… auf der (rechtlich) richtigen Seite …
VGH München, Beschluss vom 15.9.2023 – 11 ZB 22.2525
Anspruch auf Genehmigung einer Ausnahme zum Führen eines verkleinerten zweizeiligen Kennzeichens
Ein ausnahmsweiser Anspruch auf das Führen eines verkleinerten zweizeiligen Kennzeichens an einem (US-amerikanischen) Fahrzeug – ohne Oldtimer-Eigenschaft – mit einer kleinen Anbringungsstelle kommt nicht in Betracht, wenn ein reguläres Kennzeichen mit einfachen Mitteln, etwa Distanzstücken oder Kennzeichenhaltern, angebracht werden kann.
AG Landstuhl vom 10.07.2023 – 1 OWi 4396 Js 6726_23 jug
Kein automatisches Erlöschen der ABE eines KFZ bei Verwendung nicht zugelassener Felgen
Aus den Beschlussgründen:
Soweit die Verwaltungsbehörde ausgeführt hat, die Betriebserlaubnis könne „nicht teilweise erlöschen“, ist ihr hierin zwar grundsätzlich zuzustimmen. Die Ausführungen lassen jedoch besorgen, dass der Beschluss des Gerichts vom 10.03.2023 von der Verwaltungsbehörde fehlverstanden worden ist. Denn in dem Beschluss wird an keiner Stelle die Behauptung aufgestellt, dass eine Betriebserlaubnis teilweise erlöschen könne. Vielmehr hat das Gericht lediglich darauf hingewiesen, dass das Fehlen einer allgemeinen Betriebserlaubnis für Teile (§ 22 StVZO), wie vorliegend die Felgen, für die auch eine Einzelbetriebserlaubnis nach §§ 21, 22 Abs. 2 S. 4 StVZO oder ein Nachtrag zur Betriebserlaubnis des Fahrzeugs (§ 22 Abs. 3, § 19 Abs. 3 Nr. 1 lit. b StVZO) nicht vorliegen, nicht im Sinne eines Automatismus dazu führt, dass gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StVZO auch die Betriebserlaubnis für das Fahrzeug erlischt. Vielmehr setzt dies voraus, dass die nachträgliche Veränderung mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer verursacht (so ausdrücklich BGH, BeckRS 2019, 35942 (Rn. 30 m.w.N.)).
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Ausreichend für eine Gefährdung im Sinne des § 19 Abs. 2 StVZO ist nicht bereits das Vorliegen einer abstrakten Gefährdung. Zum Erlöschen der allgemeinen Betriebserlaubnis reicht es daher nicht aus, wenn Änderungen vorgenommen wurden, aus denen eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern lediglich resultieren kann. Erforderlich ist vielmehr, dass durch die vorgenommenen Änderungen eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer mit einem gewissen Maß an Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dies setzt allerdings umgekehrt auch nicht die Feststellung einer konkreten Gefährdung voraus, sondern lediglich ein gewisses Maß an Wahrscheinlichkeit (BGH, NJW 2020, 1287 (1288); OLG Düsseldorf, NZV 1995, 329 f.; OLG Koblenz, NStZ 2020, 430; VGH Mannheim, NJOZ 2012, 904 (905, Rn. 30 ff.); Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, StVR, 47. Aufl. 2023, § 19 StVZO Rn. 8; jurisPK-StVR/Neu, 2. Aufl. 2022 (Werksstand), Aktualisierung 2/2023, § 19 StVZO Rn. 37).
