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Unfall, Polizei, Sachschaden, VKU, Verkehrsunfall, Unfallschaden, Gutachten, Anwalt. Fachanwalt, Verkehrsrecht

Typische Unfallsituationen im Auge der Gerichte – Teil 2

30. Mai 2025
Michael Liskewitsch

→   →   →   →   →   →   →

Dieser Beitrag besteht aus 2 Teilen (beide findet ihr auch hier in unserem Newsbereich).

Übersicht (Teil 2) mit Unfallkonstellationen:

21. Fahrbahnverengung – einseitig und beidseitig

22. Alles rund um die Einbahnstraße

23. Unfall KFZ vs. Fahrrad

24. Unfälle im Zusammenhang mit der Lichtzeichenanlage (Ampel)

25. “Rund” um und im Kreisverkehr

26. Die Ampel im Fokus 

27. Kreuzungsräumer-Fälle

28. Die “halbe Vorfahrt”

29. Das Reißverschlussverfahren

30. Unfallgegner Rettungswagen / Einsatzfahrzeug und Co. 

31. Überholen und der Seitenabstand

32. “Lückenspringer” und “Kolonnenüberholer”

33. Türöffner-Fälle und Vorbeifahrer / Einparker

34. Alles zur “Lückenrechtsprechung”

35. Auffahrunfall und (behaupteter) Fahrstreifenwechsel des Vordermannes

36. Das Einfahren und Anfahren in den fließenden Verkehr

Und los geht es:

21. Fahrbahnverengung – einseitig und beidseitig

BGH, Urteil vom 08.03.2022, VI ZR 47/21

Bei einer beidseitigen Fahrbahnverengung (Gefahrenzeichen 120 nach Anlage 1 zu § 40 Abs. 6 und 7 StVO) gilt das Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme (§ 1 StVO). Ein regelhafter Vorrang eines der beiden bisherigen Fahrstreifen besteht nicht.

Im Falle der Verengung von zuvor zwei auf nunmehr nur noch einen Fahrstreifen gibt es – anders als beim Zeichen 121 (“Einseitig verengte Fahrbahn”) – nicht einen durchgehenden und einen endenden Fahrstreifen, sondern beide Fahrstreifen werden in einen Fahrstreifen überführt. Das Durchfahren der Engstelle ist daher für sich genommen nicht mit einem Fahrstreifenwechsel im Sinne des § 7 Abs. 5 StVO verbunden; auch greift das Reißverschlussverfahren des § 7 Abs. 4 StVO nicht unmittelbar. Die in der Verengung liegende und durch das Zeichen 120 signalisierte Gefahr führt jedoch zu einer erhöhten Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflicht der auf beiden Fahrstreifen auf die Engstelle zufahrenden Verkehrsteilnehmer im Sinne des § 1, § 3 Abs. 1 StVO…

Nichts anderes gilt auch dann, wenn beide Fahrzeuge gleichauf und mit gleicher Geschwindigkeit an die Engstelle gelangen. Auch in diesem Fall gebührt dem rechts fahrenden Fahrzeug nicht regelhaft der Vortritt.

Das Gefahrenzeichen 120 enthält eine derartige Vorrangregelung nicht.

 


22. Alles rund um die Einbahnstraße

BGH, Urteil vom 10.10.2023, VI ZR 287/22

Rückwärtsfahren in Einbahnstraße (vs. einen aus einer Grundstücksausfahrt rückwärts auf die Einbahnstraße auffahrenden Pkw)

a) Das Vorschriftszeichen 220 in Verbindung mit § 41 Abs. 1 StVO gebietet, dass die Einbahnstraße nur in vorgeschriebener Fahrtrichtung befahren werden darf. Verboten ist auch das Rückwärtsfahren entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung.

Lediglich (unmittelbares) Rückwärtseinparken (“Rangieren”) ist – ebenso wie Rückwärtseinfahren aus einem Grundstück auf die Straße – kein unzulässiges Rückwärtsfahren auf Richtungsfahrbahnen gegen die Fahrtrichtung.

b) Zur Anwendung des Anscheinsbeweises bei einem Verkehrsunfall (hier: Zusammenstoß eines aus einer Grundstückszufahrt auf eine Einbahnstraße einfahrenden Fahrzeugs mit einem auf der Einbahnstraße unzulässig rückwärts fahrenden Fahrzeug).

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts spricht kein Anscheinsbeweis für einen schuldhaften Verstoß des aus einem Grundstück auf die Fahrbahn der Einbahnstraße auffahrenden Klägers gegen § 9 Abs. 5, § 10 Satz 1 StVO.

Zwar kann bei einem Unfall im Zusammenhang mit dem Rückwärtseinfahren aus einem Grundstück auf eine Straße grundsätzlich der erste Anschein dafür sprechen, dass der rückwärts Einfahrende seinen Sorgfaltspflichten nicht nachkam und den Unfall dadurch (mit)verursachte. Jedoch liegt hier die für die Anwendung des Anscheinsbeweises erforderliche Typizität schon deshalb nicht vor, weil die Beklagte zu 1 die Einbahnstraße in unzulässiger Weise rückwärts befuhr. Es existiert kein Erfahrungssatz, wonach sich der Schluss aufdrängt, dass unter diesen Umständen den rückwärts aus der Grundstückszufahrt auf die Einbahnstraße einfahrenden Kläger ein Verschulden trifft (vgl. OLG Köln,VersR 1992, 332, 333; Freymann in Geigel, Haftpflichtprozess 28. Aufl., Kap. 27 Rn. 319; siehe weiter OLG Düsseldorf, Urteil vom 15. Mai 2012 – 1 U 127/11, juris Rn. 37 f.; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 47. Aufl., § 10 StVO Rn. 11 f.; Scholten, ZfSch 2022, 252).

Hinweis: Der BGH hat den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. In dem Zusammenhang ist dann aber noch folgende Ergänzung des BGH in den Entscheidungsgründen von Bedeutung:

Bei der Prüfung eines Verstoßes des Klägers gegen § 9 Abs. 5 , § 10 Satz 1 StVO wird zu berücksichtigen sein, dass er grundsätzlich nicht mit Teilnehmern des fließenden Verkehrs auf der Einbahnstraße rechnen musste, die diese in unzulässiger Richtung nutzten. Dies wäre nur der Fall gewesen, wenn besondere Umstände vorgelegen hätten (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1981 – VI ZR 296/79 , NJW 1982, 334, juris Rn. 14).

In der Vorinstanz (LG Düsseldorf, Urteil vom 02.09.2022, 22 S 390/21) wurde dem aus dem Grundstück Ausfahrenden eine Haftung von 40 % zuerkannt, was der BGH aber für falsch hielt. Über die endgültige Haftungsentscheidung hat das LG Düsseldorf nun zu entscheiden, dessen Entscheidung bisher (hier) nicht bekannt ist.

LG Wuppertal, Urteil vom 30.6.2022 – 9 S 48/22

Zur Frage, wann sich der eine Einbahnstraße entgegen der erlaubten Fahrtrichtung befahrende Kfz-Führer auf den Grundsatz rechts-vor-links berufen kann.

Dem Vorfahrtsrecht der Beklagten steht im Entscheidungsfall nicht entgegen, dass sie eine Einbahnstraße in verbotener Richtung befahren haben. 

Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile wiegt der dem Kläger zuzurechnende Sorgfaltsverstoß jedenfalls nicht weniger als die Verkehrswidrigkeit der Beklagten zu 2). Kommt der Vorfahrtberechtigte aus einer für ihn gesperrten Straße (ohne deshalb sein Vorfahrtrecht verloren zu haben), unterliegt er zwar einer besonderen Sorgfaltspflicht, sodass bei einem Zusammenstoß in der Regel von seiner Mithaftung auszugehen sein wird, die nach den Umständen des Einzelfalles (z.B. Art der gesperrten Straße) zu bestimmen ist (Grüneberg Haftungsquoten, A. Unfälle zwischen Kfz und Kfz Rn. 49, beck-online). Der Verkehrsverstoß der Beklagtenseite wiegt ausweislich des Bußgeldkataloges (25 € ohne und 35 € mit Sachbeschädigung) objektiv nicht schwerer als der Vorfahrtverstoß auf Klägerseite. Vielmehr ist bei Verletzung der Rechts-vor-links-Regel mit Sachbeschädigung ein Bußgeld von 120 € sowie ein Punkt vorgesehen. Deshalb wird der Kläger durch eine Haftungsverteilung von 50/50 nach Auffassung der Kammer nicht benachteiligt. Sie wird von der Kammer auch letztlich als angemessen angesehen.

Quelle: Beck-Verlag / BeckRS 2022, 19796, beck-online

 


23. Unfall KFZ vs. Fahrrad

OLG Hamm, Beschluss vom 02.01.2018 – I-7 U 44/17

Bei der Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge tritt die einfache Betriebsgefahr eines PKW hinter einem für den Unfall ursächlichen Vorfahrtsverstoß des verunfallten Fahrradfahrers vollständig zurück.

Quelle → Volltext / URTEIL / OLG HAMM

LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 19.7.2024, 12 O 23/23

Wer mit dem Fahrrad auf einem Gehweg und zudem auf der falschen Straßenseite fährt, kann sich nicht auf ein Vorfahrtsrecht berufen und haftet allein.

OLG Schleswig, Urteil vom 19.11.2024 – 7 U 90/23

Kollision zwischen einem rechtsabbiegenden PKW mit einem querenden Radfahrer, der verbotswidrig einen Gehweg befährt.

1. Ein erwachsener Fahrradfahrer, der verbotswidrig mit 10 – 27,5 km/h auf einem Fußweg fährt, muss sich als Geschädigter ein erhebliches unfallursächliches Verschulden von 75% entgegenhalten lassen, wenn er eine Straße über den abgesenkten Bordstein überquert, ohne seiner Wartepflicht nachzukommen.

2. Dem rechts abbiegenden Autofahrer, der mit dem verbotswidrig den parallel zur Fahrbahn liegenden Gehweg nutzenden Radfahrer kollidiert, kann kein kausaler Verstoß gegen § 8 Abs. 1 StVO oder § 9 Abs. 1 S. 4 und Abs. 3 S. 1 StVO angelastet werden. Von diesen Regelungen wird nur der berechtigte nachfolgende Verkehr geschützt.

Der Geschädigte (Radfahrer) kann für sich den besonderen Schutz aus den besonderen Abbiege- und Vorfahrtsregelungen nicht in Anspruch nehmen, wenn er als Radfahrer verbotswidrig einen parallel zur Fahrbahn liegenden Gehweg befahren hat.

3. Dem rechts abbiegenden Autofahrer kann aber ein Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot nach § 1 Abs. 2 StVO angelastet werden, wenn er bei gehöriger Sorgfalt den Radfahrer rechtzeitig hätte erkennen und die Kollision vermeiden können. Diese Pflicht beinhaltet, sich bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt unfallverhütend zu verhalten.

4. Rechtsabbiegende Autofahrer müssen damit rechnen, dass andere Verkehrsteilnehmer die Straße, in die eingebogen werden soll, in verkehrswidriger queren (hier Radfahrer auf einem Gehweg in Schulhofnähe).

OLG Celle, Hinweisbeschluss vom 15.10.2024 – 14 U 143/24

Haftungsverteilung bei Kollision eines Pkw mit jugendlichem Radfahrer, der Radweg in falscher Richtung nutzt

Einstieg: Vorinstanz siehe Verschulden des Radfahrers bei 70 % und lässt die Betriebsgefahr des KFZ nicht entfallen (OLG Celle hält das für akzeptabel, wobei auch eine Haftungsteilung in Betracht kommen könnte)

Aus den Gründen:

Bei Unfällen zwischen einem aus einer Ausfahrt kommenden Kfz (§ 10 StVO) und einem den Gehweg befahrenden Radfahrer (Verstoß gegen §§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 5 StVO, soweit der Radfahrer älter als 10 Jahre und keine Aufsichtsperson i. S. d. § 2 Abs. 5 Satz 3 StVO ist) kommt in der Regel eine Schadensteilung in Betracht, die sich nach den Umständen des Einzelfalles richtet (z.B. Sichtweite und Geschwindigkeit des Kfz-Fahrers, Geschwindigkeit des Radfahrers, Unfallort, Umfang des Fußgängerverkehrs) (vgl. Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 17. Auflage 2022, Rn. 381).

Nur ergänzend sei angemerkt, dass der Senat in einem ähnlichen Fall bei der Abwägung der Betriebsgefahr eines Fahrzeuges gegenüber dem schuldhaften Verstoß eines 12-jährigen Kindes gegen § 10 S. 1 StVO die Betriebsgefahr des Kfz unter Berücksichtigung des Alters des geschädigten Kindes einerseits sowie der deutlichen Erhöhung der Betriebsgefahr des Fahrzeugs im Unfallgeschehen andererseits, auch angesichts der weiteren Gesamtumstände des Unfallgeschehens, ebenfalls nicht hat zurücktreten lassen (vgl. Senat, Urteil vom 11. Oktober 2023 – 14 U 157/22).

OLG Celle, Urteil vom 11.10.2023 – 14 U 157/22

Bei der Abwägung der Betriebsgefahr eines Fahrzeuges gegenüber dem schuldhaften Verstoß eines 12-jährigen Kindes gegen § 10 Satz 1 StVO tritt die Betriebsgefahr des Kfz unter Berücksichtigung des Alters des geschädigten Kindes einerseits sowie der deutlichen Erhöhung der Betriebsgefahr des Fahrzeugs im Unfallgeschehen andererseits, auch angesichts der weiteren Gesamtumstände des Unfallgeschehens, nicht zurück (hier: Betriebsgefahr mit 1/3 berücksichtigt).

LG Hanau, Beschluss vom 30.8.2023, 2 S 65/22 

Wer vom Grundstück in die Straße einfährt, haftet beim Zusammenstoß mit falsch fahrendem Radfahrer (möglicherweise) alleine

Zum Sachverhalt:

Auf der Hauptfahrspur näherte sich zugleich eine Fahrradfahrerin, obwohl an der Unfallstelle ein kombinierter Fahrrad-/Fußgängerweg existierte. Die PKW-Fahrerin beabsichtigte, mit ihrem Pkw aus ihrem Anwesen auf die Straße einzubiegen, und tastete sich in diese ein. Die Sicht war durch am Fahrbahnrand geparkte Fahrzeuge erschwert.

