→ → → → → → → → →
OLG München, Beschluss vom 23.09.2024, 33 Wx 325/23e
1. Zur Frage der (hier nicht gegebenen) Sittenwidrigkeit einer Enterbung in einem privatschriftlichen Testament für den Fall, dass der Begünstigte eine bestimmte Person heiratet und die Eheschließung noch vor dem Tod des Erblassers erfolgt.
2. Ob eine sittenwidrige und damit nichtige Bedingung die konkrete Verfügung des Erblassers (hier: Enterbung) insgesamt unwirksam macht, ist im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung zu klären.
3. Verletzt die Nichtabhilfeentscheidung des Nachlassgerichts rechtliches Gehör, kann eine Rückgabe der Akten an das Nachlassgericht zur erneuten Durchführung des Abhilfeverfahrens unterbleiben, wenn die Sache entscheidungsreif ist.
OLG München, Beschluss v. 09.08.2024 – 33 Wx 115/24 e
Abschlussfunktion der Unterschrift bei eigenhändigem Testament
1. Befindet sich der Namenszug des Erblassers neben dem übrigen Text, obwohl unterhalb des Textes ausreichend Raum für eine Unterschrift wäre, stellt dieser Namenszug keine Unterschrift gemäß den Anforderungen zur Errichtung eigenhändiger Testamente dar.
2. Kann erst unter Zuhilfenahme des formunwirksamen Teils einer Verfügung (hier: Überschrift „Last will“) der Schluss gezogen werden, dass es sich um eine Verfügung von Todes wegen handeln soll, lässt sich ein Testierwille daraus nicht ableiten (Anschluss an: BayObLG, Beschluss vom 09.03.2005, 1Z BR 112/04).
OLG München, Beschluss v. 23.07.2024 – 33 Wx 329/23 e
Eigenhändiges Testament mit Adressaufklebern ist unwirksam
Testierwille, Formwirksamkeit, Eigenhändiges Testament, Schriftformerfordernis, Unterschrift, Symbol, Adressaufkleber
1. Ein handschriftliches Testament ist formunwirksam, wenn der Bedachte durch einen maschinenschriftlichen Adressaufkleber (hier: auf einem Briefumschlag) benannt werden soll. Das Schriftformerfordernis für eigenhändige Testamente stellt eine grundsätzliche Wirksamkeitsvoraussetzung dar, von der auch im Einzelfall nicht abgewichen werden kann.
2. Eine Verfügung von Todes wegen ist auch dann formunwirksam, wenn die Zuwendung dergestalt erfolgen soll, dass zur Person des Bedachten nur ein Symbol (hier: Pfeil) weist, denn bei Symbolen handelt es sich nicht um eine Schrift, die auf ihre Eigenhändigkeit hin untersucht werden könnte.
OLG Celle, Urteil vom 29.07.2024 – 6 U 51/23
An die Feststellung, der Erbe habe mit dem Pflichtteilsberechtigten, der mit einem Vermächtnis bedacht ist, durch schlüssiges Verhalten einen Verzicht auf den Zusatzpflichtteil nach § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB vereinbart, sind strenge Anforderungen zu stellen.
Aus § 2307 Abs. 1 BGB ergibt sich ohne Hinzutreten besonderer Umstände keine Verpflichtung des Pflichtteilsberechtigten, sich bei Annahme des Vermächtnisses vorzubehalten, den Zusatzpflichtteil noch geltend zu machen.
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 11.7.2024, 8 W 80/23
Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments – Schlusserben und Ersatzerben
Setzen Eheleute sich einander gegenseitig zu alleinigen Erben sowie weiter verschiedene Verwandte als Erben ein, „falls wir auf einer Reise oder durch sonstige Umstände gleichzeitig oder nacheinander ableben sollten“, kann der in der letztgenannten Bestimmung zum Ausdruck kommende Erblasserwille im Sinne einer generellen Schlusserbeneinsetzung ausgelegt werden.