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Indem die Verwaltungsbehörde darauf abhebt, der Betroffene habe den ordnungsgemäßen Anbau zu keiner Zeit nachgewiesen, verkennt sie zudem die Beweislastverteilung im Bußgeldverfahren. Hier gilt (in gleicher Weise wie im Strafverfahren) nicht der Beibringungs-, sondern der Untersuchungsgrundsatz. Für eine Verurteilung ist es daher erforderlich, dass die Erwartbarkeit einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nachgewiesen ist; es ist hingegen nicht die Aufgabe des Betroffenen, das Nichtvorliegen einer erwartbaren Gefährdung zu beweisen. Die hierzu erforderliche Tatsachengrundlage zu ermitteln, ist (schon vor Erlass eines Bußgeldbescheids, da dieser anderenfalls gar nicht erst erlassen werden darf) Aufgabe der Verwaltungsbehörde. Sie ist, wie § 69 Abs. 5 OWiG zeigt, auch nach Abgabe des Verfahrens über die Staatsanwaltschaft an das Gericht nicht von der Durchführung erforderlicher (Nach-) Ermittlungen befreit. Das Gericht ist zwar berechtigt, erforderlich werdende weitere Ermittlungen im Einzelfall auch selbst durchzuführen; eine Verpflichtung hierzu besteht jedoch nicht. Die grundlegende Aufklärung des Sachverhalts ist Aufgabe der Verwaltungsbehörde, die sie nicht auf das Gericht abwälzen kann.
AG FFM, Urt. v. 24.06.2022, 971 OWi 241 Js-OWi 26773/22
Zu laut für die Innenstadt – Bußgeld für Lärm trotz zugelassener Abgasanlage
Die Verursachung übermäßigen Lärms kann auch dann eine Ordnungswidrigkeit im Sinne von § 30 Abs. StVO darstellen, wenn dieser durch eine technisch einwandfreie und zugelassene Abgasanlage (manuell steuerbaren Klappen der in dem Kraftrad verbauten Abgasklappensteuerungsanlage) emittiert wird.
Unerheblich für die rechtliche Beurteilung sei es dabei nach Auffassung des erkennenden Gerichts, ob die Klappenabgasanlage – so wie im konkreten Fall – an sich technisch einwandfrei sei bzw. über eine gültige verkehrsrechtliche Zulassung verfüge. Sinn von § 30 StVO sei allein die Ahndung eines rücksichtslosen Verhaltens des Betroffenen, sofern diese zu zusätzlichen, technisch nicht notwendigen Lärmemissionen führe. Ein solche Emission sei im konkreten Fall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände anzunehmen, nachdem der Verstoß in einem innerstädtischen Wohngebiet zur anbrechenden Abendzeit an einem Karfreitag begangen wurde und dieser nicht nur von einer unerheblichen Dauer war.
Hinweis (Stand 31.08.2022): Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
Quelle → Pressemitteilung AG FFM vom 31.08.2022
OLG Zweibrücken vom 24.05.2022, 1 OWi SsBs 101/21
Kein automatisches Erlöschen der Betriebserlaubnis bei «Showbeleuchtung» eines Sattelzugs
Das Anbringen von 110 zusätzlichen LED-Leuchten mit gesondertem Stromkreis an einem Lastkraftwagen führt nicht zwingend dazu, dass die Betriebserlaubnis gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 2 StVZO erlischt.
Das Amtsgericht hatte ein Bußgeld wegen der “Showbeleuchtung” von 360 EUR verhängt.
Nun hat das OLG das Urteil aufgehoben und das AG muss nun feststellen, ob eine Gefährdung vorgelegen hat.
Sollte das nicht der Fall sein, dürfte das Bußgeld “kippen”, allerdings gibt es auch ein Bußgeld “ohne Gefährdung”, aber da reden wir über eine Regelgeldbuße von 20 EUR (nach Nr. 221.2 Bußgeldkatalog-Verordnung).
Quelle: Beck-Verlag / Redaktion beck-aktuell, 20. Juni 2022
OLG Koblenz, Beschluss vom 07.12.2021 – 12 U 1012/21
Verkehrssicherungspflicht bei tiefergelegtem Fahrzeug
1. Wird im Straßenverkehr eine Gefährdung durch solche risikoerhöhenden Umstände wesentlich (mit-)begründet, die sich aus einer besonderen Bauart des gefährdeten Fahrzeugs ergeben, wie etwa eine – auch serienbedingte – Tieferlegung und/oder sonstige konstruktive Besonderheit, die zu einer Verringerung der üblicherweise zu erwartenden Bodenfreiheit führen und so ein Aufsetzen begünstigen, muss der Fahrzeugführer dieses seinem Gefahrenkreis zuzurechnende Risikomoment durch erhöhte eigene Aufmerksamkeit und Vorsicht kompensieren (hier: Ferrari F 40 mit serienmäßiger Bodenfreiheit von 12,5 cm).
