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VGH München, Beschluss v. 03.09.2024 – 11 CS 24.1400
§ 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG sieht die Entziehung der Fahrerlaubnis bei Erreichen von acht Punkten zwingend vor und lässt keine Ausnahmen zu.
Die Fahrerlaubnisbehörde hat insoweit kein Ermessen; berufliche Belange oder andere aus der Maßnahme folgende Härten sind daher nicht zu berücksichtigen
(stRspr, vgl. bereits BVerwG, B.v. 28.6.1996 – 11 B 38.96 – juris; BayVGH, B.v. 30.7.2020 – 11 CS 20.1697 – juris Rn. 19; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Auflage 2023, § 4 StVG Rn. 70, 76 und 100; Koehl in Koehl/Krumm/Hiltrop, Punktsystem und Bußgeldkatalog, § 4 StVG Rn. 30, 45).
BayVGH, Beschluss vom 11.06.2024 – 11 CS 24.628
Fahrtenbuch und Firmenfahrzeug
Verstößt der Halter eines Firmenfahrzeugs gegen seine Pflicht, Geschäftsfahrten längerfristig zu dokumentieren und kann ein Fahrzeugführer im Einzelfall nicht festgestellt werden, kann eine Fahrtenbuchauflage auch bei einem erheblichen Verstoß mit nur einem Fahrzeug auf den gesamten Fuhrpark (hier: 10 Fahrzeuge) erstreckt werden.
VG Berlin, Urteil vom 29.02.2024, 14 K 1289/22
Anordnung eines Fahrtenbuchs wegen eines hinreichend schweren Verkehrsverstoßes
1. Von einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO (juris: StVZO 2012) kann nur bei einem unaufgeklärten Verkehrsverstoß von einigem Gewicht ausgegangen werden.. Ein einmaliger, unwesentlicher Verstoß, der sich weder verkehrsgefährdend auswirken kann – wobei eine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht erforderlich ist – noch Rückschlüsse auf die charakterliche Unzuverlässigkeit des Kraftfahrers zulässt, rechtfertigt danach die Anordnung nicht.
2. Ein hinreichend schwerer Verkehrsverstoß ist regelmäßig jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Zuwiderhandlung nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem (vgl. § 4 StVG in Verbindung mit § 40 FeV <juris: FeV 2010> und der zugehörigen Anlage 13) mit mindestens einem Punkt zu bewerten ist bzw. vor dem Inkrafttreten des Fahreignungs-Bewertungssystems am 1. Mai 2014 zur Speicherung von mindestens einem Punkt im Verkehrszentralregister geführt hätte.
3. Die Fahrtenbuchanordnung stellt sich als eine behördliche Maßnahme im Vorfeld der nach § 4 Abs. 5 StVG zu treffenden, je nach Punktestand abgestuften Maßnahmen dar und ist mit dem Fahreignungs-Bewertungssystem eng verknüpft.
VGH München, Beschluss vom 16.10.2023 – 11 CE 23.1306
Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis nach Alkoholfahrt (BAK 1,17 ‰), Alkoholmissbrauch und bei nahezu keinen Ausfallerscheinungen
Hat der Betroffene bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt eine BAK von unter 1,6 Promille, aber mindestens 1,1 Promille (hier: 1,17 Promille), ist von einer außergewöhnlichen Alkoholgewöhnung und einer damit verbundenen Gefahr für eine erneute Trunkenheitsfahrt auszugehen, wenn der Betroffene nahezu keine alkoholtypischen Ausfallerscheinungen gezeigt hat. Fehlende Ausfallerscheinungen sind dann als „zusätzliche Tatsache“ im Sinne von § 13 S. 1 Nr. 2 Lit. a 2. Alt. FeV zu deuten, die auf Alkoholmissbrauch hindeuten, sodass eine MPU anzufordern ist.
VG Bayreuth, Urteil vom 06.06.2023 – B 1 K 22.1061
Fahrtenbuchauflage – nicht zu früh (im Bußgeldverfahren) freuen
Hat der Halter im Rahmen der Anhörung lediglich mitgeteilt, dass er aus familiären Gründen den Fahrer nicht nennen könne, kann die Fahrtenbuchauflage auf ein zweites Fahrzeug des Halters erstreckt werden, auch wenn es sich dabei – anders als das Tatfahrzeug – um ein betriebliches Fahrzeug handelt, das aber zum überwiegenden Anteil (ebenfalls) von Familienmitgliedern betrieblich genutzt wird.
OVG Münster, Urteil vom 31.05.2023 – 8 A 2361/22
Fahrtenbuchauflage für Halter bei unzureichenden Ermittlungsmaßnahmen rechtswidrig
Verweigert der Fahrzeughalter erkennbar die Mitwirkung an der Ermittlung der für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Person, ist die Feststellung des Fahrers nur dann unmöglich, wenn die Bußgeldbehörde alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, also über die Halterbefragung hinaus auch sonst keine konkreten Ermittlungsansätze vorgelegen haben. Dies ist laut Oberverwaltungsgericht Münster nicht der Fall, wenn sich die Halterin auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat, es aber aufgrund eines deutlichen Tatfotos und der Tatumstände hinreichend wahrscheinlich ist, dass es sich bei dem Fahrer um einen Sohn der Halterin handelt. Denn dann hätte es sich für die Bußgeldbehörde aufdrängen müssen, in einem nächsten Schritt bei der Meldebehörde die am Wohnsitz der Halterin gemeldeten männlichen Personen abzufragen.