Quelle → zum VOLLTEXT geht es HIER LANG
KG Berlin, Beschluss vom 09.07.2024 – 1 W 27/24
Kein Nachweis der Erbfolge beim Grundbuchamt durch Versicherung an Eides statt zum Nichtvorhandensein weiterer Kinder
Werden in einer öffentlichen Verfügung von Todes wegen namentlich nicht bezeichnete Kinder als Erben bestimmt, kann das Grundbuchamt gemäß § 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 GBO die Vorlage eines Erbscheins (oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses) verlangen. Geburtsurkunden i.V.m. einer Versicherung an Eides statt, es seien keine weiteren Kinder geboren worden, genügen für den Nachweis der Erbfolge nicht.
OLG Naumburg, Urteil vom 13.6.2024 – 2 U 81/23
1. Der Anspruch von Miterben gegen den (miterbenden) Erbschaftsbesitzer nach § 2027 BGB umfasst nicht Auskünfte über Vermögenswerte, welche durch lebzeitige Zuwendungen des Erblassers bereits vor dem Eintritt des Erbfalls weggefallen sind.
2. Zu den Anforderungen an die Darlegung der tatsächlichen Grundlagen für einen Anspruch auf Auskunft nach §§ 2057 i.V.m. 2050 Abs. 2 BGB.
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 27.05.2024, 8 W 41/23
Enterbung von Abkömmlingen durch Erb- bzw. Ersatzerbeneinsetzung anderer Personen
1. In der testamentarischen Erb- bzw. Ersatzerbeneinsetzung anderer Personen ist jedenfalls dann unzweifelhaft die Enterbung des Sohnes des Erblassers zu sehen, wenn dieser bereits nach seiner vorverstorbenen Mutter den Pflichtteil geltend gemacht hatte und in dem Testament des Erblassers inhaltlich auf eine Pflichtteilsstrafklausel aus einem mit der Mutter (Ehefrau des Erblassers) geschlossenen Erbvertrag Bezug genommen wird.
2. Die Einsetzung der Lebensgefährtin als Ersatzerbin stellt ohne Hinzutreten weiterer in der testamentarischen Verfügung angedeuteter Umstände keinen ausreichenden Anhalt dafür dar, dass bei einem Vorversterben der Lebensgefährtin deren noch lebende Abkömmlinge zur Ersatz-Ersatzerben berufen sind; die Regelung des § 2069 BGB ist auf solche Fälle jedenfalls nicht (entsprechend) anwendbar.
OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 17.05.2024 – 13 U 118/10
Schenkungswiderruf der Eltern wegen groben Undanks des Sohnes
1. Der Umstand, dass der Beklagte das Hofgrundstück erhielt, auf dem die Kläger weiterhin ein Wohnungsrecht hatten, begründete ein Näheverhältnis und die Notwendigkeit zu einem gedeihlichen Zusammenleben. Vor diesem Hintergrund unterlagen beide Seiten in gewissem Umfang einer Pflicht zur Rücksichtnahme, die sowohl für die Prüfung einer objektiven Verfehlung als auch der subjektiven Gesinnung relevant ist. Dies schließt nicht aus, dass Verfehlungen des Beklagten, die die gebotene Rücksichtnahme in besonderem Maße vermissen lassen, als Ausdruck groben Undanks eingestuft werden. Dies erfordert aber eine Abwägung, die diesem Aspekt in besonderem Maße Rechnung trägt. Diese Abwägung wird im wieder eröffneten Berufungsrechtszug nachzuholen sein.
2. Das Gericht hat sich ferner nicht mit der Frage befasst, ob ein objektiv unangemessenes Verhalten auch dann als Ausdruck einer subjektiv undankbaren Haltung angesehen werden kann, wenn es sich als spontane, im Wesentlichen affektgesteuerte Reaktion in einer eskalierenden Auseinandersetzung darstellt, bei der der Schenker in vergleichbarer Weise zur Eskalation beigetragen hat.
Quelle: Beck-Verlag / BeckRS 2024, 18548
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 24.04.2024, 8 W 60/23
Post-mortem-Feststellung der Testierunfähigkeit
1. Da nach der Konzeption des § 2229 BGB eine Störung der Geistestätigkeit als Ausnahme anzusehen ist, gilt jedermann, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, solange als testierfähig, bis das Gegenteil zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen ist. Auch nach den erforderlichen Ermittlungen zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen – insbesondere durch eine etwa gebotene Einholung eines Sachverständigengutachtens – verbleibende Zweifel gehen daher zu Lasten desjenigen, der sich im gerichtlichen Verfahren auf die Testierunfähigkeit des Erblassers beruft.