Und das LG Hanau macht folgenden Hinweis (auf die hiernach korrekte Entscheidung des Amtsgerichtes):

Die PKW-Fahrerin hat aufgrund des Verstoßes gegen das in § 10 S. 1 StVO festgehaltene Sorgfaltsgebot bei Einfahren von einem Grundstück in den Straßenverkehr den Unfall allein verursacht. Ein Mitverschulden der Fahrradfahrerin an der Kollision hat das Landgericht hingegen verneint.

Diese habe zwar gegen § 2 Abs. 4 S. 2 StVO durch Nichtbenutzung des gemäß Zeichen 241 StVO ausgewiesenen Radwegs verstoßen. Auch wäre der Unfall möglicher Weise nicht geschehen, weil sich das Fahrrad bei Benutzung des Radwegs im Moment des Einfahrens des PKW in die Straße an einer anderen Stelle befunden habe. Die Nutzungspflicht für Radwege soll jedoch keine Kollisionen mit PKW verhindern, die aus einem Grundstück in die Straße einfahren. Es soll vielmehr Gefahren eines gemischten Verkehrs begegnet werden. Insbesondere dienen getrennte Radwege dem Schutz von Radfahrern im dichten Verkehr mit geringen Seitenabständen.

Quelle: aus Pressemitteilung des LG Hanau vom 25.11.2024 

 


24. Unfälle im Zusammenhang mit der Lichtzeichenanlage

OLG Saarbrücken, Urteil vom 21.04.2023 – 3 U 11/23

Überragende Bedeutung einer Kreuzungs-Ampel für die Schuld- und Haftungsfrage

Der Verkehrsregelung durch eine Lichtzeichenanlage an einer Kreuzung oder Einmündung kommt eine so erhebliche Bedeutung zu, dass die Betriebsgefahr sowie im Einzelfall auch ein geringfügiges Verschulden des bei Grünlicht in den geschützten Kreuzungs-/Einmündungsbereich Einfahrenden hinter den Rotlichtverstoß des Unfallgegners zurücktritt.

Quelle → DIREKT zum VOLLTEXT

 


25. “Rund” um und im Kreisverkehr

OLG Koblenz, Beschluss vom 22.09.2022 – 12 U 917/22

Vorfahrtsrecht bei Einfahrt in einen “kleinen” Kreisverkehr

1. Ist ein Kreisverkehr an der Einmündung in den Kreis mit den beiden Verkehrszeichen 205 (Vorfahrt gewähren) und 215 (Kreisverkehr) versehen, ist derjenige als vorfahrtsberechtigt anzusehen, der als Erster die Zeichen passiert hat und in den Kreisverkehr eingefahren ist; ein vollständiges Einfahren in den Kreisverkehr ist für die Begründung des Vorfahrtsrechts nicht erforderlich. 

2. Der danach Vorfahrtsberechtigte ist auch nicht gehalten, nach dem Einfahren in den Kreisel nochmals eine Blickzuwendung nach links vorzunehmen (und bei Erkennen eines sich von dort mit überhöhter Geschwindigkeit nähernden Fahrzeugs zur Vermeidung einer Kollision eine „Notbremsung“ vorzunehmen), sondern darf sich darauf verlassen, dass noch nicht in den Kreisverkehr eingefahrene Fahrzeuge sein bestehendes Vorfahrtsrecht beachten werden.   

Quelle: BeckRS 2022, 24717 / beck-online

 


26. Die Ampel im Fokus 

OLG Saarbrücken, Urteil vom 21.04.2023, 3 U 11/23

Der Verkehrsregelung durch eine Lichtzeichenanlage an einer Kreuzung oder Einmündung kommt eine so erhebliche Bedeutung zu, dass die Betriebsgefahr sowie im Einzelfall auch ein geringfügiges Verschulden des bei Grünlicht in den geschützten Kreuzungs-/Einmündungsbereich Einfahrenden hinter den Rotlichtverstoß des Unfallgegners zurücktritt.

 


27. Kreuzungsräumer-Fälle (Nachzügler)

Ausgangslage:

Fahrzeug 1 fährt bei Grünlicht in die Kreuzung ein, kann diese aber – z.B. wegen Rückstaus – noch nicht vollständig überqueren (sog. Nachzügler). Fahrzeug 2 bekommt nun selber Grünlicht, fährt in die Kreuzung ein und kollidiert mit dem sich noch im Kreuzungsbereich befindlichen und diesen noch nicht “geräumten” Fahrzeug 1. Die Haftungsentscheidung hängt vom Einzelfall ab, natürlich auch von der jeweiligen Kollisionskonstellation (wer ist wo beschädigt) und auch der Dauer, wie lange der Kreuzungsräumer auf der Kreuzung verblieben ist. Im ersten Ansatz geht die Haftung oft zulasten des Fahrzeugs 2 (2/3), aber es ist je nach Situation vom 100 zu 0 bis 0 zu 100 alles drin. Erst einmal gilt der Vorrang des noch räumenden Verkehrs…

Dann mal hier ein erster Überblick über die Gemengelage und den bunten Strauß an Einzelfall-Entscheidungen:

BGH, Urteil vom 11.05.1971, VI ZR 11/70

Rücksichtnahme auf Nachzügler bei Einfahrt in Kreuzung; Sorgfaltspflichten des Nachzüglers

Die Regel, dass ein Kraftfahrer, der bei Grünlicht in eine Kreuzung einfahren will, zunächst dem in der Kreuzung “hängengebliebenen” Querverkehr die Möglichkeit geben muss, die Kreuzung zu verlassen, gilt auch dann, wenn die Fahrbahnen einer der sich kreuzenden Straßen durch einen im Kreuzungsbereich unterbrochenen Grünstreifen (hier von 3 m Breite) getrennt sind und der kreuzende Verkehr (insbesondere Linksabbieger) den Bereich der Unterbrechung des Mittelstreifens freizumachen hat. Andererseits darf der in der Kreuzung aufgehaltene Nachzügler sein Recht zur Weiterfahrt nicht erzwingen. Er muss sich vorsichtig verhalten und darf nicht blindlings darauf vertrauen, dass er vorgelassen werde.

Der erkennende Senat hat demgemäß schon in seinem Urteil v. 14. 4. 1961 (… NJW 61, 1576 L) entschieden, daß ein Kraftfahrer, der bei Einsetzen des grünen Lichtes in eine Kreuzung einfahren will, Verkehrsteilnehmern, die noch in der Kreuzung sind, zunächst die Möglichkeit geben muß, die Kreuzung zu räumen (vgl. auch das Urteil des BGH v. 20. 12. 1967 – 4 StR 382/67 – VRS 34, 358). Dieser Grundsatz ist allgemein anerkannt (vgl. Jagusch, Straßenverkehrsrecht, 18. Aufl., § 2 StVO a.F. Anm. 4 und 19. Aufl., § 37 StVO n.F. Anm. 2 a und die dort angeführte Rechtsprechung). 