2. Der Fahrer eines solchen Fahrzeugs muss nicht nur Bodenunebenheiten eine besondere Aufmerksamkeit zuwenden, sondern auch bei starker Fahrbahnwölbung mit einem seitlich abfallenden Fahrbahnrand darauf achten, ob die Straße für sein „nicht alltagstaugliches“ Fahrzeug gefahrlos nutzbar ist.
3. Die für die Verkehrssicherungspflicht zuständige Straßenbehörde muss nicht sicherstellen, dass eine Straße von jedem zum Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeug befahren werden kann; eine Zulassung für den Straßenverkehr besagt nichts darüber, in welchen Verkehrssituationen ein Fahrzeug mit einer geringen Bodenfreiheit verkehrstauglich ist oder nicht.
Quelle: Beck-Verlag / beck-online / BeckRS 2021, 40968
OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.08.2021, 1 U 173/20
Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes eines mit Bodykit umgerüsteten Serienfahrzeugs
Bei der Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes eines mit einem sog. Bodykit umgerüsteten, unfallbeschädigten Serienfahrzeuges (hier: Mercedes GLE 350 D Coupe) ist grundsätzlich der Neuwert einer Bodykitausrüstung (hier: 44.050 €) auch dann nicht heranzuziehen, wenn ein Gebrauchtwagenmarkt nicht existiert und eine zeitwertgerechte Ersatzbeschaffung des Bodykits nicht möglich ist. Der Anspruch des Geschädigten auf Ausgleich seines Fahrzeugschadens ist dann vielmehr regelmäßig auf den Ersatz des Wiederbeschaffungswertes für das Serienfahrzeug und gegebenenfalls einer durch die Umrüstung herbeigeführten Werterhöhung abzüglich des Restwertes beschränkt.
Quelle → VOLLTEXT / Urteil vom 31.08.2021 / 1 U 173/20
OLG Rostock, Urteil vom 02.11.2004, 6 U 90/04
Gefahrerhöhung, Diebstahlsversicherung und Leistungsfreiheit des Versicherers – Breitreifen und Tieferlegung ohne ABE
Es mag dahinstehen, ob die Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeugs der Beklagten (*gemeint ist hier der eigene KASKO-Versicherer*) bei Abschluss des Versicherungsvertrages bekannt war oder nicht. Dieser Einzelumstand ändert nichts daran, dass die insgesamt sportive Ausstattung des Fahrzeugs (Breitreifen, tiefer gelegt durch Sportfahrwerk), für die eine gültige Betriebserlaubnis nicht vorlag, jedenfalls mitursächlich bei dem Entwendungsfall gewirkt hat, so dass die Gefahrerhöhung kausal geworden ist.
Es ist naheliegend und entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass – wie vom Landgericht ausgeführt und ebenso auch von der Beklagten dargestellt – die Aufrüstung eines ohnehin hochwertigen Pkw mit Statussymbol-Charakter („Der gute Stern …“) mit nicht zugelassenen Breitreifen und einem Sportfahrwerk für potentielle, insbesondere jugendliche, sportiv orientierte Täter einen erhöhten Verlockungsanreiz darstellt, sich eines solchen Fahrzeuges widerrechtlich zu bemächtigen.
Und im Ergebnis:
Denn hätte die Beklagten (*gemeint ist die eigene KASKO-Versicherung*) Kenntnis von den gefahrerhöhenden Umständen gehabt, hätte sie – nach eigenem Ermessen – die Versicherung ggf. nicht oder nicht zu den vereinbarten Konditionen geschlossen, bzw. wäre vom Versicherungsvertrag zurückgetreten oder hätte die zu leistende Versicherungsprämie erhöht.
Im Prinzip ist eben das Problem, dass der Versicherer nicht wusste, was er hier im “Gesamtpaket” versichert (hat).
