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Nachdem mittlerweile hunderte Urteile hierzu ergangen sind und auch alle OLG Entscheidungen getroffen haben, wollen wir uns darauf reduzieren, unter diesem Beitrag die markantesten (und ausgewählte) Entscheidungen zusammenzufassen.
Gern geben wir Ihnen eine Einschätzung der jeweiligen Situation im Einzelfall und unter Berücksichtigung der sich entwickelnden Rechtsprechung, wenn Sie uns hierauf ansprechen.
Herauskristallisiert haben sich im Prinzip 4 “Gruppen” von immer wiederkehrenden Formulierungen, die wie folgt zusammengefasst werden können:
(1) Tabellarische Bezeichnung von Krankheiten und Krankheitserregern, vorangestellt ist in der Klausel das Wörtchen “nur”
(2) Tabellarische Bezeichnung von Krankheiten und Krankheitserregern, vorangestellt ist in der Klausel das Wörtchen “namentlich”
(3) Tabellarische Bezeichnung von Krankheiten und Krankheitserregern (ohne “nur” / ohne “namentlich”) mit dem Verweis auf die §§ 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes
(4) Keine Bezeichnung von Krankheiten und Krankheitserregern und nur Verweis auf das Infektionsschutzgesetz, dort die §§ 6 und 7 (es handelt sich allerdings um eine eher sehr selten verwendete Klausel)
Mittlerweile gibt es aber auch schon Verfahren, die die 2. “Corona-Welle” betreffen.
Und neben der grundsätzlichen Frage, ob COVID-19 / CORONA überhaupt in den Versicherungsschutz fallen kann, sind es unzählige weitere tatsächliche und rechtliche Fragestellungen, die aber eben den jeweiligen Einzelfall betreffen.
Wichtig ist aber auch, dass der BGH – beginnend ab Ende Januar 2022 – zu diesem Themenkreis mittlerweile einige Entscheidungen getroffen hat und auch noch treffen wird. Der BGH wird sich zu zahlreichen Konstellationen äußern (dürfen und müssen). In dem Zusammenhang könnte auch Bedeutung gewinnen, dass die(selben) Versicherungsbedingungen Leistungen für die erste “Schließung” nicht gewähren, aber (wegen z.B. des geänderten IfSG) für die zweite “Schließung” wiederum schon. Wir berichten natürlich auch hierzu (immer) weiter!
Los geht es mit dem BGH…
BGH, Urteil vom 26. Januar 2022 – IV ZR 144/21
Einem Versicherungsnehmer stehen auf der Grundlage
der hier vereinbarten Versicherungsbedingungen
keine Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung wegen einer im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie erfolgten Schließung der von ihm betriebenen Gaststätte in Schleswig-Holstein zu.
Quelle → Pressemitteilung des BGH Nr. 012/2022 vom 26.01.2022
Anmerkung →
Nun werden wir (alle) die Entscheidungsgründe abwarten und es wird dann zu prüfen sein, wie die Entscheidung ggfls. auf andere Versicherungsbedingungen zu übertragen ist.
BGH, Urteil vom 18. Januar 2023 – IV ZR 465/21
Unterschied zwischen “erstem Lockdown” und “zweitem Lockdown” bei denselben Versicherungsbedingungen – Leistungsanspruch für “zweiten Lockdown” bejaht
Einer Versicherungsnehmerin stehen auf der Grundlage
der hier vereinbarten Versicherungsbedingungen
Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung wegen der teilweisen Einstellung ihres Hotelbetriebs in Niedersachsen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie während des sogenannten “zweiten Lockdowns” zu, hingegen der Versicherer nicht verpflichtet ist, eine Entschädigung aus Anlass der Betriebsschließung während des sogenannten “ersten Lockdowns” zu zahlen.
Und hier dann noch zur bisherigen “Geschichte” der Gerichtsentscheidungen bis zum Urteil des BGH vom 26.01.2022 und los geht es mit dem bunten Reigen, wobei wir hier aufgrund der regelrechten Entscheidungsflut nur weniger ausgesuchte Entscheidungen darstellen wollen:
OLG Koblenz, Urteil vom 03.03.2023, 8 U 808/22
Keine Eintrittspflicht aus nur als “erste Übersicht” gedachtem Produktinformationsblatt
OLG Zweibrücken, Beschl. vom 16.03.2022, 1 U 152/21
Mitteilung über „Coronavirus als meldepflichtige Krankheit“ begründet keinen Anspruch
1. Grundsätzlich ist bei einer abschließenden Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger das SARS-CoV-2 nicht vom Versicherungsschutz der Betriebsschließungsversicherung umfasst, wenn es gerade nicht mit aufgezählt wird. Anderes gilt nur dann, wenn sich die Vertragsparteien im Einzelfall über ein abweichendes Verständnis des Sinngehalts der Regelung geeinigt haben. Dazu ist jedoch zwingend eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien erforderlich.