Quelle: Beck-Verlag / beck-online / FD-StrVR 2023, 458260
VGH München, Urteil vom 17.04.2023 – 11 BV 22.1234
Fahrerlaubnisbehörde kann das Fahren mit Fahrrädern oder E-Scootern nicht verbieten
§ 3 der Fahrerlaubnis-Verordnung regelt die Anforderungen an die Eignung zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen nicht hinreichend bestimmt und kann daher als Rechtsgrundlage für behördliche Untersagungen nicht herangezogen werden.
LG Frankfurt/Main, Beschl. v. 13.03.2023 – 5/2 Qs 8/23
Entziehung der Fahrerlaubnis und Zeitablauf
Eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist nach Ablauf von 6 Monaten in der Regel nicht mehr verhältnismäßig.
BVerwG, Urteil vom 02.02.2023, 3 C 14.21
Fahrtenbuchanordnung – Verwertbarkeit einer Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren
Wendet sich der Adressat einer Fahrtenbuchanordnung gegen die Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren, kann er sich nicht mit Erfolg auf die teilweise Verweigerung des Zugangs zu Rohmessdaten berufen, wenn er nicht seinerseits alles ihm Zumutbare unternommen hat, um diesen Zugang zu erhalten.
Ist bei einer Geschwindigkeitsmessung ein standardisiertes Messverfahren zum Einsatz gekommen, folgt aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 20 Abs. 3 GG) zwar im Grundsatz ein Anspruch auch des von einer Fahrtenbuchanordnung Betroffenen auf Zugang zu bei der Bußgeldstelle vorhandenen Daten. Es obliegt jedoch ihm, alle zumutbaren Schritte zu unternehmen, um seinen Zugangsanspruch geltend zu machen und durchzusetzen. Nur wenn er das getan hat, kann es ein Gebot des fairen Verfahrens sein, ihm nicht die Möglichkeit zu nehmen, auf der Grundlage der begehrten Informationen konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler vorzutragen. Der Kläger hat nicht alles ihm Zumutbare getan, um an die gewünschten Daten zu gelangen. Die Bußgeldstelle hat ihm u.a. die seinen PKW betreffenden Rohmessdaten zur Verfügung gestellt, nicht aber – wie beantragt – zusätzlich die Rohmessdaten der gesamten Messreihe, also nicht auch die Daten zu anderen Verkehrsteilnehmern und die Statistikdatei. Rechtliche Schritte, um den behaupteten umfassenden Zugangsanspruch gegenüber der Bußgeldstelle durchzusetzen, hat er nicht unternommen.
Quelle: BVerwG, Pressemitteilung
VG Lüneburg, Urteil vom 17.10.2022 – 1 A 139/21
Fahrtenbuchanordnung nach unrichtiger Angabe zum Fahrer
Macht der Fahrzeughalter nach einem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß unrichtige Angaben zum Fahrer (hier: Angabe eines Tarnnamens und einer Tarnanschrift), dann wirkt er nicht hinreichend an der Feststellung des Fahrers mit.
Quelle: Beck-Verlag / BeckRS 2022, 27731
BayVGH, Beschluss vom 14.09.2022 – 11 CS 22.876
Entziehung der Fahrerlaubnis für Klassen der Gruppen 1 und 2, Diabetes mellitus Typ 2
Schlagworte: Gute Stoffwechselführung ohne „schwere Unterzuckerung“, Fremdhilfebedürftigkeit der Hypoglykämie als maßgebliches Kriterium,
Bei medikamentöser Therapie eines Diabetes mellitus mit hohem Hypoglykämierisiko (z.B. Insulin) ist die Fahreignung nach den strengeren Anforderungen an das Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 zu bejahen bei guter Stoffwechselführung ohne schwere Unterzuckerung über drei Monate und ungestörter Hypoglykämiewahrnehmung.
Schwere Unterzuckerung (Hypoglykämie) bedeutet dabei nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung die Notwendigkeit von Hilfe durch eine andere Person.
Quelle (Leitsatz): VRR 11 | NOV 2022, Seite 5
Volltext → VGH / Direkt-LINK
OVG Saarlouis, Beschluss vom 24.08.2022 – 1 B 67/22
Fahrtenbuchauflage; Mitwirkung des Halters an der Ermittlung des Fahrzeugführers; Qualität des Messfotos
Die Feststellung des Fahrzeugführers ist auch dann „nicht möglich“ im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO, wenn die Ermittlungen zwar auf einen bestimmten Täter hindeuten, die Bußgeldbehörde jedoch bei objektiver Würdigung der Umstände des Einzelfalls keine ausreichende Überzeugung von der Täterschaft des Verdächtigen gewinnen konnte.
Mit Blick auf die von der Fahrzeughalterin zu fordernde Mitwirkung bei der Ermittlung des verantwortlichen Fahrers kommt dem Einwand, die schlechte Qualität des Messfotos mache es ihr unmöglich, die Person des Fahrers zu identifizieren, regelmäßig keine rechtliche Relevanz zu.
KG, Urteil vom 17.08.2022 – (3) 161 Ss 129/22 (44/22)
Eine Sperrfrist unterhalb der in § 69a Abs. 4 Satz 2 StGB bestimmten Mindestdauer ist unzulässig.