OLG Celle, Urteil vom 03.07.2023, 11 U 109/22
Keine Nichtigkeit des Kasko-Versicherungsvertrags wegen einer die straßenverkehrsrechtliche Zulassungsfähigkeit hindernden Beschaffenheit des Fahrzeugs
Ein Kasko-Versicherungsvertrag ist nicht deshalb gemäß § 134 BGB nichtig, weil das versicherte Kraftfahrzeug objektiv nicht zum Straßenverkehr hätte zugelassen werden dürfen (gegen OLG Naumburg, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 4 U 69/13, juris, Rn. 17)
Im Ergebnis muss der Versicherer hiernach dem Versicherungsnehmer die Leistungen aus der KASKO-Versicherung (hier wegen Diebstahls) zahlen.
Interessant – gerade im Hinblick auf das Urteil des OLG Naumburg, welchem sich das OLG Celle ausdrücklich (und sogar vehement) entgegenstellt, sind insoweit auch folgende Anmerkungen:
Es lassen sich auch kaum andere gerichtlichen Entscheidungen oder Literaturstimmen finden, welche die vom Oberlandesgericht N. (gemeint ist Naumburg) vertretene Rechtsauffassung teilen oder überhaupt auch nur erwähnen. In seinem Urteil vom 22. November 2022 (4 U 40/22, juris Rn. 70) zitiert das Oberlandesgericht R. (gemeint ist Rostock) das N. Urteil im Rahmen einer Beweiswürdigung und zieht in diesem Rahmen die Möglichkeit einer Nichtigkeit allgemein in Betracht, ohne sich dazu abschließend zu äußern. Vossler (in BeckOGK/BGB, Stand 1. Dezember 2022, § 134 Rn. 166) lehnt die Rechtsauffassung ab. Im Aufsatz von Armbrüster/Schillbach (recht + schaden 2016, 109, 117; ebenso bei Ternig in Haus/Krumm/ Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 3. Aufl., § 26 FZV Rn. 3) wird sie in einer Weise referiert, die sich als Zustimmung deuten lässt; eine nähere Auseinandersetzung findet sich dort allerdings nicht.
Demgegenüber hat sich (nicht allein, aber auch) der Bundesgerichtshof schon mehrfach und auch schon vor längerer Zeit mit Fallgestaltungen zu befassen gehabt, in denen der jeweilige Versicherer nach einer grundsätzlich von ihm zu ersetzenden Beschädigung des versicherten Kraftfahrzeugs einwandte, dasselbe sei (aus unterschiedlichen Gründen; in früheren Jahrzehnten nicht selten: Nutzung offensichtlich abgefahrener Reifen) nicht (mehr) verkehrssicher gewesen (ausführlich BGH, Urteil vom 24. Januar 1957 – II ZR 133/55, juris Rn. 9 ff; Urteil vom 25. September 1968 – IV ZR 520/68, juris Rn. 12; vom 18. Dezember 1968 – IV ZR 523/68, juris Rn. 7; vom 26. Mai 1982 – IVa ZR 76/80, juris Rn. 8). Der Bundesgerichtshof hat in den betreffenden Entscheidungen zwar nie ausdrücklich ausgesprochen, dass ein Fall von § 134 BGB nicht vorliege. Er hat aber andererseits – wie offenbar auch zuvor die jeweiligen Instanzgerichte – zu einer möglichen Nichtigkeit des Versicherungsvertrags wegen eines entgegenstehenden gesetzlichen Verbots nicht ein einziges Wort gesagt. Das ist dahin zu verstehen, dass er Dergleichen aus gutem Grund erst gar nicht in Erwägung gezogen hatte. In der Leitentscheidung vom 24. Januar 1957 (a.a.O.) betonte der Bundesgerichtshof sogar ausdrücklich, dass der Weiterbetrieb des verkehrsunsicheren Fahrzeugs trotz erkannter Verkehrsunsicherheit (nach damalige Rechtslage sogar) strafbar war; zog aber dennoch eine Nichtigkeit gemäß § 134 BGB nicht in Betracht.
