlangte sie von ihrem Vermieter Schadensersatz und die Beseitigung des Baumes.
Quelle: Pressemitteilung des LG Coburg Nr. 3/2020 v. 03.07.2020
OLG Schleswig, Beschluss vom 10.09.2020 – 7 U 25/19
Streugut muss nicht sofort nach Verwendung beseitigt werden (hier Sturz eines Fahrradfahrers auf einem “Radweg”)
Vom Streupflichtigen kann nicht verlangt werden, dass er das von ihm pflichtgemäß ausgebrachte Streugut (hier Splitt-Salz-Gemisch) gleich nach jeder Verwendung wieder von der Straße beseitigt.
Ein als Streugut aufgebrachtes Splitt-Salz-Gemisch ist gerade bei Fußwegen sehr gebräuchlich und dient auch dazu, präventiv die von künftigen Schneefällen und Eisbildungen ausgehenden Gefahren zu mindern. An der Westküste Schleswig-Holsteins kann es auch Ende März noch zu Frösten kommen kann und die Streurückstände nicht schon deshalb zu beseitigen waren, weil hiermit zu jener Jahreszeit nicht mehr gerechnet werden musste.
Die Auswahl eines geeigneten Streumittels steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Verkehrssicherungspflichtigen.
OLG Hamm, Urteil vom 30.10.2020 – 11 U 34/20
Fahrzeugschaden durch umstürzenden Straßenbaum und die Verkehrssicherungspflicht einer Kommune
Eine Kommune kann die ihr für einen Straßenbaum obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzten, wenn aufgrund einer bei einer Sichtkontrolle erkennbaren Fäulnisbildung am Fuße eines Stämmlings des Baums keine weiteren Maßnahmen getroffen werden, um dessen Standsicherheit zu überprüfen.
BGH, Urteil vom 19.01.2021, VI ZR 194/18
Zu den Verkehrssicherungspflichten eines Grundstückseigentümers gegenüber Kindern (hier: Veranstaltung eines Reitturniers)
Zwar darf sich ein Grundstückseigentümer nicht darauf verlassen, dass sich Kinder nicht unbefugt in einen Gefahrenbereich begeben, wenn dieser besonderen Anreiz für den kindlichen Spieltrieb bietet und damit verbundene Gefahren für ein Kind nicht ohne weiteres erkennbar sind (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 1995 – VI ZR 34/94 , NJW 1995, 2631, juris Rn. 9). Vielmehr muss jeder Grundstückseigentümer wirksame Schutzmaßnahmen ergreifen, um Kinder vor den Folgen ihrer Unerfahrenheit und Unbesonnenheit zu schützen, wenn ihm bekannt ist oder sein muss, dass sie sein Grundstück zum Spielen benutzen, und die Gefahr besteht, dass sie sich an den dort befindlichen gefährlichen Gegenständen zu schaffen machen und dabei Schaden erleiden können (vgl. Senat, Urteile vom 4. Mai 1999 – VI ZR 379/98 , NJW 1999, 2364, juris Rn. 8; vom 23. Mai 1995 – VI ZR 384/94 , VersR 1995, 973, juris Rn. 13; vom 14. März 1995 – VI ZR 34/94 , NJW 1995, 2631, juris Rn. 9; vom 20. September 1994 – VI ZR 162/93 , NJW 1994, 3348, juris Rn. 11; vom 28. April 1992 – VI ZR 314/91 , NJW-RR 1992, 981, juris Rn. 11; vom 19. Februar 1991 – VI ZR 171/90 , NJW 1991, 2340, juris Rn. 12; jeweils mwN). An die Pflicht zur Gefahrenabwehr sind umso strengere Anforderungen zu stellen, je größer der Anreiz ist, den die vom Sicherungspflichtigen geschaffene oder unterhaltene Gefahrenquelle auf Kinder ausübt, und je weniger diese selbst in der Lage sind, die für sie bestehenden Gefahren zu erkennen (vgl. Senat, Urteile vom 12. November 1996 – VI ZR 270/95 , NJW 1997, 582, juris Rn. 12; vom 14. März 1995 – VI ZR 34/94 , NJW 1995, 2631, juris Rn. 9 mwN).
Allerdings darf sich der Verkehrssicherungspflichtige in gewissem Umfang darauf verlassen, dass die für ein Kind Verantwortlichen ein Mindestmaß an sorgfältiger Beaufsichtigung wahrnehmen. Das Vertrauen, das ein Grundstückseigentümer in die Wahrnehmung der Aufsichtspflicht durch die dafür Verantwortlichen setzen kann, wirkt zurück auf seine Sicherungspflichten. Denn Art und Umfang der Verkehrssicherungspflichten bestimmen sich nicht nur nach der Intensität der Gefahr, sondern auch nach den Sicherungserwartungen des Verkehrs. Werden Gefahren für Kinder durch die gebotene Beaufsichtigung von dritter Seite gewissermaßen neutralisiert, so reduzieren sich entsprechend auch die Sicherungserwartungen an den Grundstückseigentümer, der auf eine solche Beaufsichtigung vertrauen darf (vgl. Senat, Urteile vom 23. Mai 1995 – VI ZR 384/94 , VersR 1995, 973, juris Rn. 19; vom 20. September 1994 – VI ZR 162/93 , NJW 1994, 3348, juris Rn. 16; vom 28. April 1992 – VI ZR 314/91 , NJW-RR 1992, 981, juris Rn. 18; Wagner, in: MüKo-BGB, 8. Aufl., § 823 Rn. 489, 492; Hager, in: Staudinger [2009], § 823 BGB Rn. E 45).