2. Beruht die post-mortem gezogene Schlussfolgerung einer Testierunfähigkeit auf einem zeitnah vor der Testierung angenommenen pathologischen Zustand (hier: Delir), können – von sachverständiger Seite nicht auszuräumende – Unsicherheiten bzgl. der zur Diagnose leitenden Umstände dazu führen, dass die notwendige volle Überzeugung des Gerichts vom Bestehen einer Testierunfähigkeit nicht gewonnen werden kann.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.03.2024, 3 W 28/24
Testierfähigkeit bei Depressionen und Alkoholmissbrauch?
Eine Testierfähigkeit kann auch dann gegeben sein, wenn erhebliche Erkrankungen zwar vorliegen, diese aber keinen Einfluss auf die freie Willensbildung im Rahmen des § 2229 Abs. 4 BGB haben.
Quelle: Beck-Verlag / NJW-RR 2024, 327
OLG Celle, Beschluss vom 14.03.2024, 6 W 106/23
Ehegatten können ein gemeinschaftliches Testament nur dann wirksam errichten, wenn beide zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig sind.
1. Ein wirksames gemeinschaftliches Testament gemäß §§ 2265, 2267 S. 1 BGB liegt nicht vor, wenn einer der Ehegatten bei Testamentserrichtung testierunfähig war.
2. Eine Umdeutung (§ 140 BGB) des unwirksamen gemeinschaftlichen Testaments in ein Einzeltestament des Erblassers kommt nicht in Betracht, weil der Erblasser die getroffenen Anordnungen nicht eigenhändig geschrieben, sondern den von der anderen Beteiligten geschriebenen Text nur unterschrieben hat. Die Umdeutung als Einzeltestament kommt hier nur für den Teil in Betracht, der die Verfügung eigenhändig niedergelegt hat und somit die in § 2247 BGB genannten Voraussetzungen erfüllt.
Quelle: Beck-Verlag / Beck-Online / FD-ErbR 2024, 007121
OLG FFM., Beschluss vom 21.12.2023 – 21 W 91/23
Keine Nichtigkeit eines Testaments zugunsten eines behandelnden Arztes
1. Ein Verstoß gegen § 32 BO-Ä führt nicht zur Nichtigkeit eines Testaments zugunsten des behandelnden Arztes.
2. Zwar stellen die Regelungen in den §§ 30 ff. der Berufsordnungen der Ärztekammern Verbotsgesetze i.S.d. § 134 BGB dar. Ein Verstoß des Arztes führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit einer offenen Testierung eines Dritten, da dies eine unverhältnismäßige Einschränkung einer Testierfreiheit begründen würde.
Quelle → zum VOLLTEXT geht es HIER lang
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.12.2023 – 3 Wx 189/23
Aufhebung eines Testaments durch ein widersprüchliches neues Testament möglich?
1. Ein Widerspruch iSv § 2258 Abs. 1 BGB liegt auch dann vor, wenn der Erblasser mit dem späteren Testament seine Erbfolge insgesamt, d.h. abschließend und umfassend, neu geregelt hat.
2. Im Erbscheinerteilungsverfahren gehen verbleibende Zweifel zu Lasten desjenigen, der einen Widerspruch zwischen dem früheren und einem späteren Testament geltend macht.
3. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein späteres Testament die Erbfolge vollständig und abschließend neu regelt, sind alle Umstände des Falles zu berücksichtigen, die Aufschluss über den Testierwillen des Erblassers geben können. Neben dem Wort der zur Beurteilung stehenden testamentarischen Verfügung ist auch der Inhalt früherer Testamente sowie eine dort erkennbare Übung des Erblassers, vollständige Testamente zu errichten, die allenfalls durch Streichungen oder Ergänzungen geändert werden, zu berücksichtigen.