Und hier dann zur Vervollständigung das Urteil des OLG Naumburg, welchem sich das OLG Celle entgegenstellt:
OLG Naumburg, Urteil vom 23.10.2014, 4 U 69/13
Nichtigkeit eines Versicherungsvertrages wegen erloschener Betriebserlaubnis eines umgebauten Motorrades
Ist im Rahmen einer Versicherung das konkret versicherte Motorrad bereits zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses wegen der gem. § 19 II 2 Nr. 1 StVZO durch den Rückbau zur Moto-Cross-Maschine erloschenen Betriebserlaubnis gem. § 16 I StVZO nicht zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen, verstößt der Kraftfahrtversicherungsvertrag gegen ein gesetzliches Verbot und ist nach § 134 BGB nichtig.
Quelle: LSK 2015, 190222
Im Ergebnis müsste der Versicherer dann, soweit diesem Urteil gefolgt würde, dem Versicherungsnehmer keine Leistungen aus der KASKO-Versicherung (hier wegen Diebstahls) zahlen.
Anmerkung zu diesem Urteil des OLG Naumburg: Das führt aber übrigens nicht dazu, dass andere Verkehrsteilnehmer durch die Nichtigkeit des Versicherungsvertrages ausfallen. Nach “außen” bleibt der Versicherer grundsätzlich zu Leistungen verpflichtet (auch wenn der Versicherer dem eigenen Versicherungsnehmer und seinen mitversicherten Personen gegenüber frei ist), denn der notwendige Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer wird durch die Annahme eines die Nichtigkeit der Vereinbarung bedingenden Gesetzesverstoßes nicht beeinträchtigt, da selbst dann, wenn der Versicherer im Innenverhältnis, aus welchen Gründen auch immer, gegenüber dem Versicherungsnehmer oder den mitversicherten Personen von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, gleichwohl seine Verpflichtung im Außenverhältnis gegenüber Dritten nach Maßgabe des § 117 I bis III VVG bestehen bleibt.
OLG Hamburg, Urteil vom 23.07.1991 – 7 U 137/90 (r + s 1991, 295, beck-online)
Eine Lederausstattung im Werte von 7.500 DM, die als Sonderausstattung nachträglich in das versicherte Kfz eingebaut, dem Versicherer aber nicht gemeldet worden ist, ist in der Kraftfahrt-Fahrzeugversicherung nicht mitversichert.
Im Falle des Diebstahls einer Lederausstattung im Werte von 7.500 DM, die als Sonderausstattung nachträglich in das versicherte Kfz eingebaut, dem Versicherer aber nicht gemeldet worden ist, hat der Versicherer auch nicht den Betrag für eine serienmäßige Textilausstattung zu ersetzen.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.07.2006, 10 U 56/06 (NJW-RR 2007, 243)
Kein Vollkaskoschutz bei Leichtsinnsunfall nach nicht angezeigtem Tuning (denn Tuning als Gefahrerhöhung)
Leistungsfreiheit kommt auch dann in Betracht, wenn die mit dem Tuning verbundenen technischen Veränderungen nicht als solche unmittelbar unfallursächlich sind, aber nach den Gesamtumständen von einem unfallursächlichen Einfluss auf das Fahrverhalten des Fahrzeuglenkers auszugehen ist.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.03.2006 – 1 U 181/05
Wird in einen Pkw-Motor ein leistungssteigernder Chip zur Steuerung der Motorelektronik eingebaut (“Chip-Tuning“), der das Abgasverhalten des Motors verändert, so erlischt die Betriebserlaubnis, wenn der Einbau des Chips nicht unverzüglich durch einen amtlich anerkannten Sachverständigen abgenommen (§ 19 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 c StVZO) und eine Bestätigung nach § 22 Abs. 1 S. 5 StVZO erteilt wird. Das gilt auch dann, wenn für den Chip das Gutachten eines Technischen Dienstes nach § 19 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 a StVZO vorliegt.
Wird der Chip wieder ausgebaut, lebt die erloschene Betriebserlaubnis dadurch nicht automatisch wieder auf.