2. Eine „Zusicherungsmail“ erfüllt diese Anforderungen nicht, wenn der Verfasser lediglich seine derzeitige Rechtsansicht zur Beantwortung einer Frage zur Vertragsauslegung äußert, ohne damit darüber hinausgehende Rechte bzw. Ansprüche begründen zu wollen.
3. Der Versicherer verhält sich deswegen auch nicht treuwidrig gem. § 242 BGB, wenn er seine Rechtsauffassung ändert.
Aus den Gründen:
Der Verfasser des Schreibens hat lediglich in Beantwortung einer Frage zur Vertragsauslegung seine derzeitige (im Ergebnis falsche) Rechtsansicht geäußert, ohne damit über den in Bezug genommenen Vertrag hinausgehend neue Rechte bzw. Ansprüche begründen zu wollen.
Die Bekl. muss sich insoweit auch nicht den Einwand rechtsmissbräuchlichen bzw. widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) entgegenhalten lassen. Nicht jeder Widerspruch zwischen zwei Verhaltensweisen ist sogleich als unzulässige Rechtsausübung zu bewerten. Grundsätzlich ist die Änderung einer Rechtsansicht, insbesondere während eines sich noch in der Entwicklung befindlichen tatsächlichen Geschehens oder während eines Rechtsstreits, nicht per se treuwidrig. Erst wenn hinsichtlich einer zuvor vertretenen Rechtsauffassung für den anderen Teil ein besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen wurde oder andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen, kann etwas anderes gelten. Auf einen solchen Vertrauenstatbestand kann sich die Kl. im Streitfall aber nicht berufen, da dies voraussetzte, dass die Bekl. bereits bei Vertragsschluss oder zumindest bei der letzten Vertragsänderung die Rechtsauffassung vertreten hätte, dass die Krankheit COVID-19 und/oder der Erreger SARS-CoV-2 vom Versicherungsschutz umfasst seien, was schon deshalb ausgeschlossen ist, weil diese Erkrankung beim Vertragsabschluss (nach Aktenlage vor 2014) noch nicht bekannt war, sondern erstmals Ende des Jahres 2019 aufgetreten ist.
Einen irgendwie gearteten Vertrauenstatbestand im Hinblick auf diese neuartige Erkrankung konnte die Bekl. beim Abschluss des Vertrags nicht schaffen (vgl. OLG Oldenburg v. 15.11.2021 – 1 U 118/21, VersR 2022, 166 = juris). Das Schreiben vom 10.2.2020 selbst kann einen das weitere Handeln der Kl. beeinflussenden Vertrauenstatbestand nicht begründen, denn dass sie zu diesem Zeitpunkt einen anderen Versicherer gefunden hätte, der das sich ankündigende besondere Risiko von Betriebsschließungen wegen der Corona-Pandemie noch versichert hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, vielmehr fernliegend. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich auch die Bekl. als Versicherer zu Beginn des Jahres 2020 mit der neuen Situation durch das pandemisch auftretende Virus plötzlich konfrontiert sah und möglicherweise die damit verbundenen Rechtsfragen in sämtlichen bei ihr begründeten Rechtsbeziehungen nicht zu überschauen vermochte. Eine in dieser Konstellation auf Anfrage abgegebene fehlerhafte Rechtsauskunft ist nicht als treuwidrig anzusehen; das Anstandsgefühl der beteiligten Verkehrskreise wird mit der späteren Versagung von Versicherungsschutz mitnichten verletzt.
Quelle: VersR 2022, 627
LG München I, Urteil vom 04.03.2022 – 12 O 3608/21
Keine Deckung in der Betriebsschließungsversicherung wegen erneuter Corona-Schließung bei mehrfacher Anordnung
Quelle → VOLLTEXT / LG München I / 04.03.2022 / 12 O 3608/21
OLG Rostock, Urteile vom 14.12.2021, 4 U 37/21 / 4 U 15/21
Der Versicherungsfall einer Betriebsschließungsversicherung – die auf das
Infektionsschutzgesetz Bezug nimmt – tritt nur für die dort abschließend
aufgeführten Krankheiten und Krankheitserreger ein.