Haftungsentscheidung 2/3 zugunsten des hängengebliebenen “Nachzüglers”

Quelle: NJW 1971, 1407

KG Berlin, Beschluss vom 08.09.2008 – 12 U 194/08

Je länger ein Kreuzungsräumer auf der Kreuzung verharrt, wird dieser beachten müssen, dass der übrige Verkehr daraus schließen kann, er werde nicht weiterfahren Ein solcher Kreuzungsräumer darf nicht an- oder weiterfahren, ohne sich vergewissert zu haben, dass ein Zusammenstoß mit einfahrenden Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (vgl. BGHZ 56, 146 = NJW 1971, 1407, 1409). Fährt der Kreuzungsräumer in dieser Situation unbedacht an, kann dies zu einer Abweichung von der Regelhaftung des Kreuzungsräumer von 1/3 führen (vgl. Senat, Urteil vom 6. Oktober 1977 – 12 U 767/77 – DAR 1978, 48, Urteil vom 26. Oktober 1992 – 12 U 5056/91 – VM 1993, 35 Nr.50); das gilt vor allem dann, wenn der Teilnehmer des Querverkehrs sich sicher sein konnte, dass der hängen gebliebene Kreuzungsräumer ihm die Vorfahrt lassen werde.

Haftungsentscheidung hier aber voll zulasten des hängengebliebenen Nachzüglers (haftet zu 100 %)

KG Berlin, Urteil v. 13.11.2003, 12 U 43/02 

1. Die Freigabe der Kreuzungseinfahrt durch grünes Ampellicht entbindet den Fahrer nicht von der Pflicht, die Einfahrt in die Kreuzung zurückzustellen, wenn dies die Verkehrslage erfordert, insbesondere wenn in früherer Ampelphase eingefahrene Nachzügler sich noch im Kreuzungsbereich befinden, denen zunächst im Interesse des fließenden Verkehrs die Räumung der Kreuzung zu ermöglichen ist; dies gilt auch für den nach links abbiegenden Querverkehr, der in früherer Ampelphase eingefahren war (KG, VM 1983, 84).

2. Hat der in die Kreuzung Einfahrende das Anfahren des Kreuzungsräumers tatsächlich erkannt und fährt er dennoch unter Berufung auf das grüne Ampellicht selbst an, so trifft ihn im Falle der Kollision – abweichend von der Regelquote von 2/3 zu seinen Lasten – die volle Haftung.

Ergebnis hier nun: Der hängengebliebene Nachzügler bekommt 100 % zugesprochen.

Quelle: NZV 2004, 574

OLG Hamm, Urteil vom 26.08.2016, 7 U 22/16

Nachzügler, Nachzüglervorrang, fliegender Start, Querverkehr,

Je weiter der Farbwechsel der Lichtzeichenanlage auf “grün” zurückliegt, umso mehr darf der bei “grün” Durchfahrende auf eine freie Kreuzung ohne Nachzügler aus dem Querverkehr der vorhergehenden Ampelphase vertrauen.

Aufgrund dieser langen Verweildauer war die Beklagte zu 2) zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet. Hiergegen hat die Beklagte zu 2) in erheblichem Ausmaß verstoßen, indem sie plötzlich zügig losfuhr, ohne auf das herannahende Klägerfahrzeug zu achten … nach Angaben der Zeugin übrigens “sehr zügig” angefahren.  

Haftungsentscheidung hier 2/3 zulasten des hängengebliebenen Nachzüglers

Quelle → DIREKTKINK zum VOLLTEXT hier

OLG Saarbrücken, Urteil vom 20.09.2024, 3 U 28/24

Kann der bei Grün in eine Kreuzung Einfahrende wegen der Sichtbehinderung durch einen abbiegenden Lkw nicht sicher abschätzen, ob sich im Kreuzungsbereich bevorrechtigte Nachzügler befinden, muss er besondere Vorsicht walten lassen (und haftet dann hier zu 1/3 mit).

 


28. Die “halbe Vorfahrt”

Was ist das denn eigentlich?

Antwort: An einer Kreuzung mit Rechts-vor-Links-Regelung genießt der ankommende Verkehrsteilnehmer einerseits (nach rechts) die Vorfahrt, andererseits (nach links) ist er wartepflichtig

LG Saarbrücken, Urteil vom 10.11.2023, 13 S 30/23

a) In einem Fall der sog. „halben Vorfahrt“, in dem ein Verkehrsteilnehmer mangels besonderer Beschilderung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 StVO gegenüber den von rechts kommenden Verkehrsteilnehmern wartepflichtig, gegenüber den von links kommenden Verkehrsteilnehmern jedoch vorfahrtsberechtigt ist, darf er grundsätzlich darauf vertrauen, dass der ihm gegenüber Wartepflichtige, von links kommende Verkehrsteilnehmer sein Vorfahrtsrecht beachtet.

b) Allerdings können den Vorfahrtsberechtigten in Fällen der „halben Vorfahrt“ aus anderem Grunde auch Schutzpflichten zugunsten des Wartepflichtigen treffen; diese Verkehrssituation dient nicht nur dem Schutz eines von rechts kommenden Vorfahrtberechtigten, sondern dem Schutz aller Verkehrsteilnehmer, also auch dem eigentlich von links kommenden.

c) Hieraus folgt jedoch nicht, dass der Vorfahrtsberechtigte bei „halber Vorfahrt“ regelmäßig mithaftet; diesem muss vielmehr ein unfallursächlicher Pflichtverstoß zur Last gelegt werden können. Keine zur Mithaftung führende Sorgfaltspflichtverletzung stellt es im Hinblick auf den Vertrauensgrundsatz dar, wenn der Vorfahrtsberechtigte nur durch eine ständige Blickrichtung nach links den Unfall noch durch ein eigenes Bremsen oder Ausweichen hätte vermeiden können, in der Annäherung an die Kreuzung den von links kommenden Verkehr jedoch nicht beobachtet hat, und es dann zur Kollision gekommen ist.

OLG Hamm, Beschluss vom 01.10.2015, I-9 U 73/15

Aus den Gründen:

Ist die Vorfahrt an einer Kreuzung nicht besonders geregelt, so stellt sich für jeden Verkehrsteilnehmer, der sich dieser Kreuzung nähert, die Verkehrslage so dar, dass er zwar gegenüber dem von links kommenden vorfahrtsberechtigt, gegenüber Verkehrsteilnehmern von rechts aber wartepflichtig ist. Um deren Vorfahrt beachten zu können, muss er, wie § 8 Abs. 2 S. 1 StVO vorschreibt, mit mäßiger Geschwindigkeit an die Kreuzung heranfahren und sich darauf einstellen, dass er notfalls rechtzeitig anhalten kann. Diese mit „halber Vorfahrt“ bezeichnete Situation dient grundsätzlich auch dem Schutz des von links kommenden Wartepflichtigen (OLG Hamm, U. v. 06.05.2002 – 13 U 221/01 -, juris).

Das Gutachten des Sachverständigen Prof. S. hat ergeben, dass die Annäherungsgeschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs nach den nicht zu widerlegenden Angaben dessen Fahrers so gewählt war, dass dieser auf aus seiner Sicht von rechts kommende Fahrzeuge rechtzeitig reagieren konnte und diesen das Vorfahrtsrecht hätte gewähren können.

OLG Hamm, Beschluss vom 24.07.2018, 7 U 35/18

Von einem Vorfahrtsverzicht ist nur auszugehen, wenn der Berechtigte den Verzichtswillen in unmissverständlicher Weise zum Ausdruck bringt.