OLG Köln, Urteil vom 11.11.2015, 16 U 23/15 – LSK 2016, 150278
Ein Sachmangel eines Gebrauchtwagens kann auch dann vorliegen, wenn eine Veränderung an den vom Hersteller in einem Steuerungs-Chip der Motorsteuerung festgelegten Daten (sog. Tuning) nicht der Leistungssteigerung, sondern der Kraftstoffeinsparung dient. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn hierdurch die Herstellergarantie beeinträchtigt ist.
Ist die Herstellergarantie bedingungsgemäß ausgeschlossen, wenn ein Fahrzeugmangel dadurch entstanden ist, dass das Fahrzeug ohne Genehmigung des Herstellers verändert worden ist und hat der Verkäufer die Veränderung der Motorsteuerung dem Hersteller nicht angezeigt, so besteht eine Aufklärungspflicht des Verkäufers, da sich hieraus das Risiko einer erschwerten Inanspruchnahme der Herstellergarantie im Mangelfall ergibt. Das gilt insbesondere dann, wenn sich die Art der Änderung der Motoreinstellung im Nachhinein nicht mehr feststellen lässt.
BGH, Urteil vom 24.07.2014, III ZR 550/13
“Tiefergelegt” trifft Randstein auf Parkplatz
Keine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Parkplatzbetreibers bei der Gestaltung einer Parkbucht
… denn ihn träfe ein so überwiegendes Mitverschulden, dass daneben der Haftungsanteil der Beklagten zu vernachlässigen wäre: Der Kläger wusste, dass er ein tiefergelegtes Fahrzeug mit einer Bodenfreiheit von nur ca. 10 cm hatte. Bei dieser Sachlage musste er (wie das Berufungsgericht im Rahmen seiner Ausführungen zur Erkennbarkeit der Gefahrenquelle zutreffend ausgeführt hat) der Höhe der vorhandenen Randsteine sein ganz besonderes Augenmerk widmen.
Und zum Sachverhalt:
Vorliegend ist die stirnseitige Begrenzung der Parkbuchten durch das Anbringen der 20 cm hohen Randsteine und die Bepflanzung so ausgestaltet, dass ein “Überhangparken” ersichtlich nicht stattfinden kann beziehungsweise nicht stattfinden soll.
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts waren die mit der Höhe der Randsteine verbundenen Gefahren und Risiken für einen durchschnittlich aufmerksamen Kraftfahrer ungeachtet der zum Unfallzeitpunkt noch fehlenden Bepflanzung ohne weiteres erkennbar und beherrschbar. Dies war nach der Würdigung des Berufungsgerichts trotz der ebenfalls noch nicht funktionsfähigen Beleuchtungseinrichtungen auch bei Dunkelheit der Fall, wenn ein Fahrer sein Fahrverhalten – wie geboten – den herrschenden Lichtverhältnissen anpasste.
OLG Koblenz, Beschluss vom 10.10.2019, 3 OWi 6 SsRs 299/19
Scheibentönung – eben nicht immer verkehrsgefährdend und daher kein Bußgeld
Ältere obergerichtliche Entscheidungen, wonach Änderungen an den Scheiben, die für die Sicht des Fahrzeugführers von Bedeutung sind, immer zum Erlöschen der Betriebserlaubnis führen, sind … überholt.
Es trifft zwar zu, dass auf solchen Scheiben angebrachte Folien in einer amtlich genehmigten Bauart ausgeführt sein müssen (§ 22a Abs. 1 Nr. 3 StVZO). Das führt aber nicht dazu, dass, wenn das nicht der Fall ist – was das Amtsgericht nicht einmal festgestellt hat –, geringere Anforderungen an eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 19 Abs. 5, 69a Abs. 2 Nr. 1a StVZO, 24 StVG zu stellen wären und auf die Feststellung einer (etwas konkreter) zu erwartenden Gefährdung von Verkehrsteilnehmern verzichtet werden dürfte.