Ansprüche auf Schadensersatz für den Zeitraum vor Aufnahme von COVID-19 bzw. SARS-CoV-2 in das Infektionsschutzgesetz bestehen in diesen Fällen
nicht.
Sind die maßgeblichen Krankheiten darüberhinausgehend einschränkend
gegenüber dem Infektionsschutzgesetz direkt in den
Versicherungsbedingungen aufgezählt, ist auch diese Aufzählung
abschließend gemeint.
Quelle → PRESSEMITTEILUNG OLG ROSTOCK vom 14.12.2021
OLG Celle, Urteil vom 18.11.2021, 8 U 123/21
Versicherungsschutz (hier) aber für den 2. Lockdown
1. Wird in den Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungsversicherung Versicherungsschutz für die Betriebsschließung aufgrund meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne des IfSG gewährt und heißt es im Anschluss,
„Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger…”
dann unterfallen wegen der Corona-Pandemie behördlich angeordnete Betriebsschließungen in der Zeit nach dem 1. November 2020 (sog. 2. Lockdown) grundsätzlich dem Versicherungsschutz.
2. Eine behördlich angeordnete Betriebsschließung liegt auch dann vor, wenn die Anordnung im Wege einer Rechtsverordnung durch ein Landesministerium erlassen wurde.
3. Der Eintritt des Versicherungsfalls setzt nicht voraus, dass die behördlich angeordnete Betriebsschließung rechtmäßig war.
4. Der Eintritt des Versicherungsfalls setzt eine Betriebsschließung aufgrund einer sog. intrinsischen Gefahr nicht voraus.
5. Die behördlich angeordnete Schließung nur eines Teilbetriebs (hier: Übernachtung zu touristischen Zwecken) unterfällt jedenfalls dann dem Versicherungsschutz, wenn die Versicherungsbedingungen einen Versicherungsschutz auch für Teilschließungen vorsehen.
Quelle → VOLLTEXT / OLG CELLE / Urteil vom 18.11.2021 / 8 U 123/21
OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.6.2021, 12 U 4/21
Betriebsschließungsversicherung bei Schließung in Folge der Corona-Pandemie (ist – hier – zur Leistung verpflichtet)
Nehmen Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungs-versicherung mehrfach auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) Bezug und bestimmen diese eine Entschädigungspflicht für eine Betriebsschließung „beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)“, wobei der in dieser Nr. 2 enthaltene und abschließend zu verstehende Katalog mit den
„folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger[n]“,
gegenüber dem Katalog in § 6 und § 7 IfSG eingeschränkt ist, so ist die den abschließenden Katalog enthaltende Klausel wegen Verstoß gegen das Transparenzgebot in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.
Aufgrund der Unwirksamkeit der Klausel besteht Versicherungsschutz für eine bedingungsgemäße Betriebsschließung auch aufgrund des Auftretens von Krankheiten und Krankheitserregern, die von den Generalklauseln in § 6 und § 7 IfSG erfasst werden. Diese Generalklauseln schließen die Krankheit COVID-19 bzw. den Krankheitserreger SARS-CoV-2 mit ein.
Ob eine Betriebsschließung im Sinne der Versicherungsbedingungen vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Allein der Umstand, dass weiterhin in geringem Umfang eine geschäftliche Tätigkeit möglich war, schließt die Annahme eines Versicherungsfalles nicht aus, wenn sich die behördliche Anordnung im konkreten Fall faktisch wie eine Betriebsschließung ausgewirkt hat.
Quelle → VOLLTEXT OLG Karlsruhe / 12 U 4/21
⇒ und das OLG Karlsruhe dann zum Zweiten
OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.10.2021 – 12 U 107/21
Betriebsschließungsversicherung bei Schließung in Folge der Corona-Pandemie (ist – hier – zur Leistung verpflichtet)
1. Nehmen Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungsversicherung mehrfach auf das Infektionsschutzgesetz (IfSG) Bezug und bestimmen diese eine Entschädigungspflicht für eine Betriebsschließung „beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)“, wobei der in dieser Nr. 2 enthaltene Katalog abschließend zu verstehen ist, so ist die den abschließenden Katalog enthaltende Klausel wegen Verstoß gegen das Transparenzgebot in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam (im Anschluss an Senat, Urteil vom 30.06.2021 – 12 U 4/21).
