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BGH, Beschluss vom 25.09.2024, XII ZB 244/22
Geben Verlobte die Eheschließungserklärungen in Deutschland ab, handelt es sich um eine Eheschließung im Inland und kann die Ehe daher nur in der hier vorgeschriebenen Form geschlossen werden. Eine Eheschließung durch von Deutschland aus per Videotelefonie vor einem Trauungsorgan im Ausland (hier: Behörde in Utah/USA) abgegebene Erklärungen ist unwirksam – Abgrenzung zu:
BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – XII ZB 309/21
a) Kollisionsrechtlich ist eine Eheschließung durch einen Vertreter nur dann als reine Formfrage zu qualifizieren, wenn es sich um eine Stellvertretung lediglich in der Erklärung handelt, bei der der Vollmachtgeber die Eheschließung sowie den konkreten Ehepartner nach eigenem Willen bestimmt hat. Demgegenüber würde eine Stellvertretung im Willen, die dem Vertreter eine eigene Entscheidungsbefugnis bezüglich der Eheschließung oder der Wahl des Ehepartners einräumt, auch die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung berühren und wäre nach dem für Deutsche geltenden Heimatrecht unzulässig.
b) Die Eheschließung im Ausland im Wege doppelter Stellvertretung verstößt nicht gegen den deutschen ordre public.
BGH, Beschluss vom 31.01.2024, XII ZB 385/23
Sittenwidrige Verknüpfung von Zugewinn und Umgangsgewährung
Die Regelung in einem zwischen geschiedenen Ehegatten geschlossenen gerichtlichen Vergleich, welche die Fälligkeit einer ratenweise zu zahlenden Zugewinnausgleichsforderung mit der tatsächlichen Gewährung von Umgang mit den gemeinsamen Kindern verknüpft, ist jedenfalls dann sittenwidrig, wenn sie dazu bestimmt ist, die vereinbarte Umgangsregelung unter Ausschluss einer gerichtlichen Kontrolle am Maßstab des Kindeswohls erzwingbar zu machen.
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.12.2023, 5 UF 48/23
Rückforderung einer Schwiegerelternzuwendung
1. Bei der Rückforderung einer Zuwendung von Schwiegereltern kann auch ein teilweiser Rückforderungsanspruch bestehen (entgegen BGH, Urteil vom 18. Juni 2019 – X ZR 107/16, juris Rn. 37).
2. Der vorgestellte Zeithorizont einer Zuwendung von Schwiegereltern ist nach allen Umständen des Einzelfalls zu bestimmen, hierfür besteht kein festes Rechenmodell.
Interessant sind die in den Urteilsgründen zum Zeithorizont dargelegten Meinungen und Überlegungen (siehe die Urteilsgründe ab dort Rn. 42).
Für das gegenständliche Verfahren (Einzelfallbetrachtung) führt das OLG folgendes aus:
Es ist davon auszugehen, dass keiner der Beteiligten bei einem Scheitern der Ehe nach 25 Jahren an eine Rückforderung der Schenkung gedacht bzw. diese noch erwartet hätte, zumal die Schwiegereltern nach statistischer Lebenserwartung diesen Zeitpunkt hier nicht mehr erlebt hätten.
Das führt dann zu folgender Berechnung des Rückforderungsbegehrens:
Es sind 20 % „zweckerreicht“ (5 Jahre von 25 Jahren) und 80 % der Zuwendung von netto 150.000 € zurückzufordern, mithin 120.000 €.
Quelle → zum VOLLTEXT geht es HIER LANG
BGH, Beschluss vom 30.08.2023, XII ZB 48/23
Vaterschaftsanerkennung nach Tod der Mutter
Mit dem Tod der Mutter entfällt das Zustimmungserfordernis nach § 1595 Abs. 1 BGB. Für die Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung genügt in diesem Fall die Zustimmung des Kindes nach § 1595 Abs. 2 BGB bzw. die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist (§ 1596 Abs. 2 Satz 1 BGB).
KG Berlin, Beschluss vom 15.08.2023, 17 WF 51/23
Umgang – Jedes Elternteil hat Recht auf Telefonate mit dem eigenen Kind auch außerhalb der Umgangszeiten
Welche Formen des Umgangskontakts von einer konkreten Umgangsregelung ausgeschlossen sind, ist es eine Frage der Auslegung des Titels im Einzelfall.
Bei der Auslegung von Umgangstiteln gilt der Grundsatz, dass dem Verpflichteten bei verständiger und objektiver Betrachtung hinreichend deutlich sein muss, was mit der Regelung von ihm verlangt wird. Dabei dürfen allerdings die Anforderungen mit Blick auf die Effektivität der Vollstreckung von Umgangstiteln und die elterliche Wohlverhaltenspflicht nach § 1684 Abs. 2 BGB nicht überspannt werden, sondern diese Aspekte sind im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigen.
Anrufe eines Elternteils beim Kind stellen keine Zuwiderhandlung gegen einen gerichtlich gebilligten Vergleich dar, in dem (nur) die Termine für den persönlichen Regel- und Ferienumgang geregelt sind, wenn eine zugleich von den Eltern getroffene formlose Vereinbarung über Telefontermine ausdrücklich nicht in den zu billigenden Umgangsvergleich aufgenommen worden ist.
BGH, Beschluss vom 26.04.2023, XII ZB 187/20
Ehescheidung vor dem italienischen Zivilstandsbeamten
Einvernehmliche Ehescheidungen vor dem italienischen Zivilstandsbeamten bedürfen auch unter Geltung der Brüssel IIa-Verordnung zu ihrer Eintragung im Eheregister keiner Anerkennung nach § 107 Abs. 1 Satz 1 FamFG (Anschluss an EuGH Urteil vom 15. November 2022 – C-646/20 -FamRZ 2023, 21).
BGH, Beschluss vom 05.04.2023, XII ZB 2/21
Isolierte Geltendmachung von Auskunfts- und Zahlungsanspruch hinsichtlich Trennungsunterhalt
a) Die isolierte Geltendmachung von Auskunfts- und Zahlungsanspruch hinsichtlich des Trennungsunterhalts ist grundsätzlich nicht mutwillig im Sinne von § 114 Abs. 2 ZPO (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 10. März 2005 – XII ZB 20/04 -FamRZ 2005, 786).
b) Bei einem zum Zeitpunkt der Antragseinreichung aufgelaufenen – streitwerterhöhenden – Unterhaltsrückstand hat die Prüfung der Mutwilligkeit den jeweiligen Einzelfall in den Blick zu nehmen. Mutwilligkeit scheidet aus, wenn nachvollziehbare und billigenswerte Gründe für ein Zuwarten mit der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs vorliegen.
BGH, Beschluss vom 01.03.2023, XII ZB 360/22
VersAusglG: Ausgleich von Grundrenten-Entgeltpunkten in der Anwartschaftsphase
Entgeltpunkte aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (sog. Grundrenten-Entgeltpunkte) sind auch in der Anwartschaftsphase im Wertausgleich bei der Scheidung regelmäßig ausgleichsreif.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 07.02.2023 – 25 U 46/21
Zur Annahme einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft
Leitsatz
Eine fortbestehende Ehe schließt die Annahme einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit einer neuen Partnerin nicht generell aus. Maßgebend ist vielmehr auch in dieser Konstellation eine Gesamtschau aller Tatsachen, die darauf hinweisen, ob mit der neuen Partnerin eine Lebensgemeinschaft besteht, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen.