Quelle → VOLLTEXT / KG Berlin / 3 Ss 44/22
OVG Münster, Beschluss vom 02.12.2021 – 8 B 1293/21
Fahrtenbuchauflage und der (fehlende) Beweis für den Zugang eines Anhörungsschreibens
Bestreitet der Halter den Zugang eines Anhörungsschreibens, muss die Behörde den Zugang beweisen. Dass der Zugang mit einfacher Post übersandter Anhörungsschreiben häufig bestritten wird und der Nichtzugang von zwei korrekt adressierten und nicht in Rücklauf gelangten Anhörungsschreiben eher unwahrscheinlich ist, genügt nicht für die Annahme eines «Anscheinsbeweises», dass die Schreiben dem Halter doch zugegangen sind.
Quelle: Beck-Verlag / FD-StrVR 2022, 450867
LG Berlin, Beschluss vom 5.5.2022 – 506 Qs 27/22
Sperrfrist / Aufhebung und Verkürzung / (kein) Ermessen?
Die Aufhebung der Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis hat zu erfolgen, wenn eine auf neue Tatsachen gestützte hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich der Verurteilte im Straßenverkehr nicht mehr als gefährlich erweisen wird. Die Beurteilung dieser Wahrscheinlichkeit darf dabei nicht schematisch erfolgen, sondern muss sämtliche, allein täterbezogene Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Sind solche Umstände festzustellen, steht dem Gericht kein Ermessen zu.
Quelle (Leitsatz): VRR Juni 2022, Seite 2
VG Düsseldorf, Beschluss vom 11.3.2022 – 6 L 247/22
1. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Fahrerlaubnisentziehungsverfügung ist ihr Wirksamwerden (§ 43 VwVfG), nicht ihre Abfassung durch die Behörde.
2. Werden Punkte nach der Abfassung der Entziehungsverfügung, aber vor ihrem Wirksamwerden gelöscht, kann sich das auf die Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung auswirken. Denn die Löschung begründet ein absolutes Verwertungsverbot (§ 29 Abs. 7 Satz 1 StVG), das das Tattagprinzip überlagert.3. Wurden nach dem Tattagprinzip acht Punkte erreicht, ist die Entziehungsverfügung rechtswidrig, wenn ein Punkt während ihres Postlaufs an den Fahrerlaubnisinhaber gelöscht wird.
Quelle → VOLLTEXT / VG DÜSSELDORF / 11.03.2022 / 6 L 247/22
VG Mainz, Beschluss vom 2. März 2022, 3 L 68/22.MZ
Das Führen eines Fahrtenbuchs kann auch dann angeordnet werden, wenn der Halter eines Kraftfahrzeugs angegeben hat, den Verkehrsverstoß selbst begangen zu haben.
Und warum das nun? Es gab (scheinbar erhebliche) Zweifel an der Fahrereigenschaft des “Betroffenen”).
Der nachfolgende Abgleich des Fahrerfotos mit dem bei der Meldebehörde betreffend den Antragsteller hinterlegten Ausweisfoto ließ die Bußgeldbehörde jedoch mit Blick auf das abweichende äußere Erscheinungsbild der beiden abgebildeten Personen zu der Überzeugung gelangen, dass der Antragsteller bei der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht der Fahrer des Kraftfahrzeugs gewesen sein könne. Unter Hinweis auf die Zweifel an der Täterschaft des Antragstellers schrieb die Bußgeldstelle diesen mehrfach mit der Bitte um Benennung des Fahrers an; eine inhaltliche Äußerung unterblieb.
Quelle → PRESSEMITTEILUNG des VG MAINZ / dort auch Volltextabruf
OVG Hamburg, Beschluss vom 23.9.2021 – 4 Bs 140/21
Fahrtenbuchauflage; Einwand des Fahrzeughalters, er habe die Anhörungsbögen nicht erhalten; Nachweislast der Behörde
1. Die Behörde trägt die materielle Beweislast für die rechtzeitige Anhörung des Fahrzeughalters. Es obliegt ihr, den vollen Beweis über den Zugang eines Schriftstücks zu erbringen, da dessen Nichterhalt eine sog. negative Tatsache darstellt, die ihrerseits eines Beweises nicht zugänglich ist. Dies ergibt sich für ein Schreiben aus den allgemeinen Beweislastregelungen über den Zugang von Willenserklärungen.
2. Der Zugang eines mit einfachem Brief bei der Post aufgegebenen Schriftstücks kann nicht im Wege der Beweiserleichterung des Prima-facie-Beweises nachgewiesen werden.
3. Das Gericht kann im Wege der Würdigung der Umstände des Einzelfalles nach § 108 Abs. 1 VwGO zu der Überzeugung gelangen, dass ein abgesandtes Schriftstück den Adressaten erreicht hat.
Quelle → VOLLTEXT / OVG Hamburg / 23.09.2021 / 4 Bs 140/21
OVG Bremen, Beschluss vom 08.04.2021 – 1 B 120/21
Fahrerlaubnisentziehung wegen Epilepsie / Anfallsfreiheit
Im Falle einer Epilepsie liegt die Fahreignung für Fahrzeuge der Gruppe 2 ausnahmsweise nur dann vor, wenn eine Anfallsfreiheit von 5 Jahre besteht und keine Antiepileptika mehr eingenommen werden müssen.