Und im vorliegenden Fall kommt der BGH zu folgender Entscheidung:
Danach musste der Beklagte keine Vorkehrungen treffen, um zu verhindern, dass das Kleinkind in den Pferdeanhänger der Klägerin zu 1 gelangt.
Der Beklagte durfte sich unter den Umständen des vorliegenden Falles darauf verlassen, dass Kleinkinder so beaufsichtigt werden, dass sie jedenfalls nicht in abgestellte Pferdeanhänger oder -transporter von Turnierteilnehmern gelangen können.
Volltext und Quelle → BGH . 19.01.2021 . VI ZR 194/18
und weitergehend (aus diesem Vorgang) zur
Verletzung einer (familienrechtlich begründeten) Obhutspflicht
BGH, Urteil vom 19. Januar 2021 – VI ZR 210/18
Bei einer Aufsichtspflichtverletzung der Eltern kann sich ein Anspruch des Kindes gegen diese aus § 1664 Abs. 1 BGB ergeben. Daneben kann eine Körperverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB auch durch Verletzung einer (familienrechtlich begründeten) Obhutspflicht begangen werden.
Der Umfang der gebotenen Aufsicht über Minderjährige bestimmt sich nach deren Alter, Eigenart und Charakter, wobei sich die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnah-men danach richtet, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der kon-kreten Situation tun müssen, um Schädigungen zu verhindern.
Volltext und Quelle → BGH, Urteil vom 19. Januar 2021 – VI ZR 210/18
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 10.05.2016, 4 O 6465/15
Auch ein Laubbläser darf nicht zu viel Wind machen
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat entschieden, dass beim Einsatz eines Laubbläsers Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen sind, um Gefahren für andere zu vermeiden. Das Gericht sah hier eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht darin, dass die städtischen Mitarbeiter nicht dafür gesorgt hätten. dass der Abstand zwischen dem Laubbläser und der diesem nachfolgenden Kehrmaschine nicht zu groß ist. Auch seien keine Schilder oder Warntafeln aufgestellt gewesen.
Klägerseits war behauptet worden, dass wegen einer vor die Windschutzscheibe geblasenen Laubwolke (ja, das gibt es dann wohl wirklich) seine Ehefrau so erschrocken sei, dass sie die Lenkung verrissen habe und auf ein geparktes Fahrzeug aufgefahren sei. Der Prozess wurde aber trotz Verletzung der Verkehrssicherungspflicht trotzdem verloren, da klägerseits nicht nachgewiesen werden konnte, dass dies nun tatsächlich den Unfall herbeigeführt hatte. Aber das Urteil ist eben besonders interessant wegen der richterlichen Anmerkungen, was denn die städtischen Mitarbeiter falsch gemacht haben.
Der Kläger hat gegen das Urteil des Landgerichts zunächst Berufung zum Oberlandesgericht Nürnberg eingelegt, diese aber nach einem Hinweis des des OLG Nürnberg vom 21. Juli 2016, Az. 4 U 1149/16 wieder zurückgenommen.
Quelle → Pressemitteilung LG Nürnberg-Fürth / 10.05.2016 / Az. 4 O 6465/15
LG Magdeburg, Urteil vom 20.08.2013, 2 S 72/13
Verkehrssicherungspflichtverletzung des Parkhausbetreibers: Anbringung eines Verkehrszeichens mit der unzutreffenden Höhenangabe “2,00 m”
Der Betreiber einer Tiefgarage verletzt seine Verkehrssicherungspflicht, wenn er das Verkehrszeichen 265 der StVO mit der Höhenangabe “2,00 m” an der Einfahrt zur Tiefgarage angebracht hat, obwohl die gefahrlose Einfahrt mit Fahrzeugen bis zu einer Höhe von 2 m wegen der Schräge in der abwärts führenden Zufahrt nicht in jedem Fall gefahrlos möglich ist. Denn durch dieses Zeichen wird das Vertrauen der in die Parkgarage Einfahrenden dahingehend erweckt, dass sie mit Fahrzeugen, die eine geringere Höhe haben, gefahrlos einfahren können und dass an den neuralgischen Stellen – den Ein- und Abfahrten bzw. Durchfahrten – eine Höhe von mindestens 2 Metern zur Verfügung steht.
Und aus den Gründen:
Diese Pflicht hat er dadurch verletzt, dass er das Verkehrszeichens 265 „2 m“ an der Einfahrt zu Tiefgarage hat anbringen lassen, obwohl die gefahrlose Einfahrt mit Fahrzeugen bis zu einer Höhe von 2 m wegen der Schräge nicht in jedem Fall gefahrlos möglich ist. Richtig ist zwar, dass es sich bei dem besagten Zeichen 265 um ein Verbotsschild handelt, das primär für Fahrzeuge mit einer Höhe von mehr als 2 Metern die Einfahrt verbietet. Durch dieses Zeichen wird indes auch, wie das Amtsgericht zu Recht dargetan hat, das Vertrauen der in die Parkgarage Einfahrenden dahingehend erweckt, dass sie mit Fahrzeugen, die eine geringere Höhe haben, gefahrlos einfahren können.
Die Angabe suggeriert… dass an den neuralgischen Stellen – den Ein- und Abfahrten bzw. Durchfahrten – eine Höhe von mindestens 2 Metern zur Verfügung steht.
Quelle → zum VOLLTEXT geht es HIER LANG