Quelle: Beck-Verlag / BeckRS 2023, 37532
OLG Oldenburg, Beschluss vom 20.12.2023 – 3 W 96/23
Brauerei-Notizzettel mit den Worten “kriegt alles” ist auch ein Testament
1. Der Testierwille grenzt das Testament von Entwürfen, der bloßen Ankündigung der Errichtung eines Testaments oder sonstigen Schriftstücken, die keine letztwillige Verfügung darstellen sollen, ab. Demnach muss außer Zweifel stehen, dass der Erblasser die von ihm erstellte Urkunde als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat oder zumindest das Bewusstsein hatte, die Urkunde könne als Testament angesehen werden.
2. Alleine der Umstand, dass das formgültige Schriftstück sich auf einer ungewöhnlichen Unterlage befindet, lässt nicht den zwingenden Schluss zu, dass es sich bei dem Schriftstück nur um einen Entwurf handelt oder keine verbindliche letztwillige Verfügung darstellt.
3. Ein Notizzettel einer Brauerei, auf dem üblicherweise Bestellungen in der Gastronomie notiert werden, mit dem Satz vom Erblasser eigenhändig ge- und unterschriebenen Satz „… kriegt alles“ ist demnach ein wirksames Testament zugunsten der Lebensgefährtin.
Quelle: BeckRS 2023, 40251
BGH, Versäumnisurteil vom 28.11.2023, X ZR 11/21
Auflage zur Abgabe eines Schenkungsversprechens
a) Eine Auflage, die den Beschenkten verpflichtet, den geschenkten Gegenstand spätestens mit seinem Ableben unentgeltlich auf einen Dritten zu übertragen, fällt nicht ohne weiteres unter den Tatbestand des § 2302 BGB.
Hinweis / Ergänzung von uns = § 2302 BGB:
Ein Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder nicht zu errichten, aufzuheben oder nicht aufzuheben, ist nichtig.
b) Eine Auflage, die den Beschenkten verpflichtet, zugunsten eines Dritten ein Schenkungsversprechen abzugeben, das unter der Bedingung steht, dass der Dritte den Beschenkten überlebt, ist nach § 2302 BGB nichtig.
c) Wirksam ist eine Auflage, wenn die Parteien des Schenkungsvertrags bereits einen – wenn auch bedingten – Anspruch des Dritten auf Übereignung des geschenkten Gegenstands begründen.
OLG München, Beschluss vom 27.11.2023 – 34 Wx 203/23e
Unwirksamkeit von Verfügungen des Testamentsvollstreckers vor Annahme seines Amtes
Die vor Annahme des Amtes des Testamentsvollstreckers getroffene Verfügung ist unwirksam.
Sie bedarf zur Erlangung der Wirksamkeit der Genehmigung des Verfügungsbefugten und wird nicht allein dadurch wirksam, dass der Verfügende später das Amt des Testamentsvollstreckers annimmt.
Bei einem mehraktigen Verfügungstatbestand muss der Verfügende grundsätzlich im Zeitpunkt des letzten Teilakts noch verfügungsbefugt sein.
OLG Frankfurt, Beschluss vom 23.10.23, 21 W 69/23
Umfang der Freistellung von der Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments
1. Einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament mit wechselbezüglicher Schlusserbeneinsetzung der Abkömmlinge kann ohne weitere Anhaltspunkte regelmäßig nicht allein im Wege der ergänzenden Auslegung entnommen werden, dass dem überlebenden Ehegatten trotz grundsätzlich bindend gewordener Einsetzung des Abkömmlings als Vollerbe die zur Einrichtung eines sogenannten Behindertentestaments erforderlichen Eingriffe (Bestellung eines Testamentsvollstreckers und Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft) in die Rechtsstellung des Schlusserben gestattet sein sollen.
2. Zur Auslegung der Klausel eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments, wonach Teile des Immobilienvermögens eines der Ehegatten nicht von dem Testament umfasst sein sollen
Quelle → zum VOLLTEXT geht es HIER lang
BFH, Urteil vom 11. Oktober 2023, II R 34/20
Jastrowsche Klausel im Berliner Testament – Besteuerung eines betagten Vermächtnisses
1. Setzen Ehegatten in einem sogenannten Berliner Testament sich gegenseitig als Alleinerben ein und gewähren denjenigen Kindern ein betagtes Vermächtnis, die beim Tod des Erstversterbenden ihren Pflichtteil nicht fordern (sogenannte Jastrowsche Klausel), kann der überlebende Ehegatte als Erbe des erstversterbenden Ehegatten die Vermächtnisverbindlichkeit nicht als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen, da das Vermächtnis noch nicht fällig ist.