Quelle → VOLLTEXT OVG BREMEN – 1 B 120/21
LG Osnabrück, Beschluss vom 06.11.2020 – 10 Qs 58/20
Beginn des Fahrverbotes bei fehlender Fahrerlaubnis
Ist der Angeklagte nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis, beginnt das Fahrverbot nicht mit der Rechtskraft der Entscheidung, sondern einen Monat nach deren Rechtskraft.
VG Münster, Beschluss vom 15.08.2016, 10 L 1070/16
Beginn der Probezeit nicht schon mit Erwerb des Lernführerscheins
Die Probezeit für den Antragsteller begann mit der Erteilung der (endgültigen) Fahrerlaubnis „FN GRADUATE DRIVER LICENSE“ in Alabama/Vereinigte Staaten durch Aushändigung am 5. März 2014 (und nicht, wie der Antragsgegner in seiner Berechnung Bl. 22 der Verwaltungsvorgänge in Verkennung der amerikanischen Schreibweise für das Datum angenommen hat, am „3.5.14“). Unabhängig von der Frage, ob der Antragsgegner zu Recht die Zeit zwischen dem Verlassen der USA und der Erteilung der Prüfbescheinigung für das „Begleitete Fahren ab 17“ heraus gerechnet (s. dazu § 29 Abs. 1 Satz 3 FeV) und deshalb für das Ende der Probezeit den 17. Juni 2016 errechnet hat, hätte auch ohne diese Herausrechnung von einem Monat und 9 Tagen, also bei vollen zwei Jahren ab dem 5. März 2016, die am 13. Februar 2016 begangene Tat innerhalb der Probezeit gelegen.
Die Probezeit begann nicht etwa, wie der Antragsteller geltend macht, bereits mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem er unter dem 13. August 2013 in Alabama – nach Bestehen der allein mündlichen Prüfung über die Verkehrsregeln – die Erlaubnis zum Begleiteten Fahren (FN DRIVER LICENSE) erhielt. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Der Verordnungsgeber hat in § 2a Abs. 1 StVG die Dauer der Probezeit auf zwei Jahre vom Zeitpunkt der Erteilung an bestimmt. „Bei Erteilung einer Fahrerlaubnis an den Inhaber einer im Ausland erteilten Fahrerlaubnis ist die Zeit seit deren Erwerb auf die Probezeit anzurechnen (§ 2a Abs. 1 Satz 2 StVG).“ Das Gesetz knüpft damit an den Erwerb der Fahrerlaubnis an und nicht an den Erwerb des Lernführerscheins, wie die in der Sprache des Gesetz- und Verordnungsgebers zum Ausdruck kommende unterschiedliche Begrifflichkeit verdeutlicht (vgl. auch VG Braunschweig, Urteil vom 15. Juni 2000 – 6 A 6003/99 -, juris, Rn. 25). Dem entspricht, dass der Verordnungsgeber in § 29 Abs. 3 Nr. 1 FeV den Lernführerschein nicht als Berechtigung zum Begleiteten Fahren im Bundesgebiet anerkennt, sondern ausdrücklich aus der grundsätzlichen Berechtigung in § 29 Abs. 1 Satz 1 FeV („dürfen im Umfang ihrer Berechtigung …“) herausnimmt. Erkennbar wollte der Verordnungsgeber eine Differenzierung im Hinblick auf den Umstand vornehmen, dass der Erwerb der Erlaubnis zum Begleiteten Fahren in Alabama allein von einer Prüfung der Kenntnis der Verkehrsregeln abhängig ist und vor dieser Berechtigung keinerlei Unterrichtung durch Fahrschulen und keine praktische Prüfung erfolgt.
VG Berlin, Beschluss vom 23. Oktober 2016 (11 L 432.16)
Fahrerlaubnisentzug bei hartnäckigem Falschparken (hier 83 Parkverstöße)
Eine Fahrerlaubnis kann nach einem Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Berlin ungeachtet der im Verkehrszentralregister eingetragenen Punktzahl auch schon bei einer Vielzahl von Parkverstößen entzogen werden.
Zwischen Januar 2014 und Januar 2016 waren mit einem auf den Antragsteller zugelassenen Fahrzeug insgesamt 88 Verkehrsordnungswidrigkeiten – davon 83 Parkverstöße – begangen worden. Daraufhin entzog das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten sofort vollziehbar die Fahrerlaubnis des Antragstellers, nachdem er einer Aufforderung zur Vorlage eines Gutachtens über seine Fahreignung nicht nachgekommen war.
Die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts bestätigte im Eilverfahren die Entscheidung der Behörde. Eine Fahrerlaubnis könne nicht nur bei Eintragungen im Verkehrszentralregister, sondern auch demjenigen entzogen werden, der sich aus anderen Gründen als ungeeignet erwiesen habe. Verstöße gegen Vorschriften des ruhenden Verkehrs seien für die Beurteilung der Fahreignung relevant, wenn der Verkehrsteilnehmer offensichtlich nicht willens sei, die im Interesse eines geordneten, leichten und ungefährdeten Verkehrs geschaffenen Ordnungsvorschriften einzuhalten, sondern diese hartnäckig missachte. Soweit der Antragsteller zum Teil behauptet habe, seine Frau habe die Verstöße begangen, müsse er sich dies zurechnen lassen. Denn wenn er nichts gegen Verkehrsverstöße von Personen unternehme, die sein Fahrzeug mit seiner Billigung benutzten, liege auch hierin ein charakterlicher Mangel, der ihn selbst als ungeeigneten Verkehrsteilnehmer ausweise.