Das OLG nimmt in den Gründen Bezug auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft in dieser Sache, die wie folgt wiedergegeben sind:
„Der durch das Tatgericht gezogene Schluss, die Anbringung jeglicher getönter Folie an den vorderen Seitenscheiben führe zum Erlöschen der Betriebserlaubnis eines Fahrzeugs ist – zumindest in dieser Eindeutigkeit – nach hier vertretener Auffassung rechtlich unzutreffend. Das Amtsgericht hätte – insbesondere im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der konkreten Beschaffenheit der verwendeten Folie vornehmen müssen. …
Das Erlöschen der Betriebserlaubnis ist geregelt in § 19 Abs. 2 S. 2 StVZO. Für den vorliegenden Fall relevant ist dabei § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StVZO, wonach die Betriebserlaubnis erlischt, wenn an dem Fahrzeug Änderungen vorgenommen werden, durch die eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist. Erforderlich ist dabei ein gewisses Maß an Wahrscheinlichkeit (vgl. Meyer, in: MüKo zum StVR, 1. Aufl., 2016, StVZO, § 19, Rn. 52). In der amtlichen Gesetzesbegründung heißt es hierzu: „Die bloße Möglichkeit der Gefährdung ist zu weitgehend, die Gefährdung muss schon etwas konkreter zu erwarten sein…“ (VKBl 94, 149; abgedruckt in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., 2019, StVZO, § 19, Rn. 1).
Wird durch die Änderung dagegen nur die vorgeschriebene Beschaffenheit des Fahrzeugs berührt, kommt es nicht zu der einschneidenden Folge des Erlöschens der Betriebserlaubnis. In diesem Fall ist der Halter lediglich gemäß § 31 Abs. 2 StVZO zur Wiederherstellung des vorschriftsmäßigen Zustands verpflichtet (vgl. Meyer, in: MüKo zum StVR, 1. Aufl., 2016, StVZO, § 19, Rn. 55).
Als Anhaltspunkt dafür, was unter Änderungen zu verstehen ist, die das Erlöschen der Betriebserlaubnis zur Folge haben, kann der Beispielkatalog des Bundesverkehrsministeriums vom 09.06.1999 (VkBl. 1999, 54; abgedruckt in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., 2019, StVZO, § 19, Rn. 12) zu Änderungen an Fahrzeugen und ihren Auswirkungen auf die Betriebserlaubnis von Fahrzeugen herangezogen werden (vgl. Meyer, in: MüKo zum StVR, 1. Aufl., 2016, StVZO, § 19, Rn. 56). Die Anbringung getönter Folien ist in dem Katalog nicht genannt. Dieser ist zwar nicht abschließend, aber auch wenn nach dem Beispielskatalog ein Erlöschen der Betriebserlaubnis als Regelfolge angegeben ist, verbietet sich eine schematische Anwendung. Es ist vielmehr in jedem Fall eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose erforderlich (vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., 2019, StVZO, § 19, Rn. 12). Dies muss daher erst recht auch im vorliegenden Fall gelten.
Wie bereits oben ausgeführt, hätte das Gericht Feststellungen zu Lichtdurchlässigkeit und Größe der angebrachten Folie treffen können und angesichts der sich ergebenden Verdunkelung des Sichtbereichs des Fahrers eine Abwägung vornehmen müssen, ob sich hieraus – unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Vorgaben – eine (abstrakte) Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ergibt. …
Der pauschale Hinweis des erstinstanzlichen Gerichts, der Gesetzgeber gehe beim Anbringen einer getönten Folie immer von einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer aus, genügt jedenfalls nicht. Dieser Rückschluss lässt sich weder aus dem Gesetz noch aus den vorliegenden Gesetzesmaterialien ziehen. Dass der Gesetzgeber keine Automatismen wollte, ergibt sich vielmehr daraus, dass die frühere Regelung des § 19 Abs. 2 StVZO, wonach jede Veränderung von Teilen, deren Beschaffenheit vorgeschrieben ist, zu einem Erlöschen der Betriebserlaubnis führte, gestrichen worden ist. Der Gesetzgeber hat diese weitreichende Folge als „bedenklich“ angesehen und deshalb auf das Erfordernis der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer abgestellt (VKBl 94, 149; abgedruckt in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., 2019, StVZO, § 19, Rn. 1).