Allein aus dem Umstand, dass der Berechtigte an der Kreuzung abgestoppt hat, lässt sich kein Vorfahrtsverzicht ableiten, zumindest wenn dies auf dem Umstand beruht, dass der Berechtigte seinerseits anderen Verkehrsteilnehmern Vorfahrt gewähren müsste.

Eine Mithaftung unter dem Gesichtspunkt “halbe Vorfahrt” kommt nur in Betracht, wenn der Zusammenstoß durch eine zu hohe Geschwindigkeit des Vorfahrtsberechtigten mit verursacht worden ist.

Anmerkung: Am 23.11.2018 erging ein Endbeschluss mit der Zurückweisung der Berufung.

Und schon 2016 hatten wir hierzu unseren ersten Beitrag mit weiterer Rechtsprechung ins Netz gebracht:

Halbe Vorfahrt – was ist das denn nun wieder?


29. Das Reißverschlussverfahren 

OLG Hamm, Urteil vom 19.9.2023, 7 U 99/22

Spurwechsel wegen Einengung auf einer Autobahnspur

Muss ein Fahrzeugführer auf einer zweispurigen Autobahn auf Grund einer Einengungstafel von der linken auf die rechte Spur wechseln, muss er nach § 7 Abs. 5 StVO trotz nach § 7 Abs. 4 StVO geltenden Reißverschlussverfahrens eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer in der rechten Spur ausschließen (in Fortschreibung zu BGH Urt. v. 8.3.2022 – VI ZR 1308/20, r+s 2022, 343 Rn. 14).

Der nachfolgende Fahrzeugführer auf der rechten Spur muss sich zugleich im Einzelfall – wie hier – bei hinreichender Erkennbarkeit des anstehenden Spurwechsels Verstöße gegen § 7 Abs. 4 StVO, § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO und gegen § 1 Abs. 2 StVO entgegenhalten lassen (im Anschluss an OLG Saarbrücken Urt. v. 1.8.2019 – 4 U 18/19, NJW-RR 2019, 1436 = juris Rn. 42; OLG München Urt. v. 21.4.2017 – 10 U 4565/16, r+s 2017, 657 = juris Rn.19; OLG Düsseldorf Urt. v. 22.7.2014 – I-1 U 152/13, BeckRS 2014, 21934 = juris Rn.38; KG Beschluss vom 19.10.2009 – 12 U 227/08, NJW-RR 2010, 1113 = juris Rn.10), die – wie hier – eine Haftungsteilung rechtfertigen können.

OLG München, Urteil vom 21.04.2017 – 10 U 4565/16

Anscheinsbeweis beim Reißverschlussverfahren gilt auch anlässlich eines Spurwechsels

und das kann zur Alleinhaftung des Einfädlers führen.

OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.12.2003 – 16 U 173/03

hier Haftung des Einfädlers in Höhe von 70 %

AG Rüdesheim, Beschluss vom 04.09.2014, 3 C 208/14

hier Haftung des Einfädlers in Höhe von 75 %

… spricht, ob der Spurwechsel nur im Rahmen des Reißverschlussverfahrens geschah oder nicht, so oder so gegen den Spurwechsler der Anscheinsbeweis des Verschuldens. Dieser gilt auch zulasten des Spurwechslers bei Reißverschlussverfahren (AG Dortmund v. 23.2.2010, 423 C 12873/09; KG Berlin v. 19.10.09, 12 U 227/08), für den das Gefährdungsverbot des § 7 Abs. 5 StVO ebenso gilt (OLG Frankfurt a.M. v. 8.12.2003, 16 U 173/03; AG Dortmund v. 23.2.2010, 423 C 12873/09), wie auch die systematische Stellung dieser Absätze innerhalb der Norm zeigt. Hier besteht in der Regel eine volle Haftung des Spurwechsels (Grüneberg, Haftungsquoten, Rn 147). Wer bei Reißverschluss die Spur wechselt, darf auf einen Vorrang aus § 7 Abs. 4 StVO nicht vertrauen (OLG Frankfurt a.M. v. 8.12.2003, 16 U 173/03).

30. Unfallgegner Rettungswagen / Einsatzfahrzeug…

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 20.11.2023 – 17 U 121/23

Zusammenstoß mit Rettungsfahrzeug an Ampelanlage

1. Auch wenn ein Fahrzeug des Rettungsdienstes nach § 35 Abs. 5a StVO bei einer Einsatzfahrt von den Vorschriften der StVO befreit ist, kann eine Sorgfaltsverletzung darin liegen, dass dessen Fahrer bei der Wahrnehmung der Sonderrechte sorgfaltswidrig gehandelt hat. Nach § 35 Abs. 8 StVO kommt den Erfordernissen der Verkehrssicherheit stets Vorrang gegenüber dem Interesse des Einsatzfahrzeuges am raschen Vorwärtskommen zu. Je mehr der Sonderrechtsfahrer von Verkehrsregeln abweicht, umso höhere Anforderungen sind an seine Sorgfalt zu stellen (OLG Frankfurt, Urteil vom 14.03.2016 – 1 U 248/13; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 04.06.1998 – 1 U 42/97).

2. Er darf die Kreuzung nur dann bei Rot überqueren, wenn er sich überzeugt hat, dass die anderen Verkehrsteilnehmer ihn wahrgenommen und sich auf seine Absicht eingestellt haben (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 27.11.2012 – 24 U 45/1).

3. Solange bei einer querenden Straße mit mehreren Fahrspuren eine Fahrspur frei ist und nicht durch wartende Fahrzeuge blockiert wird, sodass der Fahrer des Sonderrechtsfahrzeugs glauben kann, der gesamte Querverkehr habe seine Warnzeichen wahrgenommen und stelle sich darauf ein, darf er nicht darauf vertrauen, die Kreuzung gefahrlos überqueren zu können (BGH, Urteil vom 30.10.1968 – 4 StR 341/68).

4. Genügt der Fahrer eines Sonderrechtsfahrzeugs diesen Sorgfaltsanforderungen nicht, weil er nicht auf den Querverkehr achtet, und übersieht bzw. überhört der Fahrer eines querenden Fahrzeugs die Sondersignale des Sonderrechtsfahrzeugs und fährt in die Kreuzung ein, obwohl vor ihm andere Verkehrsteilnehmer trotz Grünlichts stehen bleiben, kommt bei einer Kollision eine Schadensteilung in Betracht.

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31. Überholen und der Seitenabstand

AG Flensburg, Urteil vom 17.06.2021, 65 C 32/21

Haftungsverteilung bei einem Verkehrsunfall im Fall eines Überholens ohne ausreichenden Seitenabstand (hier Pkw überholt VW T5)

Bei einem Verstoß gegen Grundregeln gemäß § 1 Abs. 2 StVO und Überholen ohne ausreichenden Seitenabstand kann der Überholenden wegen der erhöhten Betriebsgefahr zu 2/3 haften.