Quelle: Pressemitteilung VG Berlin vom 02.12.2016 (Nr. 46/2016)
OVG Berlin-Brandenburg vom 16.08.2016, OVG 1 S 52.16
3 Abs. 4 Satz 1 StVG ist nicht anwendbar, wenn die Straftat (z.B. Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB) auf einem Fahrrad begangen wurde. Ein Strafverfahren im Sinne von § 3 Abs. 3 und 4 StVG muss gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gerichtet sein. Nur dann kommt eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in Betracht (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 StVG). § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB setzt eine rechtswidrige Tat voraus, die bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde.
OVG Lüneburg, Beschluss vom 30.05.2016, 12 LA 103/15
Fahrtenbuchanordnung; Widerlegung der Haltereigenschaft; Nachweisanforderungen
Die aus der Eintragung als Halter im Fahrzeugregister folgende Indizwirkung kann durch plausibles und substantiiertes Vorbringen entkräftet werden. Da die für und gegen eine Haltereigenschaft streitenden Umstände in der Sphäre des im Fahrzeugregister eingetragenen Halters liegen, trifft ihn eine Prozessförderungspflicht, unter Angabe von Einzelheiten einen stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich ergibt, dass die Verfügungsbefugnis über das betreffende Fahrzeug einem anderen zusteht.
VG Düsseldorf, Urteil vom 19.12.2016, 14 K 3784/16
Ein für die Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung kausaler Ermittlungsfehler liegt nicht vor, wenn sich der Fahrzeughalter auf ein Zeugnisverweigerungsrecht beruft.
Die Inanspruchnahme des Zeugnisverweigerungsrechts impliziert, dass der Halter den Fahrer auf dem Radarfoto erkannt hat.
VG Augsburg, Beschluss vom 26.10.2016, Au 3 S 16.1351
Es entspricht sachgerechtem, kaufmännischen Verhalten, auch Geschäftsfahrten längerfristig zu dokumentieren. Aufgrund dessen ist ein Wirtschaftsbetrieb grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Erinnerung einzelner Personen in der Lage, Geschäftsfahrten nach seinen Kontenbüchern in Verbindung mit Belegmappen, Einsatzplänen oder Ähnlichem zu rekonstruieren und den jeweiligen Fahrzeugführer im Einzelfall festzustellen.
Ein Verstoß gegen die sog. Zwei-Wochen-Frist ist unbeachtlich, wenn die verzögerte Anhörung nicht ursächlich für die unterlassene Benennung des Fahrers geworden ist.
Quelle: BeckRS 2016, 54153
VG Regensburg vom 21.10.2016, RO 5 S 16.1399
Bei einem Firmenfahrzeug trifft den Halter eine Obliegenheit zur Dokumentation von Geschäftsfahrten. Eine starre «Zwei-Wochen-Frist» kann bei Firmenfahrzeugen nicht gefordert werden. Die Ausdehnung der Fahrtenbuchauflage auf einen gesamten Fuhrpark (hier: 52 Fahrzeuge) ist verhältnismäßig, wenn aufgrund der Nutzergepflogenheiten des Halters zu befürchten ist, dass auch bei den übrigen Fahrzeugen potenzielle Täter nicht ermittelt werden können.
Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage ist bereits dann angemessen, wenn der Verkehrsverstoß wenigstens mit einem Punkt bewertet wird.
Quelle: BeckRS 2016, 53921
OVG Sachsen, Beschluss vom 24.10.2017, 3 A 37/17
Bei einem Firmenfahrzeug gebietet die Mitwirkungspflicht des Halters nicht nur, der Behörde den Verantwortlichen zu benennen, dem das betreffende Fahrzeug betriebsintern zugeordnet ist. Die Angabe muss auch so rechtzeitig geschehen, dass von der Behörde noch weiterführende Maßnahmen ergriffen werden können. Der Halter von Firmenwagen muss sich die mangelnde Mitwirkung seiner Mitarbeiter bei der Ermittlung des Fahrers zurechnen lassen.
KG, Beschluss vom 07.11.2016 – (3) 121 Ss 155/16
Auf das nach § 44 StGB angeordnete Fahrverbot ist die Schonfristvorschrift des § 25 Abs. 2 a StVG nicht entsprechend anwendbar.
VGH München, Beschluss vom 23.01.2017, M 26 S 16.5527
Im Fall der Teilnahme eines Kraftfahrzeugführers am Straßenverkehr unter der Einwirkung von Cannabis ist zur Verneinung seiner Fahreignung eine weitere Aufklärung durch Ermittlungen zur Häufigkeit seines Konsums nur dann geboten, wenn er ausdrücklich behauptet und substantiell darlegt, er habe erstmals im Rahmen eines Probierkonsums Cannabis eingenommen oder frühere Konsumakte lägen derart weit zurück, dass daran nicht mehr angeknüpft werden kann, und die neuerliche Einnahme beruhe auf besonderen Umständen (Anschluss BayVGH BeckRS 2016, 41727).
OVG Magdeburg, Beschluss vom 21.02.2017 – 3 M 251/16
Lehnt der Fahrzeughalter erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.
Die Weigerung des Fahrzeughalters, Sachdienliches auszusagen, zwingt allerdings dann zu weiteren Ermittlungen, wenn sich im Einzelfall besondere Beweisanzeichen ergeben haben, die auf die Person des Fahrzeugführers hindeuten.