2. Das Kind hat den Erwerb des betagten Vermächtnisses bei dem Tod des überlebenden Ehegatten als von diesem stammend zu versteuern. Ist es zugleich Erbe des zuletzt verstorbenen Ehegatten, kann es das Vermächtnis als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen.
BGH, Beschluss vom 28.09.2023, IX ZA 14/23
InsO: Schuldner als Miterbe
InsO § 84 Abs. 1 Satz 1
Ist der Schuldner Miterbe in einer nicht auseinandergesetzten Erbengemeinschaft, erfolgt die Auseinandersetzung außerhalb des Insolvenzverfahrens nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
InsO § 83 Abs. 1 Satz 1 ; BGB §§ 1956 , 1954 Abs. 1
Ist dem Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Erbschaft angefallen oder geschieht dies während des Verfahrens, so steht neben der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft auch die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist nur dem Schuldner zu.
OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 19.9.2023 – 21 W 63/23
Rücknahme eines kombinierten Ehe- und Erbvertrags aus der amtlichen Verwahrung; Vertretungsbefugnis für Rückgabeverlangen
1. Das der Rückgabe der letztwilligen Verfügung aus der amtlichen Verwahrung vorangehende Herausgabeverlangen kann durch einen Bevollmächtigten gestellt werden.
2. Ein kombinierter Ehe- und Erbvertrag kann auch dann nicht aus der amtlichen Verwahrung zurückgenommen werden, wenn dieser aufgehoben wurde.
Quelle → DIREKTLINK zum VOLLTEXT hier
OLG Hamm, Beschluss vom 19.07.2023, 10 U 58/21
Eine testamentarische Verfügung mit der Bedingung, dass die Tochter das Wohnhaus nur dann erbt, wenn deren Lebensgefährte das Haus nicht mehr betritt, ist nichtig. Ein solches Hausverbot ist sittenwidrig.
Zu den Hintergründen siehe:
Pressemitteilung des OLG Hamm vom 19.07.2023
Kammergericht Berlin, Beschluss vom 27.06.23, 1 W 2/23
Erbfolgenachweis gegenüber Grundbuchamt
Der Nachweis der Erbfolge kann gegenüber dem Grundbuchamt mit der beglaubigten Abschrift eines Europäischen Nachlasszeugnisses geführt werden. Die formellen Voraussetzungen an eine solche beglaubigte Abschrift folgen aus dem Unionsrecht. Das nationale (Grundbuch-)Recht gebietet keine strengeren Anforderungen.
BGH, Beschluss vom 17.05.2023 – IV ZR 344/22
Geltendmachung einer Versicherungsleistung durch gesetzlichen Erben nach § 160 Abs. 4 VVG
Ein Beitragserhöhungsschreiben, das neben den maßgeblichen Rechnungsgrundlagen im Sinn des § 203 Abs. 2 S. 3 VVG die konkrete Tarifbezogenheit herstellt und die Relevanz eines vorgegebenen Schwellenwerts aufzeigt, genügt den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG.
Die Frage, ob dem Treuhänder die erforderlichen Unterlagen vollständig vorgelegt worden sind, und die Folgefrage, ob der Treuhänder auf der Grundlage der – vollständig oder nicht – vorgelegten Unterlagen seine tatsächlich erteilte Zustimmung hätte erteilen dürfen, betrifft die Frage der Wirksamkeit der Beitragsanpassung nicht, sondern ist Teil der aufsichtsrechtlichen Aufgaben des Treuhänders.
BGH, Beschluss vom 26.04.2023, IV ZB 11/22
Bindungswirkung eines Urteils über Erbunwürdigkeit
Ein die Erbunwürdigkeit aussprechendes Urteil gemäß §§ 2342 , 2344 BGB hat auch dann Bindungswirkung für ein Erbscheinsverfahren, wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt.