Die Frage nach dem ausreichenden Seitenabstand richtet sich nach der Lage des Einzelfalls, insbesondere nach der Art der Fahrzeuge und der Geschwindigkeit des Überholenden, den Fahrbahnverhältnissen, dem Wetter und dem Verhalten des Eingeholten. In der Regel reicht 1 m Seitenabstand beim Überholen aus (KG Berlin, Beschluss vom 21.02.2007 – 12 U 124/06, NZV 2007, 626). Auch hier war ein Mindestseitenabstand von jedenfalls 1 m einzuhalten. Denn aufgrund seiner Größe ging von dem VW T5 des Zeugen J. eher eine gesteigerte Gefahr aus, welcher einer Reduktion des gebotenen Seitenabstands entgegensteht.

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KG Berlin, Beschluss vom 21.02.2007 – 12 U 124/06

Hier: Überholen eines Reinigungs-LKW (langsam fahrend im Reinigungsmodus mit auch Warnlicht)

Gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 StVO muss beim Überholen grundsätzlich ein ausreichender Sicherheitsabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern eingehalten werden. In der Regel ist dabei von einem Seitenabstand von 1m auszugehen (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 5 StVO, Rn 54). Ob im Einzelfall auch ein geringerer Seitenabstand von bis zu 50 cm ausreichend sein kann, ist fraglich, kann hier jedoch dahinstehen. 

OLG Celle, Urteil vom 06.11.2018, 14 U 61/18

Haftungsverteilung bei Kollision eines Radfahrers mit der sich öffnenden Tür eines am Fahrbahnrand haltenden Pkw

Ein die Alleinhaftung des PKW-Fahrers ausschließendes Mitverschulden des Radfahrers kann in einem zu geringen seitlichen Abstand des Fahrradfahrers zum geparkten PKW liegen, der – je nach den örtlichen Verhältnissen – mindestens 50 cm betragen sollte.

 


32. “Lückenspringer” und “Kolonnenüberholer”

LG Ellwangen, Urteil vom 20.03.2024, 1 S 70/23

Zur hier Alleinhaftung eines Kolonnenspringers Überholen bei unklarer Verkehrslage

Der Unfall war für den Kläger nicht unvermeidbar i.S.v. § 17 Abs. 3 StVG, da das Überholen einer Kolonne zwar nicht unzulässig ist, ein Idealfahrer dies jedoch angesichts der mit derartigem Kolonnenspringen verbundenen abstrakten Selbst- und Fremdgefährdung unterlassen hätte (OLG München, Urteil vom 24.02.2017 – 10 U 4448/16, r+s 2017, 211, [212] Rn. 9). Dies gilt erst recht auf nur knapp 5 Meter breiten und kurvigen Kreisstraße ohne Mittellinie und ohne Bankett mit einem inklusive Außenspiegel über 2,1 Meter breiten Fahrzeug.

Lesenswert ist insoweit auch das vorbenannte Urteil des OLG München, Urteil vom 24.02.2017 – 10 U 4448/16 zu dem kein Leitsatz veröffentlicht ist. Dort haftete der Kolonnenüberholer mit der einfachen Betriebsgefahr von 20 %. Der Volltext ist nachzulesen unter → VOLLTEXT unter IWW

 


33. Türöffner-Fälle und Vorbeifahrer / Einparker

“Prüfungsschema” nach

BGH, Urteil vom 06.10.2009, VI ZR 316/08

Anhand der Urteilsgründe:

Beweis des ersten Anscheins

Wird beim Ein- oder Aussteigen ein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt, so spricht im Übrigen schon der Beweis des ersten Anscheins für fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- oder Aussteigenden.

Dann Einzelfallbetrachtung (und Erschütterung des Anscheinsbeweises)

Ob etwas anderes gilt, wenn feststeht, dass sich der Ein- oder Aussteigende vor und während des Ein- oder Aussteigens vergewissert hat, dass sich kein rückwärtiger Verkehr nähert, und dass der Unfall ausschließlich auf einen zu geringen Seitenabstand des Vorbeifahrenden zurückzuführen ist (dahingehend OLG Bremen, aaO; vgl. auch OLG Nürnberg, VersR 2001, 1042; abweichend OLG Düsseldorf, aaO), kann hier dahinstehen. Dass es für die Frage, ob die Sorgfaltspflicht des § 14 Abs. 1 StVO erfüllt ist, auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, hat der erkennende Senat bereits früher entschieden (Senatsurteil vom 16. September 1986 – VI ZR 151/85 – VersR 1986, 1231, 1232).

Und jetzt zur Entscheidung in obiger Sache (Leitsatz):

Die Sorgfaltsanforderung des § 14 Abs. 1 StVO erfasst auch Situationen, in denen der Insasse eines Kraftfahrzeugs sich im unmittelbaren Zusammen-hang mit einem Ein- oder Aussteigevorgang bei geöffneter Tür in das Kraftfahrzeug beugt, um etwa Gegenstände ein- oder auszuladen oder einem Kind beim Ein- oder Aussteigen zu helfen. 

Kommt es dabei zur Berührung der geöffneten Fahrzeugtür mit einem in zu geringem Abstand vorbeifahrenden LKW, kann eine hälftige Schadensteilung gerechtfertigt sein.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.07.2024 – 3 U 16/24

Bleibt bei einer Kollision mit einer geöffneten Fahrzeugtür offen, ob die Tür während der Vorbeifahrt weiter geöffnet wurde, kommt eine Alleinhaftung des Vorbeifahrenden regelmäßig nicht in Betracht (Abgrenzung zu LG Saarbrücken, Urteil vom 10.11.2023 – 13 S 8/23 -, juris).

LG Saarbrücken, Urteil vom 02.11.2018, 13 S 70/18

Kollision eines in eine Parkbucht einfahrenden Kfz mit weit geöffneter Fahrertür des Fahrzeugs in der Nachbarbucht

Den Aussteigenden trifft auch auf Parkplätzen im Rahmen des allgemeinen Rücksichtnahmegebots nach § 1 Abs. 2 StVO die Pflicht, sich vor dem Türöffnen zu vergewissern, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer durch das Türöffnen geschädigt wird. Kommt es zu einer Kollision eines in eine Parkbucht einfahrenden Fahrzeugs mit der in die Parkbucht hineinragenden Fahrertür des Fahrzeugs in der Nachbarbucht, so ist eine Haftungsverteilung von 75% zu 25% zu Lasten des Aussteigenden sachgerecht.

Und hier dann zur (überwiegenden) Haftung eines “Türöffners”:

Zwar findet § 14 Abs. 1 StVO auf Parkplätzen grundsätzlich keine unmittelbare Anwendung. Denn diese Vorschrift, die ein Höchstmaß an Sorgfalt von dem Aussteigenden verlangt, schützt den fließenden Verkehr (vgl. OLG Frankfurt OLGR 2009, 850 ff.; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 14 Rn. 5; Kammer, Urteil vom 22. Februar 2013 – 13 S 202/12, NZV 2013, 594; in der Sache auch OLG Karlsruhe VersR 2012, 875). Allerdings trifft den Aussteigenden auch auf Parkplätzen im Rahmen des allgemeinen Rücksichtnahmegebots nach § 1 Abs. 2 StVO die Pflicht, sich vor dem Türöffnen zu vergewissern, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer durch das Türöffnen geschädigt wird. Dabei können auch auf öffentlichen Parkplätzen die strengen Sorgfaltsmaßstäbe, die im fließenden Verkehr gelten, jedenfalls sinngemäß herangezogen werden, sofern sich in einem bestimmten Verkehrsverhalten die besondere Gefährlichkeit gegenüber den übrigen Verkehrsteilnehmern niederschlagen kann. Aus diesem Grund hat auch der Ein- und Aussteigende auf öffentlichen Parkplätzen – anders als auf privaten Parkflächen, auf denen kein besonderer Fahrverkehr zu erwarten ist – besondere Vorsicht und Achtsamkeit walten zu lassen (vgl. Kammerurteil vom 9.3.2018 – 13 S 158/17, SVR 2018, 341; Hentschel/König/Dauer aaO Rn. 9 und die Nachweise bei Freymann, DAR 2018, 242, 246).