2. Dies gilt auch, wenn der Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern den Auflistungen in §§ 6, 7 IfSG zum Zeitpunkt des Standes der Versicherungsbedingungen entspricht, nach der Fassung der Vorschriften zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aber weitere, im Katalog nicht enthaltene Krankheiten und Krankheitserreger meldepflichtig waren. Unabhängig hiervon wird auch nicht deutlich, dass der Versicherungsschutz mit einem abschließenden Katalog maßgeblich von dem Verständnis meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger des Infektionsschutzgesetzes abweicht.
3. Aufgrund der Unwirksamkeit der Klausel besteht Versicherungsschutz für eine bedingungsgemäße Betriebsschließung auch aufgrund des Auftretens von Krankheiten und Krankheitserregern, die von den Generalklauseln in § 6 und § 7 IfSG erfasst werden. Diese Generalklauseln schließen die Krankheit COVID-19 bzw. den Krankheitserreger SARS-CoV-2 mit ein (im Anschluss an Senat, Urteil vom 30.06.2021 – 12 U 4/21).
4. Die Schließung von Gaststätten durch die Corona-Verordnung in Baden-Württemberg stellt eine zumindest faktische Betriebsschließung dar. Ein noch erlaubter Außer-Haus-Verkauf steht nicht entgegen, wenn dieser zuvor für die Gaststätte eine wirtschaftlich nur ganz untergeordnete Bedeutung hatte.
Quelle → VOLLTEXT / OLG Karlsruhe / 12 U 107/21
⇒ und das OLG Karlsruhe zu einer anderen “Klausel” wiederum ablehnend
OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.6.2021, 12 U 11/21
Betriebsschließungsversicherung bei Schließung in Folge der Corona-Pandemie (besteht hier nicht)
Enthalten Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungsversicherung die ausdrückliche Regelung, dass meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieses Vertrags
„nur“ die in einem nachfolgenden Katalog
– ohne Erwähnung des Infektionsschutzgesetzes –
aufgezählten sind,
wobei weder die Krankheit COVID-19 noch der Krankheitserreger SARS-CoV-2 enthalten ist,
so ist eine Betriebsschließung infolge des Auftretens dieser Krankheit bzw. dieses Erregers nicht vom Versicherungsschutz umfasst.
Die hierin liegende Risikobegrenzung ist wirksam. Sie ist weder mehrdeutig noch überraschend gemäß § 305 c BGB und begründet auch keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers im Sinne von § 307 BGB.
Quelle → VOLLTEXT OLG Karlsruhe / 12 U 11/21
OLG Dresden, Urteil vom 31.08.2021, 4 U 705/21
Besonderheit: Keine “Schließung des Betriebes” bei Außer-Haus-Verkauf (und Abgrenzung zu nur untergeordnete “Mitnahmegeschäften”)
1. Eine Klausel in den Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungsversicherung, die meldepflichtige Erkrankungen als
“die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger”
definiert und diese sodann im Einzelnen auflistet,
ist nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers als abschließend zu verstehen; eine Erstreckung auf Betriebsschließungen aufgrund von SARS-COV2/Covid-19 scheidet aus.
2. § 1a VVG hat nur deklaratorischen Charakter und kann Ansprüche des
Versicherungsnehmers auf einen bestimmten Versicherungsschutz nicht begründen.
3. Knüpfen die Versicherungsbedingungen an die “Schließung des Betriebes” an, ist grundsätzlich eine vollständige Einstellung der Geschäftsaktivitäten erforderlich. Ein fortgeführter oder neu aufgenommener Außer-Haus-Verkauf kann bei einer Gaststätte einer
Betriebsschließung entgegenstehen.
4. Ausgenommen sind untergeordnete Mitnahmegeschäfte, die nicht mehr als 5% des Gesamtumsatzes ausmachen.
Quelle → für VOLLTEXT dort das Aktenzeichen 4 U 705/21 eingeben
OLG Hamburg, Urteil vom 16.07.2021, 9 U 25/21
Generelle Betriebsschließungen durch Allgemeinverfügung wegen der Corona-Pandemie sind vom Versicherungsschutz nicht umfasst
Versicherungsschutz in der Betriebsschließungsversicherung gegen Schäden infolge Infektionsgefahr besteht nur, wenn die behördlich angeordnete Betriebsschließung wegen einer aus dem einzelnen Betrieb selbst hervorgehenden Infektionsgefahr (sogenannte «intrinsische Gefahr») erfolgt. Generelle Betriebsschließungen durch Allgemeinverfügung wegen der Corona-Pandemie sind daher vom Versicherungsschutz nicht umfasst.