BGH, Beschluss vom 22.03.2023, IV ZB 12/22
Irrtum bei Erbausschlagung
Irrt sich der eine Erbschaft Ausschlagende bei Abgabe seiner Erklärung über die an seiner Stelle in die Erbfolge eintretende Person, ist dies nur ein Irrtum über eine mittelbare Rechtsfolge der Ausschlagungserklärung aufgrund anderer rechtlicher Vorschriften. Ein solcher Motivirrtum berechtigt nicht zur Anfechtung gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB.
BGH, Beschluss vom 08.02.2023, IV ZB 16/22
Amtsermittlung beim Erbscheinsantrag
Ein Erbscheinsantrag ist nicht unzulässig, wenn der Antragsteller vom Gesetz geforderte Beweismittel ohne Verschulden nicht angibt. Stattdessen setzt die Pflicht des Nachlassgerichts zur Amtsermittlung gemäß § 2358 BGB a.F., § 26 FamFG ein.
AG Köln, Urteil vom 09.01.2023, 203 C 144/22
Erbauseinandersetzung, Kauf bricht nicht Miete, Übergang von Nutzungen und Lasten, Besitzübergang, Ermächtigung zur Kündigung
§566 BGB findet auf die Erbauseinandersetzung weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung.
Eine Vereinbarung zum Übergang von Lasten und Nutzungen enthält keine Ermächtigung des Erwerbers zur Ausübung von Gestaltungsrechten (hier: dem Ausspruch der Kündigung).
OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 09.12.2022, 15 U 293/20
Verjährung und Verjährungsbeginn des Vermächtnisanspruchs bei unklarer Testamentsauslegung
Mit Kenntnis eines (wenn auch auslegungsbedürftigen) Testaments beginnt die Verjährung eines Vermächtnisanspruchs. Dabei ist unbeachtlich, wenn sich der Vermächtnisnehmer zunächst irrig für einen (Mit-)Erben hält und daher irrig (und fälschlich) einen Erbscheinsantrag stellt.
BGH, Urteil vom 30.11.2022, IV ZR 60/22
Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten nach Ausschlagung seines Erbteils
Einem Pflichtteilsberechtigten steht auch nach Ausschlagung seines Erbteils gemäß § 2306 Abs. 1 BGB ein Auskunftsanspruch gemäß § 2314 Abs. 1 BGB zu.
OLG Koblenz, Beschluss vom 01.03.2022, 15 U 1409/21
Interessenwiderstreit / Interessenkollision?
Es besteht kein Interessenwiderstreit im Sinne des § 43a Abs. 4 BRAO, wenn ein Rechtsanwalt für den Pflichtteilsberechtigten und den Alleinerben die in ihrem Miteigentum stehenden Immobilien veräußert und deren gemeinsame Verbindlichkeiten sowie den Nachlass(bestand) klärt, da insoweit die Interessen beider Auftraggeber (Mandanten) gleichgerichtet sind. Die nur bloße Möglichkeit eines späteren Interessenkonflikts steht dieser gemeinsamen Vertretung auch nicht entgegen.
AG Hameln, Beschluss vom 24.02.2022, 18 VI 135/21
Erbschein; fehlendes Testament; testamentarischer Erbschein ohne Testament; eigenhändiges Testament; Widerruf eines Testaments
Für die Ausstellung eines Erbscheins nach testamentarischer Erbfolge ist es nicht erforderlich, dass das Testament als körperliche Urkunde vorliegt.
Ausreichend ist, dass das Nachlassgericht zur sicheren Überzeugung gelangt, dass der Erblasser ein formgültiges Testament erstellt hat.
Der Vortrag, dass ein formwirksames Testament wirksam vom Erblasser widerrufen wurde, muss als rechtsvernichtende Tatsache von dem bewiesen werden, der sich auf die Unwirksamkeit des Testaments beruft.
BGH, Beschluss vom 12. Juli 2017 – IV ZB 15/16
Zur ergänzenden Testamentsauslegung
Wenn der Erblasser durch letztwillige Zuwendung einer Sachgesamtheit den Nachlass erschöpfen und gleichzeitig einen Bedachten zum Alleinerben einsetzen wollte, ist im Einzelfall zu prüfen, ob die durch Auslegung ermittelte Erbeinsetzung nach dem Regelungsplan des Erblassers auch einen nachfolgenden, unvorhergesehenen Vermögenserwerb erfassen sollte.