Orientierungssatz
Indizien für eine nichteheliche Lebensgemeinschaft im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft können u.a. die Erziehung eines gemeinsamen Kindes in einem gemeinsam geführten Haushalt sowie die Verknüpfung der wechselseitigen wirtschaftlichen und beruflichen Verhältnisse sein, die über die gesetzlichen Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungen zu einer sozialen Absicherung führen.
Quelle → VOLLTEXT / Direktlink zu JUSTIZ BW
OLG Köln, Beschluss vom 16.11.2022, 10 UF 58/22
Eine einseitige Zerrüttung der Ehe reicht für die Scheidung
Eine – wie hier – einseitige Zerrüttung auf Seiten eines Ehegatten reicht daher aus, wenn aus dem Verhalten und den glaubhaften Bekundungen des die Scheidung beantragenden Ehegatten zu entnehmen ist, dass er unter keinen Umständen bereit ist, zu dem anderen Ehegatten zurückzufinden und die Ehe fortzusetzen, weil bereits dann eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu erwarten ist (OLG Naumburg, Urt. v. 07.04.2005 – 3 UF 183/04, FamRZ 2006, 43; OLG Zweibrücken, Urt. v. 06.04.2006 – 6 UF 208/05, FamRZ 2006, 1210).
Aus den Gründen (noch):
Soweit die Antragsgegnerin schließlich meint, die Gründe des Antragstellers für die Trennung seien ihr nicht erklärlich, mag dies ein auf der persönlichen Gefühlsebene nachvollziehbar schmerzlicher Umstand sein; für die Frage der Zerrüttung ist aber maßgebend, ob eine Fortsetzungsprognose der Ehe getroffen werden kann. Eine solche scheidet aus, wenn einer der Partner „nicht mehr will“ – insofern erst Recht, wenn er sich sogar einer Begründung hierüber gegenüber dem Ehegatten enthält, zeigt doch gerade dies das Maß der Kommunikationsstörungen.
Quelle → zum VOLLTEXT geht es HIER
BGH, Beschluss vom 02.11.2022, XII ZB 339/22
Amtsaufklärung der Geschäftsunfähigkeit
Die Frage, ob der Betroffene im Zeitpunkt der Vollmachterteilung nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig war, hat das Gericht nach § 26 FamFG von Amts wegen aufzuklären. Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen hat es von Amts wegen nachzugehen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 22. Juni 2022 – XII ZB 544/21 -FamRZ 2022, 1556).
BGH, Beschluss vom 21.09.2022, XII ZB 150/19
Einschränkung des persönlichen Umgangs mit dem Kind
a) Eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr festgestellt wird, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist; an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 6. Februar 2019 – XII ZB 408/18 – FamRZ 2019, 598 und BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212).
b) Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer gerichtlichen Maßnahme nach § 1666 BGB ist auch das Verhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs in die elterliche Sorge und dem Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für das Kind zu beachten. Während die vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Sorge nur bei einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, nämlich bei ziemlicher Sicherheit, verhältnismäßig ist, können weniger einschneidende Eingriffe, zu denen die im Katalog des § 1666 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BGB exemplarisch aufgeführten Maßnahmen zählen, bereits im Fall einer nicht überwiegend wahrscheinlichen Gefahr angemessen sein, soweit es um die Abwehr einer massiven Rechtsgutbeeinträchtigung geht (Fortführung der Senatsbeschlüsse vom 6. Februar 2019 – XII ZB 408/18 – FamRZ 2019, 598 und BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212).
c) Wird durch eine auf § 1666 Abs. 3 Nr. 3 und 4 BGB gestützte Schutzanordnung der persönliche Umgang des Elternteils mit dem Kind eingeschränkt oder ausgeschlossen, muss sich diese Anordnung auch an den Voraussetzungen des § 1684 Abs. 4 BGB messen lassen.
BGH, Beschluss vom 20.07.2022, XII ZB 81/22
Eine Unterbringung setzt eine konkrete Gefahr voraus
Die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt keine akute, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Betreuten voraus. Notwendig ist eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib und Leben des Betreuten. Dies setzt objektivierbare und konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens voraus. Der Grad der Gefahr ist in Relation zum möglichen Schaden ohne Vornahme der freiheitsentziehenden Maßnahme zu bemessen (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 24. Mai 2017 – XII ZB 577/16 – FamRZ 2017, 1342 und vom 12. Mai 2021 – XII ZB 109/21 – MDR 2021, 1153).
BGH, Beschluss vom 15.06.2022, XII ZB 85/22
Betreuung trotz Vorsorgevollmacht
Steht die Wirksamkeit einer Vorsorgevollmacht fest, kann gleichwohl eine Betreuung erforderlich sein, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet. Letzteres ist der Fall, wenn der Bevollmächtigte mangels Befähigung oder wegen erheblicher Bedenken an seiner Redlichkeit als ungeeignet erscheint (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 19. Mai 2021 – XII ZB 518/20 – FamRZ 2021, 1654 und vom 21. April 2021 – XII ZB 164/20 – FamRZ 2021, 1236).
BGH, Beschluss vom 15.06.2022, XII ZB 13/22
Persönliche Anhörung im Beschwerdeverfahren / FamFG
Wird in einem Betreuungsverfahren die erforderliche persönliche Anhörung des Betroffenen vom Amtsgericht erst im Abhilfeverfahren nachgeholt, kann das Beschwerdegericht nicht von der auch im zweitinstanzlichen Verfahren grundsätzlich gebotenen persönlichen Anhörung des Betroffenen absehen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 6. April 2022 – XII ZB 371/21 – juris).
BGH, Beschluss vom 18.05.2022, XII ZB 325/20
Kindesunterhalt bei mietfreiem Wohnen
a) Das mietfreie Wohnen beeinflusst nicht die Höhe des Kindesunterhalts. Die kostenfreie Zurverfügungstellung von Wohnraum wird vorrangig im unterhaltsrechtlichen Verhältnis zwischen den Eltern ausgeglichen. Ein unterhaltsrechtlicher Ausgleich kann auch darin bestehen, dass der Betreuungselternteil keinen Anspruch auf Trennungsunterhalt geltend machen kann, weil nach der Zurechnung des vollen Wohnwerts keine auszugleichende Einkommensdifferenz zwischen den Eltern mehr besteht.
b) Die Eltern können eine – nach den Umständen des Einzelfalls gegebenenfalls auch konkludente – Vereinbarung darüber treffen, dass die Wohnungskosten durch den Naturalunterhalt des Barunterhaltspflichtigen abgedeckt werden. Für die Erfüllung des Barunterhaltsanspruchs ( § 362 BGB ) aufgrund einer solchen Vereinbarung trifft den Barunterhaltsschuldner die Darlegungs- und Beweislast.
c) Bevor die Haftungsquote für den anteiligen Mehrbedarf bestimmt wird, ist von den Erwerbseinkünften des betreuenden Elternteils der Barunterhaltsbedarf der Kinder nach den gemeinsamen Einkünften der Eltern abzüglich des hälftigen auf den Barunterhalt entfallenden Kindergelds und abzüglich des vom Kindesvater geleisteten Barunterhalts abzusetzen. In der verbleibenden Höhe leistet der betreuende Elternteil neben dem Betreuungsunterhalt restlichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt. Die andere Hälfte des Kindergelds, die der betreuende Elternteil erhält, ist nicht einkommenserhöhend zu berücksichtigen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 29. September 2021 – XII ZB 474/20 -FamRZ 2021, 1965).
