→ → → → → → →
“Verkehr” mal anders…
OLG Hamm vom 15.09.2016 / 4 RVs 107/16:
Ein über eine schmale Zufahrt erreichbarer Parkplatz für ein versteckt liegendes, als solches nicht beworbenes Bordell muss kein öffentlicher Verkehrsraum sein. Das Amtsgericht hatte einen Betroffenen, der auf einem solchen Bordellparkplatz mit seinem Pkw bei einer Blutalkoholkonzentration von über zwei Promille gefahren war, in erster Instanz wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt.
Beispiele aus der Rechtsprechung, die einen öffentlichen Verkehrsraum annehmen:
- privater Forstweg, der auch von Holzkäufern genutzt wird
- allgemein zugängliche Warenhausparkplätze
- Wege auf einem Fabrikgelände, die jedermann offenstehen
- ein größeres, mit Verkehrszeichen versehenes Klinikgelände (auch trotz Umzäunung und Einfahrtschranke)
- Zufahrten zu Tankstellen (außer bei Betriebsruhe)
- Firmenparkplätze, soweit sie jedermann offenstehen
- Bahnhofsvorplätze
- Parkplatz einer Gastwirtschaft, auch wenn beliebigen Gästen vorbehalten
- Verladerampe für Luftfracht auf einem eingezäunten Flughafen
- ein nur Fussgängern und Radfahrern freigegebener Waldweg
- eine zu mehreren Wohnhäusern führende private, aber nicht besonders gekennzeichnete, gemeinsame Zufahrt
Interessant und vielleicht ein wenig überraschend ist dann noch diese Entscheidung:
LG Arnsberg, Beschluss 05.02.2016 – 2 Qs 5/16
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Verkehrsraum öffentlich, wenn er entweder für jedermann ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmbare größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen und auch so benutzt wird (OLG Hamm, Beschluss vom 04.03.2008, 2 Ss 33/08, NZV 2008, 257; OLG Köln, Beschluss vom 06.06.2000, Ss 227/00). Umfasst werden zwar demnach nicht nur Verkehrsflächen, die nach dem Wegerecht des Bundes und der Länder dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmet sind, sondern auch solche, deren Benutzung durch eine nach allgemeinen Merkmalen bestimmte größere Personengruppe ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund oder auf eine verwaltungsrechtliche Widmung durch den Berechtigten ausdrücklich oder faktisch zugelassen wird. Die Frage der Eigentumsverhältnisse ist ohne Belang. Der Umstand, dass auch andere Personen – widerrechtlich, weil ohne Gestattung – die Fläche tatsächlich anfahren und benutzen können, reicht nicht aus (OLG Köln, a.a.O. m.w.N.). Bei der Prüfung der Frage, ob eine Duldung der Benutzung durch einen darüber hinausgehenden Personenkreis vorliegt, ist nicht auf den inneren Willen des Verfügungsberechtigten, sondern auf die für etwaige Benutzer erkennbaren äußeren Gegebenheiten abzustellen (BGH, Urteil vom 04.03. 2004, 4 StR 337/03, BGHSt 49, 28-130). Dabei rechtfertigt das Fehlen einer Absperrung allein noch nicht die Annahme, dass die Benutzung von Flächen, die ersichtlich Wohngebäuden zugeordnet sind, nach dem Willen des Berechtigten nicht auf die zum Kreis der Hausbewohner gehörenden Personen beschränkt sein, sondern darüber hinaus der Allgemeinheit offen stehen soll (OLG Köln, a.a.O.). Die Benutzung eines Hofgrundstücks durch die Hausbewohner und ihre Besucher zu Parkzwecken reicht nicht für die Annahme, dass auf dem Grundstück öffentlicher Verkehr im Sinne des Straßenverkehrsrechts stattfindet (BGH, Beschluss vom 12.05.1998 – 4 StR 163/98, NZV 1998, 418).
Spannend kann es immer werden,
wenn es sich um Gelände handelt, die nur über Einlasskontrollen, Schranken, mit Passierscheinen usw. befahren werden können.
Wir erinnern uns an ein Verfahren, bei dem es um den Vorwurf eines Verstoßes gegen die 0,5-Promille-Grenze (bedroht mit einer Geldbuße von 500 EUR und einem Fahrverbot von 1 Monat) auf einem Schlachthofgelände ging. Auf dem Schlachthofgelände befand sich eine Verkaufsstätte (sozusagen für den Verkauf ab Werk), die nur an wenigen Stunden am Tag geöffnet war. Das Betriebsgelände konnte außerhalb der Öffnungszeiten der Verkaufsstätte nur durch Betriebsangehörige befahren werden. Der Betroffene war Betriebsangehöriger und hatte einen LKW auf diesem umgesetzt (war von einem Kollegen aber wohl “verpfiffen” worden). Da sich dieses allerdings zu einer Zeit zugetragen hatte, als die Verkaufsstätte noch nicht geöffnet hatte (und damit Betriebsfremde das Gelände auch nicht befahren konnten), wurde das Verfahren vom Amtsgericht auch (nach unserer Auffassung konsequenterweise) eingestellt.
In einer aktuellen Entscheidung (Beschluss vom 22.05.2017, 4 StR 165/17) hatte sich auch der BGH, hier im Zusammenhang mit dem Tatvorwurf des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer, noch einmal zum Begriff des “öffentlichen Verkehrsraums” – wie folgt – geäußert:
Die Ansicht der Revision, den Urteilsgründen sei nicht zu entnehmen, dass der Angriff des Angeklagten im Sinne des § 316a StGB auf den Nebenkläger im öffentlichen Verkehrsraum (hier: Parkplatz einer Sparkasse) erfolgt sei, geht fehl. Dieses Tatbestandsmerkmal ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch dann erfüllt, wenn die betreffende Verkehrsfläche ungeachtet der Eigentumsverhältnisse und ohne Rücksicht auf eine Widmung entweder ausdrücklich oder mit still-schweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch tatsächlich genutzt wird (…). Entgegenstehende äußere Umstände, etwa in Form von Zugangssperren, mit denen der Verfügungsberechtigte unmissverständlich erkennbar gemacht hat, dass ein öffentlicher Verkehr nicht (mehr) geduldet wird, hat das Landgericht nicht festgestellt. Der Parkplatz war für das vom Nebenkläger geführte Fahrzeug vielmehr ohne Schwierigkeiten erreichbar.