BVerwG vom 07.04.2017 zu 3 C 24.15 und 3 C 13.16 (Pressemitteilung)
Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Trunkenheit im Verkehr
Ist nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille im Strafverfahren die Fahrerlaubnis entzogen worden, darf die Verwaltungsbehörde ihre Neuerteilung nicht allein wegen dieser Trunkenheitsfahrt von der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens abhängig machen. Anders liegt es, wenn zusätzliche Tatsachen die Annahme von künftigem Alkoholmissbrauch begründen.
Im Verfahren BVerwG 3 C 24.15 hatte das Strafgericht die Klägerin wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (BAK 1,28 Promille) nach § 316 StGB verurteilt und ihr nach § 69 StGB die Fahrerlaubnis entzogen, da sich aus der Tat ergebe, dass sie zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei. Als sie die Neuerteilung beantragte, erhielt sie von der Fahrerlaubnisbehörde gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d i.V.m. Buchst. a der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) die Aufforderung, ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten vorzulegen.
Im Verfahren BVerwG 3 C 13.16 hatte das Strafgericht dem Kläger die Fahrerlaubnis bei im Übrigen gleichem Sachverhalt wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 1,13 Promille entzogen. In beiden Fällen ist die Klage auf Erteilung der Fahrerlaubnis ohne vorherige medizinisch-psychologische Untersuchung in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die vorinstanzlichen Urteile geändert und die Beklagten jeweils verpflichtet, den Klägern die beantragten Fahrerlaubnisse auch ohne die Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Frage von Alkoholmissbrauch neu zu erteilen. Der Auffassung, dass die Fahrerlaubnis nach strafgerichtlicher Entziehung wegen einer Trunkenheitsfahrt nur nach Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens neu erteilt werden dürfe, ist es nicht gefolgt. Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV rechtfertigt eine einmalige Trunkenheitsfahrt ohne das Hinzutreten weiterer aussagekräftiger Tatsachen erst ab einer BAK von 1,6 Promille die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Die strafgerichtliche Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt ist – wie die Bezugnahme in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV auf die unter den Buchstaben a bis c genannten Gründe zeigt – kein eigenständiger, von der 1,6 Promille-Grenze unabhängiger Sachgrund für die Anforderung eines Gutachtens. Im Strafverfahren ist der Täter bei einer Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) „in der Regel“, also ohne das Hinzutreten weiterer belastender Tatsachen, als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen (§ 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB).
VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 25.01.2016, Az. 1 L 44/16.NW
Die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar führt nicht zum Punktabzug nach § 4 Abs. 7 StVG, wenn im Zeitpunkt der Ermahnung und des Hinweises auf ein Fahreignungsseminar erst 4 Punkte ins Fahreignungsregister einzutragen waren, aber durch spätere Rechtskraft der bereits zuvor begangenen Zuwiderhandlungen zusätzliche Punkte nach dem Tattagprinzip vorgelegen haben, durch die die 5-Punktegrenze überschritten war.
In einem solchen Fall tritt auch keine Verringerung des Punktestands nach § 4 Abs. 6 S. 3 StVG ein, sodass nach einer zuvor ergangenen Verwarnung die Fahrerlaubnis zu entziehen ist, auch wenn nach dem Tattagprinzip die zur Entziehung der Fahrerlaubnis führenden 8 Punkte bereits im Zeitpunkt der Ermahnung angefallen waren, jedoch aufgrund der erst nachträglich eingetretenen Rechtskraft den nach § 4 Abs. 5 StVG nacheinander zu ergreifenden Maßnahmen nicht früher zugrunde gelegt werden konnten.
VGH München, Urteil v. 16.05.2017 – 11 B 16.1619
Ein medizinisch-psychologisches Gutachten, das die Fahreignung zum Gegenstand hat, ist bezüglich der Frage, ob der Begutachtete hinreichend sicher von einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum zu trennen vermag, unschlüssig, wenn es auf Vorfälle gestützt wird, die zum Zeitpunkt der Begutachtungsanordnung und Gutachtenserstellung nach den geltenden Tilgungsbestimmungen nicht mehr vorgehalten werden können.
VGH Mannheim, Urteil vom 11.10.2017, 10 S 746/17
Die Fahrerlaubnisbehörde darf die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nicht allein wegen einer vorherigen strafgerichtlichen Fahrerlaubnisentziehung nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 Promille von der Beibringung eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig machen, soweit nicht zusätzliche Tatsachen die Annahme künftigen Alkoholmissbrauchs begründen (wie BVerwG, Urteil vom 06.04.2017 – 3 C 24.15– DAR 2017, 282; zugleich Aufgabe der bisherigen gegenteiligen Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 07.07.2015 – 10 S 116/15 – Blutalkohol 53, 71).
VGH München, Beschluss v. 09.11.2017 – 11 CS 17.1821
Eilantrag gegen die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens
Bei der Anordnung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens nach der Fahrerlaubnis-Verordnung handelt es sich um eine Verfahrenshandlung nach § 44a VwGO und nicht um einen Verwaltungsakt nach Art. 35 BayVwVfG. Diese Aufforderung kann daher prozessual nicht selbstständig angegriffen werden.
VGH München, Beschluss v. 08.11.2017 – 11 CS 17.1850
Wer mit einer THC-Konzentration von 6,20 ng/ml im Blut am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei dem ist eine hierdurch bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen.