OLG Bamberg, Beschluss vom 01.04.2022 – 2 UF 11/22
Zuweisung der Ehewohnung bei Getrenntleben / unbillige Härte
1. Aus den in der gesetzlichen Regelung hervorgehobenen Tatbeständen, die eine unbillige Härte begründen können – die Anwendung von Gewalt (§ 1361b Abs. 2 BGB) und die Beeinträchtigung des Kindeswohls (§ 1361b Abs. 1 S. 2 BGB) – ist zu folgern, dass eine Wohnungszuweisung besondere Umstände voraussetzt, die über bloße Unannehmlichkeiten oder Belästigungen, wie sie oft in der Auflösungsphase einer Ehe auftreten, hinausgehen und unter Berücksichtigung der Interessen des anderen Ehegatten dessen Verbleiben in der Wohnung für den Ehegatten zu einer unerträglichen Belastung machen.
2. Die Ursachen für das Scheitern der Ehe sind im Rahmen von § 1361b BGB – entsprechend dem verschuldensunabhängigen Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht – grundsätzlich ohne Bedeutung.
3. Ein Anspruch auf vollumfängliche Privatsphäre in der gesamten Ehewohnung sowie auf Kenntnis der Anwesenheitszeiten des anderen Ehegatten besteht während des Getrenntlebens innerhalb der Ehewohnung nicht.
Quelle: Beck-Verlag / beck-online / BeckRS 2022, 7857
BGH, Beschluss vom 09.03.2022, XII ZB 233/21
Absetzung von Tilgungsleistungen – Finanzierung der selbstgenutzten Immobilie – beim Kinderunterhalt / Tilgungsstreckung
a) Auch beim Kindesunterhalt können grundsätzlich bis zur Höhe des Wohnvorteils neben den Zinszahlungen zusätzlich die Tilgungsleistungen berücksichtigt werden, die der Unterhaltspflichtige auf ein Darlehen zur Finanzierung einer selbstgenutzten Immobilie erbringt (Fortführung der Senatsbeschlüsse BGHZ 213, 288 =FamRZ 2017, 519 und vom 15. Dezember 2021 – XII ZB 557/20 – NZFam 2022, 208).
b) Überschreitet der Schuldendienst für die Immobilie den dadurch geschaffenen Wohnvorteil nicht, ist aber gleichwohl der Mindestunterhalt minderjähriger Kinder gefährdet, kann dem gesteigert Unterhaltspflichtigen zwar nicht eine vollständige Aussetzung der Tilgung, wohl aber nach den Umständen des Einzelfalls ausnahmsweise eine Tilgungsstreckung zugemutet werden. Dies kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn eine besonders hohe Tilgung vereinbart wurde oder die Immobilie bereits weitgehend abbezahlt ist.
BGH, Beschluss vom 15.12.2021, XII ZB 557/20
Bemessung des unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommens
a) Steuerliche Abschreibungen für die Abnutzung von Gebäuden berühren das unterhaltsrechtlich maßgebende Einkommen nicht (Bestätigung des Senatsurteils vom 1. Dezember 2004 – XII ZR 75/02 -FamRZ 2005, 1159).
b) Bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, die mittels kreditfinanzierter Immobilien erzielt werden, ist bis zur erzielten Miete nicht nur die – die Einkünfte bereits steuerrechtlich vermindernde – Zins-, sondern auch die Tilgungsleistung unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen (Fortführung von Senatsbeschlüssen BGHZ 213, 288 =FamRZ 2017, 519 und vom 4. Juli 2018 – XII ZB 448/17 -FamRZ 2018, 1506).
c) Selbständige können in der Summe 24 % ihres Bruttoeinkommens des jeweiligen Jahres für die Altersvorsorge aufwenden und damit – soweit eine solche Vorsorge tatsächlich betrieben wird – von ihrem unterhaltsrelevanten Einkommen absetzen (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ 177, 272 =FamRZ 2008, 1739). Im Rahmen der Ermittlung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte Tilgungsleistungen sind auf diese Altersvorsorgequote nicht anzurechnen (Fortführung von Senatsbeschluss BGHZ 213, 288 =FamRZ 2017, 519).
d) Werden die mit der Berufsausübung verbundenen höheren Aufwendungen bereits pauschal oder konkret bei der Einkommensermittlung berücksichtigt, bedarf es im Einzelnen einer Begründung des Tatgerichts, wenn es mehr als ein Zehntel des Erwerbseinkommens der Bedarfsbemessung entzieht.
e) Der familienrechtliche Ausgleichsanspruch steht in einem Alternativverhältnis zu den Unterhaltsansprüchen des Kindes, weil er nur entsteht, wenn der Unterhaltsanspruch erfüllt worden ist.
BGH, Beschluss vom 08.12.2021 – XII ZB 402/20
Steuererstattungsanspruch als Teil des Anfangsvermögens
a) Ist ein Steuererstattungsanspruch beim Eintritt des Güterstandes noch nicht entstanden, ist er auch nicht im Anfangsvermögen zu berücksichtigen.
b) Eine nach dem Endstichtag anfallende Vorfälligkeitsentschädigung ist bei der Beendigung des Güterstands genauso wenig zu berücksichtigen wie es Zinsbelastungen sind, die bei einer Dalehensvaluta erst nach dem Stichtag eintreten.
BGH, Beschluss vom 19.01.2022 – XII ZB 183/21
Adoptiertes Kind hat Anspruch gegen seine leibliche Mutter auf Auskunft über die Identität des leiblichen Vaters
Anspruchsgrundlage für die begehrte Auskunft ist die Bestimmung des § 1618 a BGB, nach der Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schuldig sind. Auch wenn die Vorschrift keine konkreten Sanktionen bei einem Verstoß vorsieht, können Eltern und Kindern aus ihr wechselseitig Rechtsansprüche erwachsen. Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt die verfassungsrechtliche Verpflichtung des Staates, der Schutzbedürftigkeit des Einzelnen vor der Vorenthaltung verfügbarer Informationen über die eigene Abstammung bei der Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Betroffenen angemessen Rechnung zu tragen. Dies ist bei der Auslegung des § 1618 a BGB* zu berücksichtigen, zumal der Gesetzgeber einen Auskunftsanspruch nicht ausdrücklich normiert hat. Anders als beim Anspruch des sog. Scheinvaters gegen die Kindesmutter auf Auskunft über die Identität des leiblichen Kindesvaters, für den das Bundesverfassungsgericht einer Herleitung aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB**) eine Absage erteilt und eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage gefordert hat, geht es hier nicht allein um die Durchsetzung finanzieller Interessen. Vielmehr wird mit dem Auskunftsanspruch eine Rechtsposition von ganz erheblicher verfassungsrechtlicher Bedeutung, nämlich das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, gestärkt.
Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 007/2022 vom 19.01.2022
AG Darmstadt, Beschluss vom 03.01.2022, 51 F 1759/21 EAUE
Trennungsunterhalt ist zu versagen, wenn der Berechtigte sich eines schweren vorsätzlichen Vergehens (hier: Diebstahl) gegen den Verpflichteten schuldig gemacht hat.
Quelle → VOLLTEXT / AG DARMSTADT / 51 F 1759/21 EAUE
OLG Bamberg, Beschluss v. 22.11.2021 – 2 UF 220/20
Kindeswohlgefährdung bei Schulverweigerung
1. §§ 1666, 1666a BGB ermöglichen lediglich ein staatliches Einschreiten zur Abwehr einer konkreten Kindeswohlgefährdung, nicht die Durchsetzung einer bestmöglichen Förderung des jeweils betroffenen Kindes.
2. Im Falle eine Schulverweigerung kann nicht automatisch eine Kindeswohlgefährdung angenommen werden, sondern alle wesentlichen Aspekte des konkreten Einzelfalls sind zu ermitteln und hinsichtlich einer konkreten Kindeswohlgefährdung zu bewerten. Allgemeine Erwägungen reichen zur Begründung einer konkreten und erheblichen Gefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB nicht aus.
3. Für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen ist nicht Aufgabe des Familiengerichts. Vielmehr stehen der Schulbehörde hierfür die sich aus Art. 118, 119 i.V.m. Art. 35 BayEUG ergebenden Maßnahmen zur Verfügung, die von dieser in eigener Zuständigkeit zu prüfen sind.
BGH, Beschluss vom 24.11.2021, XII ZB 253/20
Ende des Anspruchs auf Unterrichtung über vermögensrechtliche Belange / Zerrüttungsvermutung
a) Der aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB hergeleitete Anspruch auf Unterrichtung über vermögensrechtliche Belange, dessen beharrliche und grundlose Nichterfüllung mit der vorzeitigen Beendigung der Zugewinngemeinschaft nach §§ 1385 Nr. 4, 1386 BGB sanktioniert werden kann, endet entsprechend § 1353 Abs. 2 BGB mit dem Scheitern der Ehe (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 17. September 2014 – XII ZB 604/13 – FamRZ 2015, 32 und BGHZ 194, 245 = FamRZ 2012, 1785).
b) Ob die Ehe im Sinne der §§ 1353 Abs. 2, 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB gescheitert ist, muss – wenn nicht die gesetzlichen Zerrüttungsvermutungen des § 1566 BGB eingreifen – als tatrichterliche Prognose unter Würdigung aller Umstände entschieden werden. Leben die Ehegatten getrennt, rechtfertigt der Nichtablauf des Trennungsjahres für sich genommen noch nicht den Schluss, dass die Ehe noch nicht endgültig gescheitert sei und der Unterrichtungsanspruch weiterhin geltend gemacht werden könne.
c) Der Schuldner des Unterrichtungsanspruchs ist für die Umstände, aus denen auf das Scheitern der Ehe geschlossen werden soll, darlegungs- und beweispflichtig.
OLG Zweibrücken, Beschluss v. 06.07.2021 − 2 UF 61/21
Festsetzung der Nutzungsentschädigung / Ehewohnung bei Getrenntleben
Die Höhe der nach § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB festzusetzenden Nutzungsvergütung bemisst sich nach Billigkeitsgesichtspunkten unter Berücksichtigung der gesamten Lebensverhältnisse der Ehegatten. Neben dem objektiven Mietwert haben folgende Einzelfallaspekte Einfluss auf die Anspruchshöhe:
Lauf des Trennungsjahres
Betreuung und Versorgung eines gemeinsamen minderjährigen Kindes ohne Regelung des Kindesunterhaltes
Zusammenleben mit einem gemeinsamen volljährigen Kind
Beitrag des bleibenden Ehegatten am Hausbau (auf fremdem Grundstück)
Geschäftliche Verflechtungen der Eheleute (hier: bewusste Geringhaltung des Einkommens, um die Vollstreckung durch Altgläubiger zu vermeiden).
Quelle → VOLLTEXT / Direkt-LINK zum Justizportal Rheinland-Pfalz
BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2021 – XII ZB 123/21
Bei finanziell leistungsfähigen Großeltern keine gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern für ihre Kinder
Verwandte in gerader Linie haben einander nach § 1601 BGB Unterhalt zu gewähren, wobei die Unterhaltspflicht der Eltern für ihre Kinder derjenigen der Großeltern für ihre Enkel vorgeht (§ 1606 Abs. 2 BGB). Unterhaltspflichtig ist nach § 1603 Abs. 1 BGB nicht, wer seinen angemessenen Unterhalt gefährden würde; der daraus abgeleitete angemessene Selbstbehalt eines Elternteils gegenüber seinem Kind betrug seinerzeit 1.300 €. Allerdings trifft Eltern minderjähriger Kinder gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB eine gesteigerte Unterhaltspflicht, weshalb ihnen insoweit nur der notwendige Selbstbehalt von seinerzeit 1.080 € zusteht. Diese sog. gesteigerte Verpflichtung tritt nach § 1603 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BGB nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist.
Wie der Bundesgerichtshof nun entschieden hat, führt das Vorhandensein von für den Enkelunterhalt leistungsfähigen Großeltern dazu, dass die gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern für ihre minderjährigen Kinder entfällt. Dies folgt nicht nur aus dem Gesetzeswortlaut, der nicht nach dem Verwandtschaftsgrad differenziert. Es entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der diese Regelung seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Vorstellung getroffen hatte, die Erweiterung der Unterhaltspflicht sei wegen der für die Eltern damit verbundenen Härte nicht gerechtfertigt, so lange andere zur Gewährung des Unterhalts verpflichtete Verwandte wie etwa Großeltern vorhanden sind. An dieser gesetzgeberischen Konzeption, die sich in die Konstruktion des Verwandtenunterhalts als Ausdruck der generationenübergreifenden Solidarität einfügt, hat sich bis heute nichts geändert. Werden Großeltern für den Unterhalt ihrer Enkel herangezogen, stellt dies auch keine verdeckte Unterhaltsgewährung an die Kindeseltern dar. Vielmehr haften sie gemäß § 1607 Abs. 1 BGB originär nur auf Unterhalt gegenüber ihren Enkelkindern. Die Kindeseltern müssen ihren eigenen angemessenen Unterhalt selbst sicherstellen.
Durch dieses Gesetzesverständnis wird das gesetzliche Rangverhältnis nicht in Frage gestellt. Zudem bleibt gewährleistet, dass die Ersatzhaftung der Großeltern die Ausnahme darstellt. Dafür sorgt nicht nur die Anordnung des Vorrangs der elterlichen Unterhaltspflicht, sondern auch, dass Großeltern gegenüber ihren Enkeln ein deutlich höherer angemessener Selbstbehalt zusteht (derzeit 2.000 € zzgl. der Hälfte des über 2.000 € liegenden Einkommens) als den Eltern gegenüber ihren Kindern. Dass der Staat für Unterhaltsvorschusszahlungen keinen Regress (§ 7 Abs. 1 Satz 1 UVG) bei Großeltern nehmen kann, ist wiederum eine ganz bewusste gesetzgeberische Entscheidung, kann jedoch nicht dafür maßgeblich sein, welchen Umfang die zivilrechtliche Unterhaltspflicht der Eltern hat.