Und hier zum Mitverschulden (aus der Betriebsgefahr) eines Einparkers:

Allerdings hat auch der Einparkende nach § 1 Abs. 2 StVO auf den neben seiner Parklücke befindlichen Verkehrsteilnehmer Rücksicht zu nehmen. Dabei sind an die Sorgfalt des Fahrers eines Fahrzeugs, der in eine rechtwinklig zur Durchfahrtrichtung angeordnete Parktasche einparken will, keine geringeren Sorgfaltsanforderungen zu stellen als an den Fahrer oder Mitfahrer eines neben dieser Parklücke abgestellten weiteren Fahrzeugs beim Aussteigen (vgl. OLG Frankfurt, NJW 2009, 3038). Insbesondere wenn der Einfahrende konkreten Anlass dafür hat, mit einem Türöffnen des bereits eingeparkten Fahrzeugs zu rechnen, muss er danach noch vorsichtiger als ohnehin schon geboten in die daneben liegende Parktasche einfahren (vgl. Hinweisbeschluss der Kammer vom 3. November 2014 – 13 S 140/14).

Danach durfte die Zeugin … hier nur mit gesteigerter Vorsicht in die Parklücke einfahren. Da die Erstbeklagte in dem Beklagtenfahrzeug saß, musste die Zeugin nämlich damit rechnen, dass diese die Tür öffnen würde. Soweit sie vorträgt, sie habe nicht erkennen können, ob in dem Beklagtenfahrzeug jemand saß, gilt nichts anderes. Denn die Vorsichtspflicht gilt, solange der Einparkende nicht sicher ausschließen kann, dass sich jemand im Nachbarfahrzeug befindet (Vgl. Kammerurteil NZV 2009, 501; AG Haßfurt, Urteil vom 20. März 2013 – 2 C 578/11 -, juris).

Und dann noch zur Beweislast im Hinblick auf ein Verschulden eines Einparkers:

Zu Recht hat das Erstgericht jedoch nicht feststellen können, dass die Zeugin … gegen diese Pflicht verstoßen hat. Ausgehend von den unangegriffenen Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen lassen sich weder Geschwindigkeit noch das vorkollisionäre Verhalten des Beklagtenfahrzeuges feststellen. Unter diesen Umständen kann aber nicht verlässlich ausgeschlossen werden, dass die Zeugin … angemessen langsam in die Parklücke eingefahren ist und die Tür erst geöffnet wurde, als die Zeugin … eine Kollision nicht mehr durch ein Abbremsen oder ein Warnzeichen hätte verhindern können. Die Beklagtenseite hat folglich den ihr obliegenden Nachweis einer unfallursächlichen Pflichtverletzung der Klägerseite nicht geführt.

Das führt hier zu folgender Haftungsentscheidung:

Die Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile führt zu einer Haftungsverteilung von 75% zu 25% zu Lasten der Beklagten. Dem Verstoß der Erstbeklagten gegen die besonderen Pflichten beim Türöffnen steht die Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs entgegen, die unter den gegebenen Umständen nicht hinter diesen Verstoß zurücktritt. Dass es beim Einfahren in eine Parklücke zu einer Kollision mit einer sich öffnenden Tür kommt, gehört zu den typischen, mit dem Betrieb des einfahrenden Fahrzeugs verbundenen Gefahren auf einem Parkplatz. Ein Zurücktreten dieser Betriebsgefahr kommt nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer zu Parkplatzunfällen nur ausnahmsweise in Betracht, wenn das Verschulden des Unfallgegners durch besondere Umstände erschwert ist (Kammer, Urteile vom 27. Mai 2011 – 13 S 25/11, Schaden-Praxis 2012, 66; vom 19. Oktober 2012 – 13 S 122/12, RuS 2013, 199; vom 7. Juni 2013 – 13 S 31/13, NJW-RR 2013, 1249 und vom 18. Juli 2014 – 13 S 75/14, NZV 2014, 572).

          So auch

LG Saarbrücken, Urteil vom 18.12.2015, 13 S 128/15

Kommt es beim Öffnen einer Fahrzeugtür auf einem Parkplatz zu einer Kollision mit einem einparkenden Fahrzeug und kann nicht festgestellt werden, ob der Fahrzeugführer beim Einfahren in die Parklücke gegen die gesteigerte Vorsichtspflicht verstoßen hat, so führt die Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile zu einer Haftungsverteilung von 80 % zu 20 % zu Lasten des die Fahrzeugtür öffnenden Fahrzeugführers.

Aus den Urteilsgründen folgender rechtlicher Hinweis:

Dass es beim Einfahren in eine Parklücke zu einer Kollision mit einer sich öffnenden Tür kommt, gehört zu den typischen, mit dem Betrieb des einfahrenden Fahrzeugs verbundenen Gefahren auf einem Parkplatz. Ein Zurücktreten dieser Betriebsgefahr kommt nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer zu Parkplatzunfällen nur ausnahmsweise in Betracht, wenn das Verschulden des Unfallgegners durch besondere Umstände erschwert ist (Kammer, Urteile vom 27. Mai 2011 – 13 S 25/11, Schaden-Praxis 2012, 66; vom 19. Oktober 2012 – 13 S 122/12, RuS 2013, 199; vom 7. Juni 2013 – 13 S 31/13, NJW-RR 2013, 1249 und vom 18. Juli 2014 – 13 S 75/14, NZV 2014, 572). Solche besonderen Umstände sind hier indes nicht nachgewiesen.

 


34. Alles zur “Lückenrechtsprechung”

Es geht um die Pflicht des eine ins Sto­cken ge­ra­te­ne oder haltende Fahrzeug­ko­lon­ne über­holenden Verkehrsteilnehmers, wegen des dann häufig zu gewärtigenden Querverkehrs besonders besonnen und rücksichtsvoll zu fahren und nicht auf die Einhaltung der eigenen Vorfahrt zu vertrauen (sog. Lückenrechtsprechung).

Die Rechtsprechung geht im Grundsatz von einer Mithaftung beider Unfallbeteiligter aus, wobei der Wartepflichtige je nach Konstellation mit 2/3 bis 80 % haftet. Den Vorfahrtberechtigten trifft – so die Auswertung zahlreicher Entscheidung – dagegen oft eine Mithaftung von um die 25 % bis 1/3.