Im Verwaltungsverfahren über die Entziehung der Fahrerlaubnis muss der Fahrzeugführer die Feststellungen im Bußgeldverfahren gegen sich gelten lassen.
Mit dem ersten Verstoß gegen das Trennungsgebot steht die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht iSd § 11 Abs. 7 FeV fest. Die Behörde hat zuerst von den Aufklärungsmöglichkeiten des nach § 46 Abs. 3 FeV im Entziehungsverfahren entsprechend anzuwendenden § 14 FeV Gebrauch zu machen und im Ermessenswege darüber zu entscheiden, ob sie nach § 14 Abs. 1 S. 3 FeV eine medizinisch-psychologische Untersuchung anordnet.
VGH München, Beschluss vom 09.11.2017, 11 Cs 17.182121
Bei der Anordnung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens nach der Fahrerlaubnis-Verordnung handelt es sich um eine Verfahrenshandlung nach § 44a VwGO und nicht um einen Verwaltungsakt nach Art. 35 BayVwVfG. Diese Aufforderung kann daher prozessual nicht selbstständig angegriffen werden.
VGH München, Beschluss v. 07.08.2018 – 11 CS 18.1270
Wer mit einer THC-Konzentration von 6,20 ng/ml im Blut am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei dem ist eine hierdurch bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen.
Im Verwaltungsverfahren über die Entziehung der Fahrerlaubnis muss der Fahrzeugführer die Feststellungen im Bußgeldverfahren gegen sich gelten lassen.
Mit dem ersten Verstoß gegen das Trennungsgebot steht die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht iSd § 11 Abs. 7 FeV fest. Die Behörde hat zuerst von den Aufklärungsmöglichkeiten des nach § 46 Abs. 3 FeV im Entziehungsverfahren entsprechend anzuwendenden § 14 FeV Gebrauch zu machen und im Ermessenswege darüber zu entscheiden, ob sie nach § 14 Abs. 1 S. 3 FeV eine medizinisch-psychologische Untersuchung anordnet.
Ein Gutachten, welches einerseits ausführt, die Kooperation sei ausreichend und situationsangemessen und die Kommunikation widerspruchsfrei gewesen, zum anderen aber bemängelt, dass das Gesprächsverhalten nicht hinreichend offen gewesen sei, um die notwendigen Hintergrundinformationen zu erhalten, und die Angaben den Befunden widersprächen, ist widersprüchlich und nicht verwertbar.
§ 11 Abs. 8 S. 1 FeV, wonach auf die Ungeeignetheit des Betreffenden geschlossen werden kann, wenn das Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt wird, ist keine Ausschlussfrist. Auch bei verspäteter Vorlage eines (positiven) Gutachtens können weiterer Sachvortrag und andere Erkenntnisse bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens berücksichtigt werden.
Im Rahmen des Entziehungsverfahrens ist es Sache der Fahrerlaubnisbehörde, die Tatsachen zu ermitteln, die Zweifel an der Fahreignung rechtfertigen. Der Betroffene ist grundsätzlich nur verpflichtet, an der Aufklärung von aus bekannten Tatsachen resultierenden Eignungszweifeln mitzuwirken. Steht daher, aus welchen Gründen auch immer, nicht fest, ob der Betreffende geeignet oder ungeeignet ist, so kann die Fahrerlaubnis nicht entzogen werden (Anschluss OVG Koblenz BeckRS 2009, 37225).
VG München, Urteil v. 25.07.2018 – M 6 K 18.1399
Es fehlt am Rechtsschutzbedürfnis einer Klage gegen eine Zwangsgeldandrohung, wenn die durchzusetzende Handlung (hier: Führerscheinherausgabe) bereits freiwillig erfüllt worden ist.
Die eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln setzt grundsätzlich einen willentlichen Konsum voraus. Die vom Betroffenen unbemerkte Verabreichung durch Dritte und daher unbewusste Einnahme von Betäubungsmitteln stellt jedoch nach allgemeiner Lebenserfahrung eine seltene Ausnahme dar. Wer daher behauptet, Substanzen unwissentlich eingenommen zu haben, muss einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt. Entsprechende Behauptungen sind allenfalls dann beachtlich, wenn der Betroffene überzeugend aufzeigen konnte, dass der Dritte einen Beweggrund hatte, ihm ohne sein Wissen Betäubungsmittel zuzuführen, und dass er selbst die Aufnahme des Betäubungsmittels und deren Wirkung tatsächlich nicht bemerkt hat (Anschluss BayVGH BeckRS 2016, 41334).
Die Behörde ist bei Fehlen eines glaubhaften Sachvortrags nicht verpflichtet, dem Betroffenen vor ihrer Entscheidung (erneut) Gelegenheit zu geben, seinen Vortrag zu ergänzen bzw. zu präzisieren und auf diese Weise „nachzubessern“.
BVerwG, Urteil vom 05.07.2018 – 3 C 9.17
Offensichtlicher Verstoß gegen Wohnsitzerfordernis wirkt auch in umgetauschtem EU-Führerschein fort
1. Hat ein Mitgliedstaat einen EU-Führerschein unter offensichtlichem Verstoß gegen die Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes ausgestellt und tauscht ein anderer Mitgliedstaat diesen Führerschein um, wirkt der Wohnsitzmangel in dem umgetauschten Führerschein fort.