Quelle → aus Pressemitteilung vom 28.10.2021 zu XII ZB 123/21
BGH, Beschluss vom 29.09.2021, XII ZB 474/20
Ermittlung des Wohnbedarfs für den Trennungsunterhalt
Der eheangemessene Unterhaltsbedarf beim Trennungsunterhalt ist im Falle einer konkreten Bedarfsbemessung nach den Kosten zu ermitteln, die für die Aufrechterhaltung des in der Ehe erreichten Lebensstandards erforderlich sind (im Anschluss an Senatsurteil vom 1. April 1987 IVb ZR 33/86 FamRZ 1987, 691).
Der konkrete Wohnbedarf entspricht dem, was der Unterhaltsberechtigte als Mieter (einschließlich Nebenkosten) für eine dem Standard der Ehewohnung entsprechende und angemessen große Wohnung aufzubringen hätte (im Anschluss an Senatsurteil vom 18. Januar 2012 XII ZR 178/09 FamRZ 2012, 517).
Der Quotenunterhalt stellt unter Berücksichtigung eines objektiven Maßstabs im Hinblick auf die Halbteilung die Obergrenze auch bei der konkreten Bedarfsbemessung dar.
BGH, Beschluss vom 21.07.2021 – XII ZB 21/21
§ 137 FamFG und der Zwangsverbund von Scheidungs- und Folgesachen
Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG tritt der aus Scheidungs- und Folgesache bestehende Verbund kraft Gesetzes ein, ohne dass die Ehegatten hierüber disponieren können. Der Antrag, eine Folgesache entgegen §§ 137 Abs. 1, 142 Abs. 1 Satz 1 FamFG in einem isolierten Verfahren zu führen, ist daher für die Entstehung des Verbunds unbeachtlich (Fortführung des Senatsurteils vom 9. Januar 1991 – XII ZR 14/90 – FamRZ 1991, 687).
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13.7.2021 – 3 W 98/20
Eintragung eines 1919 nicht geführten Adelstitels („Freiherr“)
Adelsbezeichnungen (hier: Freiherr) sind nach Art. 109 III WRV jedenfalls dann nicht Bestandteil des Namens geworden, wenn sie schon bei Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung längere Zeit nicht mehr im Rechtsverkehr geführt wurden.
Quelle: Beck-Verlag / NZFam 2022, 185
OLG Frankfurt/M., Beschluss v. 26.04.2021 – 8 UF 28/20
Unterhalt – Corona-Soforthilfe und Einkommensrückgang durch Corona
1. Die sog. Corona-Soforthilfe dient als zweckgebundene Leistung der Überbrückung von Liquiditätsengpässen des Betriebes. Sie steht deshalb nicht für den laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung und kann daher den eheangemessenen Lebensbedarf nicht bestimmen
2. Bei der Ermittlung des laufenden Unterhalts sind kurzfristige Einkommensrückgänge aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht schon bei der Bestimmung des eheangemessenen Bedarfs, sondern erst auf der Ebene der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen
3. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie waren nicht vorhersehbar. Deshalb musste der Unterhaltsschuldner keine Vorkehrungen treffen und es kann von ihm auch nicht verlangt werden, unmittelbar seine selbstständige Tätigkeit aufzugeben.
4. Ob und wann mit einem Wiederaufleben der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners gerechnet werden kann, ist nicht hinreichend sicher prognostizierbar; die Erfassung künftiger Einkommensverbesserungen ist einem Abänderungsverfahren vorzubehalten.
Quelle → OLG FFM / Beschluss vom 26.04.2021 / 8 UF 28/20
BGH, Beschluss vom 24.03.2021, XII ZB 364/19
Anfechtung der Vaterschaft durch den leiblichen Vater
Im Vaterschaftsanfechtungsverfahren sind der mitsorgeberechtigte rechtliche Vater und die mit ihm verheiratete Mutter von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen (im Anschluss an Senatsbeschlüsse BGHZ 193, 1 =FamRZ 2012, 859und vom 2. November 2016 – XII ZB 583/15 -FamRZ 2017, 123).
Ist die Mutter hingegen mit dem rechtlichen Vater nicht (mehr) verheiratet, ist sie vom gesetzlichen Sorgerechtsausschluss nicht betroffen, sodass das Kind von ihr allein vertreten wird (Aufgabe von BGH Urteil vom 14. Juni 1972 – IV ZR 53/71 – FamRZ 1972, 498).
Die Anfechtung der Vaterschaft durch den leiblichen Vater ist unbegründet, wenn zum Schluss der letzten Tatsacheninstanz eine sozial-familiäre Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind besteht, auch wenn eine solche zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags noch nicht vorlag (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 15. November 2017 – XII ZB 389/16 -FamRZ 2018, 275und Senatsurteil BGHZ 170, 161 =FamRZ 2007, 538).
OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 11.11.2020, 3 UF 156/20
Umgangspflicht des Vaters
Ein getrennt lebender Kindesvater ist auch gegen seinen ausdrücklich erklärten Willen zum Umgang mit den Kindern verpflichtet, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient.
Die elterliche Umgangspflicht dient dem vom Gesetzgeber in § 1684 Abs. 1 BGB verfolgten Zweck, dem gesetzlich zuerkannten Recht des Kindes auf Umgang mit seinen Eltern durch eine entsprechende Verpflichtung der Eltern dazu Nachdruck zu verleihen und so dem Kind zu ermöglichen, mit seinen Eltern zusammenzutreffen. Ein solcher Umgang ist für die kindliche Entwicklung von herausragender Bedeutung. Es ist nicht zu beanstanden und wird durch wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt, wenn der Gesetzgeber bei seiner Inpflichtnahme der Eltern davon ausgegangen ist, ein beständiger persönlicher Kontakt zwischen Eltern und Kind nehme positiven Einfluss auf die kindliche Entwicklung und sei grundsätzlich dem Kindeswohl dienlich. Die Umgangspflicht ist auch geeignet, die Beziehung zwischen dem Kind und seinen Eltern zu fördern. Es ist nicht auszuschließen, dass ein zum Umgang verpflichteter Elternteil, selbst wenn er zunächst an einer regelmäßigen Begegnung mit seinem Kind kein Interesse hat und von sich aus den persönlichen Kontakt mit seinem Kind nicht sucht, sich durch die in § 1684 Abs. 1 BGB enthaltene Verpflichtung zum Umgang mit seinem Kind oder durch die darauf gestützte gerichtliche Anordnung, die seine Umgangspflicht konkretisiert, beeindrucken und bewegen lässt, dieser Pflicht im wohlverstandenen Sinne des Kindes nachzukommen und diesem damit zu ermöglichen, eine Beziehung zu ihm aufzubauen oder fortzusetzen. Ein milderes Mittel, dem Umgangsrecht des Kindes zu seinem Wohle Nachdruck zu verleihen und zur Durchsetzung zu verhelfen, ist nicht ersichtlich, sodass die elterliche Umgangsverpflichtung auch erforderlich ist (BVerfGE 121, 69 = FamRZ 2008, 845).