Eine Beschäftigung mit den Umständen des konkreten Einzelfalls wäre vorliegend auch geboten gewesen, um eine Abgrenzung zu den weiteren in Betracht kommenden Ordnungswidrigkeitstatbeständen vornehmen zu können. Einerseits käme vorliegend auch der Bußgeldtatbestand des §§ 30 Abs. 1, 69a Abs. 3 Nr. 1 StVZO, BKatV Anlage Nr. 214.2 in Betracht, der lediglich darauf abstellt, dass ein Kraftfahrzeug in Betrieb genommen wird, das sich in einem Zustand befindet, der die Verkehrssicherheit wesentlich beeinträchtigt.
Ein Erlöschen der Betriebserlaubnis ist hier gerade nicht erforderlich. Als Auffangtatbestand wäre auch ein Verstoß gegen §§ 40 Abs. 1 S. 3, 69a Abs. 3 Nr. 12 StVZO, 24 StVG (Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeugs unter Verstoß gegen die Vorgaben aus § 40 Abs. 1 S. 3 StVZO) in Betracht gekommen, der keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer voraussetzt (vgl. insoweit AG Siegen, Urteil vom 08.02.2012 – 431 OWi 35 Js 2392/11 – 876/11, BeckRS 2012, 14998; hier wurde wegen eines gleichgelagerten Sachverhalts lediglich auf Grundlage des genannten Ordnungswidrigkeitstatbestands ein Bußgeld gegen den Betroffenen verhängt, von einem Erlöschen der Betriebserlaubnis wurde nicht ausgegangen).
Durch das Unterlassen der gebotenen Einzelfallprüfung hat das Gericht die Bedeutung des stets zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verkannt.“
BGH, Urteil vom 11.12.2019, VIII ZR 361/18
Erlöschen der Betriebserlaubnis nach Umbauten, Anbauten usw. – der Behörde mal auf die Finger “gehauen”
Die Betriebserlaubnis für ein Fahrzeug erlischt im Falle nachträglicher Veränderungen (hier: Montage nicht zugelassener Felgen) nur dann, wenn diese mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer verursachen. Dabei haben Behörden und Gerichte für jeden konkreten Einzelfall zu ermitteln, ob die betreffende Veränderung eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern nicht nur für möglich erscheinen, sondern erwarten lässt.
OLG Saarbrücken, Urteil vom 04.03.2020 5 U 64/19
Tuning und der “Verlust” auf den Versicherungsschutz
Der Einbau eines anderen wesentlich stärkeren Fahrzeugmotors und die anschließende Benutzung des versicherten Fahrzeugs durch den Versicherungsnehmer stellt eine beachtliche Gefahrerhöhung in der Fahrzeug-Kaskoversicherung dar, wenn die Leistung des neuen Motors – hier: 298 kW anstelle von 179 kW – und die daraufhin erzielbare Höchstgeschwindigkeit die des früheren Zustandes erheblich übersteigt.
Die Verletzung der Gefahrstandspflicht ist grob fahrlässig, wenn – was gesetzlich vermutet wird – der Versicherungsnehmer durch einfachste Überlegungen hätte erkennen können, dass die von ihm vorgenommene oder gestattete Änderung den Eintritt des Versicherungsfalles generell wahrscheinlicher macht. Diese Vermutung wird hier nicht dadurch widerlegt, dass der Einbau eines erheblich leistungsstärkeren, das Betriebs- und das Unfallrisiko offenkundig erhöhenden Motors nach Darstellung des Versicherungsnehmers durch eine „Fachfirma“ erfolgte, diese ihn weder auf das Erlöschen der Betriebserlaubnis noch auf die Notwendigkeit einer Anzeige der Veränderung hingewiesen hat und im Rahmen einer anschließenden Hauptuntersuchung eine Prüfplakette erteilt wurde.
Ergebnis (hier): Kürzung der Versicherungsleistung um 2/3