OLG Hamm, Urteil vom 23.04.2013, 9 U 12/13

Wer bei dichtem Verkehr an einer zum Stehen gekommenen Fahrzeugkolonne vorbeifährt, muss bei erkennbaren Verkehrslücken in Höhe von Kreuzungen und Einmündungen trotz seiner Vorfahrt seine Fahrweise so einrichten, dass er auch vor unvorsichtig aus der Lücke herausfahrenden Fahrzeugen rechtzeitig anhalten kann. Das führt hier zu einer Mithaftung des Vorfahrtberechtigten von 1/3.

LG Saarbrücken, Urteil vom 26.02.2016 – 13 S 193/15

Lässt ein Fahrzeugführer (hier: Lkw-Fahrer) im stockenden oder sich stauenden Verkehr vor einer Tankstellenausfahrt eine so große Lücke, dass Fahrzeuge hierdurch von einer angrenzenden Tankstelle auf die Straße einfahren können, muss er nicht nur den ausfahrenden Verkehr vom Tankstellengelände beobachten, sondern sich auch vor dem weiteren Anfahren durch geeignete Maßnahmen vergewissern, dass sich keine einfahrenden Fahrzeuge unmittelbar vor seinem Fahrzeug befinden. Das führt hier zu einer Mithaftung des Vorfahrtberechtigten von 30 %.

OLG Köln, Beschluss vom 19.08.2014, 19 U 30/14

Entgegen der Auffassung des KG (vgl. NZV 2007, 524; NZV 2003, 182) ist die „Lückenrechtsprechung“ beim Abbiegen in eine Grundstückseinfahrt jedenfalls nicht per se ausgeschlossen. Es ist zwar richtig, dass insbesondere im Großstadtverkehr nicht auf jede beliebige Grundstückseinfahrt geachtet werden und dem grundsätzlich Vorfahrtberechtigten deshalb auch nicht zugemutet werden kann, stets besonders aufmerksam auf etwaige Lücken zu achten. Dies ist aber anders zu beurteilen, wenn besonders signifikante Grundstückseinfahrten vorhanden sind, wie dies eben auf Tankstellen zutrifft. Gerade an solchen Stellen ist nach der Verkehrspraxis bei Rückstau mit einer Lückenbildung und infolgedessen auch einem Durchfahren solcher Lücken durch den abbiegenden Gegenverkehr zu rechnen. Deshalb kann jedenfalls bei Tankstellen die „Lückenrechtsprechung“ sehr wohl Anwendung finden (vgl. OLG Hamm, NZV 1992, 238; OLG Frankfurt, BeckRS 2005, 30365702; BayObLG, DAR 1971, 221; OLG Karlsruhe, NZV 1989, 473;  a. A. im Anwendungsbereich des § 10 StVO auch: LG Saarbrücken, NZV 2013, 494; einen Überblick gibt Hagspiel, NZV 2013, 115).

Aber beachte die Konstellationen, in denen die Lückenrechtsprechung nicht zur Anwendung kommt:

KG Berlin, Urteil vom 12.02.1998 – 12 U 5603/96

Die sogenannte Lückenfall-Rechtsprechung gilt nicht für Grundstücksausfahrten. Der im Geradeausverkehr befindliche, links überholende Verkehrsteilnehmer muss nicht mit Querverkehr aus einer Grundstücksausfahrt rechnen, wenn er an einer wartenden Fahrzeugschlange vorbeifährt, die vor der Grundstücksausfahrt eine Lücke für den Ausfahrenden freigelassen hat. Daran ändert sich auch nichts, wenn es sich um eine Tankstellenausfahrt handelt.

Hinweis: siehe hierzu aber differenzierend zuvor OLG Köln, Beschluss vom 19.08.2014, 19 U 30/14

KG Berlin, Beschluss vom 15.12.2005 – 12 U 165/05

Die “Lückenrechtsprechung” gilt nicht zu Gunsten von vom Fahrbahnrand anfahrenden Fahrzeugen.

BGH, Urteil vom 4. Juni 2024 – VI ZR 374/23

Ein stehender Lkw ist nicht mit stockender Kolonne vergleichbar, daher…

Diese Pflicht, beim Überholen einer Kolonne im Falle einer sich auftuenden Lücke wegen des dann häufig zu gewärtigenden Querverkehrs besonders besonnen und rücksichtsvoll zu fahren und nicht auf die Einhaltung der eigenen Vorfahrt zu vertrauen (sog. Lückenrechtsprechung), besteht nicht im Fall des bloßen Vorbeifahrens an einem in zweiter Reihe vor einer Grundstückseinfahrt stehenden Lkw.

 


35. Auffahrunfall und (behaupteter) Fahrstreifenwechsel des Vordermannes

OLG Celle, Urteil vom 11.12.2024, 14 U 91/23

Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises bei einem Auffahrunfall muss der Auffahrende den zeitlichen und räumlichen Zusammenhang eines von ihm behaupteten Fahrstreifenwechsel des Vordermanns beweisen.

Quelle → zum VOLLTEXT geht es HIER LANG

 


36. Das Einfahren und Anfahren in den fließenden Verkehr

OLG Saarbrücken, Urteil vom 13.08.2020, 4 U 6/20

hier: Ausparken in den fließenden Verkehr

Will der rückwärts in die Fahrbahn einfahrende Ausparker der Alleinhaftung wenigstens teilweise entgehen, muss er den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis erschüttern, indem er darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass er entweder bereits solange auf der Fahrbahn stand, dass sich der fließende Verkehr rechtzeitig auf ihn einzustellen hatte, oder dass er sich so weit von der Stelle des Einfahrens entfernt und sich so dem Verkehrsfluss angepasst hatte, dass das Einfahren unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr für den weiteren Geschehensablauf ursächlich sein kann.

so auch:

     OLG München, Urteil vom 18.05.2018, 10 U 3516/17

     OLG Köln, Urteil vom 13.07.2011, 5 U 26/11

     LG Dortmund, Urteil vom 9.4.2025 – 24 O 5/23

OLG Celle, Beschluss vom 27.06.2005, 14 U 72/05

§ 10 StVO knüpft nicht an die ununterbrochene Bewegung des einfahrenden Kraftfahrzeugs, sondern an das Eindringen aus einem Grundstück auf eine dem durchgehenden Verkehr dienende Fahrbahn an. Deshalb ist es unerheblich, ob ein Fahrzeug während des Einfahrens auch kurzfristig anhält, um den bevorrechtigten Verkehr zu beobachten oder passieren zu lassen. Das Einfahren ist erst beendet, wenn sich das Fahrzeug endgültig in den fließenden Verkehr eingeordnet hat oder wieder auf der Straße verkehrsgerecht abgestellt worden ist.

so auch:

OLG Brandenburg, BeckRS 2021, 42270

OLG Dresden, Beschluss vom 05.02.2020, 4 U 2191/19

Wer sich in den fließenden Verkehr einfädelt, hat die größtmögliche Sorgfalt zu beachten; kommt es gleichwohl zu einem Unfall, streitet der Anscheinsbeweis gegen ihn.

Dies gilt nicht, wenn der Einfahrvorgang im Unfallzeitpunkt bereits beendet war; hierbei gehört ein örtlicher Zusammenhang bis zu 12 Metern noch zum Einfahrvorgang.



Es danken Eure Rechtsanwälte / Fachanwälte für Verkehrsrecht aus Rostock – “alles” rund um Unfall, Autokauf, Bußgeldbescheid und Fahrerlaubnis ! 

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