Quelle → VOLLTEXT / OLG FFM / 11.11.2020 / 3 UF 156/20
BGH, Beschluss vom 14.12.2016, XII ZB 345/16
Auskunftsanspruch gegenüber Jugendamt
a) Der Auskunftsanspruch nach § 1686 BGB setzt nicht voraus, dass der Auskunftsverpflichtete die Obhut über das Kind ausübt. Grundsätzlich kommt daher auch ein auf Umgangskontakte beschränkter Elternteil als Anspruchsgegner in Betracht.
b) § 1686 BGB kann in entsprechender Anwendung einem Elternteil auch einen Auskunftsanspruch gegenüber Anspruchsgegnern gewähren, die nicht Elternteil, aber in ihrer rechtlichen oder tatsächlichen Stellung einem solchen vergleichbar sind (hier: Jugendamt).
c) Ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 1686 BGB besteht dann, wenn der Elternteil keine andere zumutbare Möglichkeit hat, sich über die Entwicklung und die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu unterrichten. Eine solche anderweitige Möglichkeit kann gegebenenfalls der Umgang mit dem Kind darstellen, aber auch in sonstigen Informationsquellen bestehen, wenn diese eine ausreichende Kenntnis von den persönlichen Verhältnissen des Kindes vermitteln.
d) Zum Umfang der Informationen, die der Auskunftsberechtigte nach § 1686 BGB beanspruchen kann.
KG Berlin, Urteil vom 02.02.2017, 13 UF 163/16
Einstweilige Anordnung zum Umgang eines geschiedenen Elternteils: Regelung des Ferienumgangs bei Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Durchführung einer Urlaubsfernreise nach Thailand; Unstatthaftigkeit der Beschwerde
1. In Anbetracht des gewandelten Urlaubsverständnisses der Bevölkerung handelt es sich bei der Entscheidung darüber, ob ein Kind im Rahmen eines zwischen den Eltern einvernehmlich vereinbarten Ferienumgangs eine Urlaubsfernreise in ein Baderesort in Thailand antritt, regelmäßig um eine Alltagsentscheidung, über die der umgangsberechtigte Elternteil in der Regel allein entscheiden kann.
2. Die Entscheidung über den Antritt einer Urlaubsfernreise kann jedoch eine Sorgeangelegenheit – über die im gegenseitigen Einvernehmen beider Eltern zu entscheiden ist – darstellen, wenn die geplante Fernreise in ein politisches Krisengebiet führen soll oder wenn für den Zielort der Reise Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes vorliegen.
3. Zum nachträgliche Widerruf der von dem Obhutselternteil ursprünglich erteilten Zustimmung zu einer Urlaubsfernreise des Kindes mit dem anderen Elternteil im Rahmen des vereinbarten Umgangs.
4. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs, nachdem sich dessen Entscheidung in der Hauptsache erledigt hat, den beschwerdeführenden Elternteil in dessen Rechten verletzt, liegt nicht schon dann vor, weil der Obhutselternteil die von ihm ursprünglich erteilte Zustimmung zu einer Urlaubsfernreise kurzfristig vor dem geplanten Reisebeginn widerrufen hat und das Gericht des ersten Rechtszug den Widerruf für im Ergebnis unbeachtlich erachtet. Auch der Umstand, dass der umgangsberechtigte Elternteil von dem Obhutselternteil Ersatz des Schadens fordert, der ihm aufgrund des Widerrufs der Zustimmung zu der Urlaubsreise entstanden ist, rechtfertigt noch nicht die Annahme eines berechtigten Interesses des Obhutselternteils an der Feststellung, dass die erstinstanzliche Entscheidung ihn in seinen Rechten verletzt hat.
BGH, Beschluss vom 22.11.2017, XII ZB 230/17
Der Bewertung einer freiberuflichen Praxis zum Stichtag kann im Rahmen des Zugewinnausgleichs regelmäßig der Zeitraum der letzten drei bis fünf Jahre zugrunde gelegt werden. Eine Zwischenbilanz zum Stichtag ist grundsätzlich nicht erforderlich (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 8. November 2017 – XII ZR 108/16 – zur Veröffentlichung bestimmt).
OLG Braunschweig, Urteil vom 29.11.2017, 11 U 59/17
Amtshaftung: (kein) Schadensersatz wegen Verdienstausfall infolge der verzögerten Bereitstellung eines Platzes in einer Kindertagesstätte?
Eine Beschränkung des Wahlrechts i. S. d. § 5 SGB VIII zwischen der frühkindlichen Förderung in einer Tageseinrichtung und einer Kindertagespflege i. S. d. § 24 SGB VIII stellt keine Amtspflichtverletzung dar, wenn zwar keine Betreuungsplätze mehr in der gewünschten Betreuungsform, aber in der alternativen Betreuungsform verfügbar sind.
Die vorzeitige Kündigung eines bereits vorhandenen und geeigneten Betreuungsplatzes stellt einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht i. S. d. § 254 BGB dar, wenn das Kind aufgrund dessen zunächst keine frühkindliche Förderung erhält. Ein Wechsel der Betreuungsform ist nicht generell unzumutbar. Eine Eingewöhnungszeit des Kindes ist in § 24 SGB VIII nicht vorgesehen.
Aus den Gründen:
Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend das Vorliegen einer Amtspflichtverletzung verneint.
Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII hat ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Hieraus erwächst für den örtlich und sachlich zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe die (Amts-)Pflicht, im Rahmen seiner die Planungsverantwortung umfassenden Gesamtverantwortung sicherzustellen, dass für jedes anspruchsberechtigte Kind, für das ein entsprechender Bedarf rechtzeitig angemeldet worden ist, ein Betreuungsplatz zur Verfügung steht; insoweit trifft ihn eine unbedingte Gewährleistungspflicht (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.2016 – III ZR 302/15 -, juris Rn. 17). Diese Pflicht kann der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe dadurch erfüllen, dass er einen (zumutbaren) Platz entweder in einer Tageseinrichtung oder in Rahmen der Kindertagespflege zuweist (vgl. BGH a. a. O., Rn. 18). Beide Alternativen stehen prinzipiell gleichrangig nebeneinander; dies ergibt sich aus dem Wortlaut von § 24 Abs. 2 S. 1 SGB VIII und einem Vergleich mit der Regelung in § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII (vgl. BGH, a. a. O.). Der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe verletzt seine Amtspflicht, wenn er einem gemäß § 24 Abs. 2 SGB VIII anspruchsberechtigten Kind trotz rechtzeitiger Anmeldung des Bedarfs keinen Betreuungsplatz zur Verfügung stellt (vgl. BGH a. a. O., Rn. 19).
…
Allerdings hat der Beklagte über seine Mitarbeiterin Frau R. der Klägerin per E-Mail vom 03.04.2014 drei Tagespflegepersonen vorgeschlagen, von denen zumindest eine nach dem unstreitigen erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin auch Betreuungsplätze ab dem 01.08.2014 hatte.
…
Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, dass ein Anspruch auf Zuweisung eines Krippenplatzes infolge des von den Erziehungsberechtigten ausgeübten Wahlrechts bestanden hätte, den der Beklagte verletzt habe.