2. Ein Führerschein, den ein anderer Mitgliedstaat nach Ablauf einer Sperrfrist im Wege des bloßen Umtauschs ausgestellt hat, berechtigt vor deren Tilgung nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland.
VG Koblenz, Urteil vom 10.12.2019, 4 K 773/19.KO
Rechtswidrige Fahrtenbuchauflage, wenn der Behörde weitere Ermittlung zumutbar (eng gefasster Personenkreis)
Der Bescheid vom 29. Januar 2019 ist bereits deshalb rechtswidrig, weil die Ermittlung des Fahrzeugführers, der den in Rede stehenden Verkehrsverstoß begangen hatte, nicht unmöglich war. Hierfür kommt es im Wesentlichen darauf an, ob die Ermittlungsbehörde unter sachgerechtem und rationalem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen diejenigen Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht wer-den und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei können sich Art und Umfang der Ermittlungen nach der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Dies bedeutet, dass es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten ist, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg versprechende Ermittlungen anzustellen, falls der Fahrzeughalter erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ablehnt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. März 1994 – 11 B 130/93 –, nach juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 30. November 2005 – 8 A 280/05 –, DAR 2006, S. 172). Dies gilt auch dann, wenn der Fahrzeughalter den in Frage kommenden Personenkreis weit fasst und nicht auf einzelne Personen eingrenzt; liegt eine solche Eingrenzung auf einzelne Personen hingegen vor, muss die Behörde aufgrund der dann vorliegenden konkreten Anhaltspunkte weitere Ermittlungen anstellen (vgl. Haus, in: Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, § 31 StVZO Rn. 53 m.w.N. aus der Rspr.). Benennt der Kläger z.B. einen überschaubaren Kreis von Angehörigen, die als Verantwortliche für den Verkehrsverstoß in Be-tracht kommen, muss die Behörde diese Personen in der Regel befragen, da eine solche Befragung nicht von vorneherein aussichtslos erscheint (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 26. Juni 2007 – 10 S 722/07 –, juris, Rn. 4).
BVerwG, Urteil vom 18.06.2020, 3 C 14.19
Das absolute Verwertungsverbot des § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG überlagert und begrenzt das Tattagprinzip nach § 4 Abs. 5 Satz 5 bis 7 StVG.
VGH München, Beschluss v. 30.07.2020, 11 CS 20.1697
Voraussetzungen für die Entziehung einer Fahrerlaubnis nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem / Tattagprinzip
Die Behörde hat für das Ergreifen der Maßnahmen nach dem Stufensystem des § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung (und nicht der Ahndung) der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat (§ 4 Abs. 5 Satz 5 StVG).
Frühere Zuwiderhandlungen, deren Tilgungsfrist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war, werden bei der Berechnung des Punktestands berücksichtigt (§ 4 Abs. 5 Satz 6 Nr. 2 StVG); spätere Verringerungen des Punktestands auf Grund von Tilgungen bleiben unberücksichtigt (§ 4 Abs. 5 Satz 7 StVG).
Wenn die einjährige Überliegefrist des § 29 Abs. 6 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 28 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb StVG für die Eintragung dieser Ordnungswidrigkeit im Zeitpunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis noch nicht abgelaufen war, ist noch kein Verwertungsverbot gemäß § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG eingetreten (vgl. insoweit BayVGH, U.v. 18.6.2019 – 11 BV 18.778,BeckRS 2019, 43002, bestätigt durch BVerwG, U.v. 18.6.2020 – 3 C 14.19, BeckRS 2020, 17244 ).
Die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist nach § 4 Abs. 10 Satz 1 StVG kann weder zu einer Aufhebung der Entziehung der Fahrerlaubnis noch zu einer vorzeitigen Erteilung führen.
Quellen: FD-StrVR 2020, 432038, beck-online / Gesetze_Bayern
VG Trier, Urteil vom 10.03.2020, 1 K 2868/19.TR
Ablehnung der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis
Ein Zeitraum von mehr als 26 Jahren ohne Fahrpraxis rechtfertigt die Annahme, dass der Betreffende nicht mehr über die erforderlichen praktischen Kenntnisse für das sichere Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen B, AM und L im Straßenverkehr verfügt.
OVG Lüneburg, Urteil vom 10.08.2020, 12 LB 64/20
Ermittlung des Punktestandes, Fahrerlaubnisentziehung, Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand
Wurde bei der Ermittlung des Punktestandes, der einer Fahrerlaubnisentziehung nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zu Grunde lag, eine durch rechtskräftigen Bußgeldbescheid geahndete Zuwiderhandlung berücksichtigt, so entfallen die Voraussetzungen für diese Berücksichtigung rückwirkend, wenn dem Fahrerlaubnisinhaber Wiedereinsetzung in die Frist für einen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid gewährt wird.
VG Neustadt, Beschluss vom 28.01.2016, 3 L 4/16.NW
Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens für Fahrerlaubnisinhaber mit Hörgerät
Leitsatz: Allein das Tragen eines Hörgerätes durch einen Fahrerlaubnisinhaber berechtigt die Fahrerlaubnisbehörde nicht zur Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens.
Orientierungssatz: Ein bloß entfernter Verdacht eines körperlichen oder geistigen Mangels reicht für die Tatbestandsmäßigkeit des § 11 Abs. 2 FeV nicht aus (keine Anordnung einer Untersuchungsmaßnahme “ins Blaue hinein”, vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2001 – 3 C 13/01 –, NJW 2002, 78).