Das Wahl- und Wunschrecht nach § 5 SGB VIII ist zwar auf den in § 24 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII geregelten Anspruch ein- und zweijähriger Kinder auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege uneingeschränkt anwendbar (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 06.10.2014 – 4 ME 216/14 -, juris Leitsatz Ziff. 1 und Rn. 5). Dieses findet jedoch seine Grenze, wenn keine Plätze in der gewünschten Betreuungsform (mehr) vorhanden oder verfügbar sind (vgl. OVG Lüneburg, a. a. O., Rn. 2).
Im vorliegenden Fall stand unstreitig kein Krippenplatz ab dem 01.08.2014 zur Verfügung, so dass die Klägerin und ihr Ehemann ihr Wahlrecht nicht dahingehend ausüben konnten, dass ihre Tochter in einer Tageseinrichtung untergebracht werden sollte.
Selbst wenn jedoch von einer Amtspflichtverletzung ausgegangen werden müsste, wäre ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aufgrund ihres eigenen Mitverschuldens am angeblich eingetretenen Schaden ausgeschlossen.
Die Klägerin und ihr Ehemann haben unstreitig selbst eine Tagespflegeperson ausfindig gemacht und mit dieser die Betreuung ihrer Tochter ab dem 09.09.2014 vereinbart.
Zwar stellt die Selbstbeschaffung eines Betreuungsplatzes im Vergleich zur Erlangung eines solchen Platzes im Wege des Verschaffungsanspruchs aus § 24 Abs. 2 SGB VIII nicht die Erfüllung dieses Anspruchs dar (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 08.12.2016 – 12 S 1782/15 -, juris Rn. 47). Der Primäranspruch wandelt sich vielmehr unter den Voraussetzungen analog § 36a Abs. 3 SGB VIII in einen Sekundäranspruch auf Aufwendungsersatz um (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, a. a. O.).
Allerdings verstößt die Aufgabe des Betreuungsplatzes bei der Tagespflegeperson Frau K. gegen die Schadensminderungspflicht der Klägerin gemäß § 254 BGB.
BGH, Beschluss vom 13.12.2017, Az: XII ZB 488/16
a) § 1379 BGB regelt die Auskunftspflicht im Zugewinnausgleichsverfahren umfassend; daneben ist für einen Auskunftsanspruch aus § 242 BGB kein Raum (im Anschluss an Senatsbeschluss BGHZ 194, 245 =FamRZ 2012, 1785).
b) Begehrt ein Ehegatte im Fall einer verfrühten Stellung des Scheidungsantrags durch den anderen Ehegatten Auskunft zu einem gesetzlich nicht geregelten Stichtag, so hat er einen besonderen Ausnahmefall darzulegen, der es rechtfertigt, die Stichtage des Gesetzes zu modifizieren. Dieser ist gegeben, wenn das sich ohne eine solche Korrektur ergebende Ergebnis grob unbillig erscheint und die Gewährung des Ausgleichsanspruchs in der vom Gesetz vorgesehenen Art und Weise dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde (im Anschluss an Senatsurteil vom 4. Dezember 1996 XII ZR 231/95 FamRZ 1997, 347).
c) Der Auskunftsberechtigte hat konkrete Tatsachen vorzutragen, die ein ausnahmsweises Abweichen vom gesetzlichen Stichtag notwendig machen (im Anschluss an Senatsbeschluss BGHZ 194, 245 =FamRZ 2012, 1785).
BGH, Urteil vom 28.02.2018, XII ZR 94/17
Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs nach § 1357 BGB
Der unter anderem für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28.02.2018 entschieden, dass ein Ehegatte die auf seinen Partner laufende Vollkaskoversicherung für das Familienfahrzeug auch ohne dessen Vollmacht kündigen kann.
Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten eine Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung für ein auf ihren Ehemann zugelassenes Fahrzeug der Marke BMW 525d. Mit einem vom Ehemann unterzeichneten Schreiben wurde die Vollkaskoversicherung für das Familienfahrzeug gekündigt. Die Beklagte fertigte daraufhin einen – die Vollkaskoversicherung nicht mehr enthaltenden – neuen Versicherungsschein und erstattete überschießend geleistete Beiträge. Das versicherte Fahrzeug wurde bei einem selbst verschuldeten Unfall beschädigt.
Und das Ende vom “Lied” … die Kündigung ist ordnungsgemäß erfolgt und der Schaden, der nach dem Ende des Versicherungsschutzes in der Vollkasko eintritt, nicht mehr versichert.
OLG Hamm, Beschluss vom 15.05.2018, 7 UF 18/18
Ausbildungsunterhalt, Berufsausbildung, Zweitausbildung
Haben die Eltern ihrem Kind eine angemessene Ausbildung finanziert, welche seinen Begabungen und Neigungen entspricht, und findet das Kind in diesem erlernten Beruf nach Abschluss der Ausbildung keine Arbeitsstelle, sind die Eltern auch bei guter wirtschaftlicher Lage grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Kind eine weitere Berufsausbildung zu gewähren.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.07.2019, 4 UF 123/19
Trennungsunterhalt, Zusammenleben, Lebensgemeinschaft, kurze Ehe, Verwirkung
Der Anspruch auf Trennungsunterhalt setzt weder voraus, dass die Beteiligten vor der Trennung zusammengezogen sind oder zusammengelebt haben (vgl. BGH vom 17.03.1982- IV B ZR 664/80 -, FamRZ 1982, 573; BGH vom 24.06.1987 – IV B ZR 73/86 -, FamRZ 1989, 838; BGH vom 09.02.1994 – XII ZR 220/92 -, FamRZ 1994, 558) noch dass es zu einer Verflechtung der wechselseitigen Lebenspositionen und zu einer inhaltlichen Verwirklichung der Lebensgemeinschaft gekommen ist (BGH FamRZ 1985, 376).
und bestätigt von
BGH, Beschluss vom 19.02.2020 – XII ZB 358/19
Trennungsunterhalt auch ohne vorausgehendes Zusammenleben
Der Anspruch auf Trennungsunterhalt setzt nicht voraus, dass die
Ehegatten zusammengelebt oder gemeinsam gewirtschaftet haben
(im Anschluss an Senatsurteil v. 9.2.1994 – XII ZR 220/92 –, FamRZ
1994, 558).
OLG Frankfurt / Main vom 18.12.2019, 1 UF 140/19
Ersetzung der Einwilligung in Namensänderung setzt keine Kindeswohlgefährdung voraus
Willigt der geschiedene Mann nicht ein, dass seine Tochter den Namen des neuen Ehemanns der Mutter trägt, kann das Gericht die Einwilligung ersetzen, wenn die sog. Einbenennung „erforderlich“ ist. Eine Kindeswohlgefährdung ist für die Ersetzung nicht erforderlich, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit o.g. Beschluss.
Entgegen der Auffassung des BGH aus dem Jahr 2005 komme eine Ersetzung aber auch nicht erst in Betracht, wenn konkrete Umstände für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen würden. Ausreichend für eine Ersetzung sei vielmehr die niedrigere Schwelle der Erforderlichkeit. Dies ergebe sich aus dem klaren Wortlaut des Gesetzes. Die Ersetzung sei erforderlich, wenn „die Aufrechterhaltung des Namensbandes zum anderen Elternteil nicht zumutbar erscheint“. Dies sei vorliegend der Fall. Dabei sei zwar zu berücksichtigen, dass sich der Vater des Kindes in einer schwierigen Lebenssituation befinde und die gemeinsame Namensführung mit dem Kind ein wesentliches Band darstelle. In die Abwägung einzubeziehen sei jedoch auch, dass die Tochter seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr mit ihrem Vater habe. Die Tochter selbst wünsche ausdrücklich eine Namensänderung. Die außerordentlichen Belastungen der Tochter durch die Namensverschiedenheit mit ihrer Mutter und ihrer Halbschwester wögen im vorliegenden Fall zudem schwer. „Da der Name eines Kindes auch eine persönlichkeitsrechtliche Komponente hat, ist im Rahmen der Abwägung auch dem Kindeswillen Rechnung zu tragen, der vorliegend ebenfalls für eine Ersetzung der Einwilligung spricht“, betont das OLG abschließend.
Der Senat hat im Hinblick auf die abweichende Rechtsprechung des BGH aus dem Jahre 2005 die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.
Quelle: PM der Ordentlichen Gerichtsbarkeit Hessen vom 02.01.2020, Nr. 01/2020
OLG Koblenz, Beschluss vom 12.06.2019, 13 UF 617/18
Einwilligung in eine gemeinsame Veranlagung zur Einkommenssteuer / Einzelveranlagung / Zusammenveranlagung
Steuererstattungen oder -nachzahlungen aus vor der Trennung liegenden Zeiten gemeinsamer Veranlagung der Ehegatten sind nach der Trennung grundsätzlich nach der Steuerlast im Falle einer fiktiven Einzelveranlagung auszugleichen (Anschluss an BGH FamRZ 2002, 1024).
Aus dem Westen der Ehe folgt auch nach der Trennung regelmäßig die Verpflichtung in eine vom anderen Ehegatten für die Zeit des Zusammenlebens gewünschte Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer einzuwilligen (Anschluss an BGH FamRZ 2005, 182 m.w.N. und BGH FamRZ 2007, 1229). Eine Verweigerung kann zur Schadensersatzpflicht führen.
Nach Scheitern der Ehe kann ein Ehegatte grundsätzlich nicht den Mehrbetrag, den er zuvor wegen der Besteuerung seines Einkommens nach der ungünstigeren Lohnsteuerklasse V im Vergleich zur Besteuerung bei getrennter Veranlagung geleistet hat, von dem anderen Ehegatten ersetzt verlangen. Das gilt jedenfalls bis zur Trennung. Aus diesem Grund kann die Zustimmung zur Zusammenveranlagung für Zeiten des ehelichen Zusammenlebens regelmäßig auch nicht von einem Ausgleich der dem bislang die ungünstigere Lohnsteuerklasse V innehabenden Ehegatten im Falle der gemeinsamen Veranlagung verbleibenden steuerlichen Mehrbelastung abhängig gemacht werden.
OLG Braunschweig, Beschluss vom 20.05.2020, 1 UF 51/20
Umgangsrecht / Umgang mit Kind während der Corona-Krise
Die gegenwärtige Corona-Pandemie rechtfertigt es grundsätzlich nicht, den Umgang zwischen einem Kind und dem nicht betreuenden Elternteil auszusetzen.
OLG Köln, Beschluss vom 22.01.2003, 2 U 129/02
Die nach § 1933 S. 1 BGB notwendige Zustimmung des Erblassers zum Scheidungsbegehren seines Ehepartners braucht nicht unter ausdrücklicher Verwendung des Wortes „Zustimmung“ erklärt zu werden. Es reicht, wenn sich aus den gesamten Umständen hinreichend klar ergibt, dass auch der Erblasser die Ehe für gescheitert hält und einer Scheidung nicht entgegentritt.
OLG Dresden, Beschluss vom 27.2.2002 – 10 UF 743/01
Das Desinteresse eines Elternteils am Umgang mit dem Kind und an der Mitwirkung in Erziehungsfragen sprechen gegen die Beibehaltung der gemeinsamen Sorge.
Der Antragsgegner zeigt auch im Übrigen, was die Belange der gemeinsamen Kinder anbelangt, kein Interesse. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragstellerin sowie dem Ergebnis der Anhörung der Parteien nimmt der Antragsgegner an der Entwicklung seiner Kinder nicht teil und kümmert sich nicht um Erziehungsfragen. Er ist auch an einer engen Beziehung zu seinen Kindern im Rahmen des Umgangsrechtes nicht besonders interessiert. So waren es in der Vergangenheit stets die Kinder, die zu ihm kamen. Auch während des Umgangs zeigt der Antragsgegner kein großes Interesse für die Belange der Kinder.
Nach den Angaben der Kinder erkundigt er sich nicht nach ihren Sorgen und unternimmt nichts mit ihnen. Er bereitet ihnen keine Freude. Zu Weihnachten bekamen die Kinder vom Antragsgegner keine Geschenke.
Auch die Ausübung des Umgangs gestaltet sich schwierig, da der Antragsgegner seinen Haushalt nicht nach den Bedürfnissen der Kinder eingerichtet hat.
Das Desinteresse des Antragsgegners an den Kindern wird weiterhin dadurch dokumentiert, dass er in der Vergangenheit, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre, keinen Kindesunterhalt gezahlt hat. Aufgrund dieser Sachlage geht der Senat davon aus, dass bei Belassung der gemeinsamen Sorge diese nur auf dem Papier existieren würde.
Bei der Entscheidung hat der Senat nicht verkannt, dass dem Kindeswohl grundsätzlich die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge am besten entspricht und jedes Kind von Geburt an ein unveräußerliches Recht auf die gelebte Beziehung zu beiden Elternteilen hat und das Eltern-Kind-Verhältnis die Basis für eine gesunde körperliche, seelische und intellektuelle Entwicklung des Kindes ist (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 3. Aufl., § 1671 Rdnr.34). Die gemeinsame Sorge mit den aufgezeigten Vorteilen kann jedoch nur funktionieren, wenn beide Elternteile bereit sind, Verantwortung gegenüber den Kindern zu übernehmen.
Quelle → Beck-Verlag / BeckRS 9998, 18472 / beck-online
AG Bad Mergentheim, Beschluss 19.12.1996, 1 F 143/95
“Umgangsrecht” mit dem zum Hausrat gehörenden Hund ?
1. Gehört zum Hausrat ein Haustier, muß bei der gerichtlichen Zuweisungsentscheidung der Rechtsgedanke des § 90a BGB berücksichtigt werden.
2. Es ist rechtlich zulässig, im Rahmen der Hausratsteilungsentscheidung dem Ehegatten, der den Hund nicht erhalten hat, das Recht einzuräumen, mit dem Hund zu bestimmten Zeiten zusammen zu sein.
Quelle: Beck-Verlag / NJW 1997, 3033 / beck-online
Anmerkung und Achtung: Zu beachten ist, dass es sich hier um eine Einzelfallentscheidung handelt, die auch davon getragen wird, dass der Hund im Gerichtssaal auf den Ehemann sehr innig reagiert hatte. Diese Entscheidung ist in keinster Weise zu verallgemeinern, weil im Regelfall, so auch die Rechtsprechung, ein Haustier wie eine “Sache” – das klingt für den Nichtjuristen natürlich schon schräg – behandelt und damit das Tier einem der (Ex)Partner zugesprochen wird.