Quelle: Beck-Verlag / BeckRS 2021, 21090 / FD-VersR 2021, 441180
OLG Celle, Urteil vom 08.07.2021 – 8 U 61/21
Versicherungsschutzes in einer Betriebsschließungsversicherung für von der behördlichen Schließungsanordnung ausdrücklich ausgenommenen Lieferservice
1. Der Versicherungsfall einer Betriebsschließung liegt für einen Partyservice nicht vor, wenn am Versicherungsort ausschließlich die Zubereitung von Speisen und kein Verzehr vor Ort erfolgt und die behördliche Schließungsanordnung den Außerhausverkauf sowie Lieferservice ausdrücklich von der Schließung ausnimmt.
2. Wird in den Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungsversicherung Versicherungsschutz für die Betriebsschließung aufgrund meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne des IfSG gewährt und heißt es im Anschluss,
“Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger…”,
dann ist die nachfolgende Aufzählung der dem Versicherungsschutz unterfallenden Krankheiten und Krankheitserreger abschließender Natur.
3. Eine solche Leistungsbeschreibung ist weder intransparent, noch benachteiligt sie den Versicherungsnehmer unangemessen.
Quelle → VOLLTEXT / Betriebsschließungsversicherung bei einem Partyservice
OLG Hamm, Beschluss vom 15.07.2020, 20 W 21/20
Verspricht eine Betriebsschließungsversicherung Deckungsschutz für
„nur die im Folgenden aufgeführten (vgl. §§ 6 und 7 IfSG)“ Krankheiten und Krankheitserreger,
wobei Covid-19 und Sars-Cov-2 (auch sinngemäß) nicht genannt sind,
besteht kein Versicherungsschutz bei Betriebsschließungen wegen des neuartigen Corona-Virus. Der Klammerzusatz („vgl. §§ 6 und 7 IfSG“) führt bei diesem Wortlaut nicht etwa zu einer Auslegung dahin, dass „dynamisch“ (auch) auf spätere Änderungen des Infektionsschutzgesetzes verwiesen werde.
Quelle: OLG Hamm, Beschluss vom 15.07.2020, 20 W 21/20
ebenso OLG Hamm, Urteil vom 14.07.2021, 20 U 26/21
LG Mannheim, Urteil vom 29.4.2020, 11 O 66/20
Die Kammer ist … der Ansicht, dass der Verfügungsklägerin aus den zwischen den Parteien bestehenden Betriebsunterbrechungs-versicherungen jeweils ein Anspruch auf die vereinbarte Versicherungsleistung zusteht. Es liegt eine bedingungsgemäß versicherte faktische Betriebsschließung vor.
Anmerkung: Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz / Antrag allerdings unbegründet, weil es an einer ausreichenden Glaubhaftmachung der Anspruchshöhe des Verfügungsanspruchs sowie an einem Verfügungsgrund mangelt
Quelle: LG Mannheim, Urteil vom 29.4.2020, 11 O 66/20
LG München I, Endurteil v. 01.10.2020 – 12 O 5895/20
Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung vor dem Hintergrund der Corona-Krise
Folgende Klausel war verfahrensgegenständlich:
… die folgenden der in §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten, beim Menschen übertragbaren Krankheiten und Erreger nach Fassung des Gesetzes vom 20.07.2000.
Aus den Gründen (Schlagworte):
Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch in Höhe der vereinbarten Tagesentschädigung für 30 Schließtage gemäß Teil B § 1 Ziffer 1 lit a) i.V.m. § 2 Ziffer 1 lit. a) der … der Beklagten zu.
Es handelte sich um eine Maßnahme zur Bekämpfung der Corona – Pandemie. Die Maßnahme wurde in der Allgemeinverfügung und den nachfolgenden Verordnungen des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege auf Vorschriften des IfSG gestützt, nämlich auf § 28 beziehungsweise § 32 IfSG i.V.m. der Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 30.01.2020, mit der die Meldepflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 Satz 1 des IfSG auf das neuartige Coronavirus ausgedehnt wurde (BAnz AT 31.01.2020 V1).
Nach dem Wortlaut der Bedingungen ist nicht erforderlich, dass der Betrieb selbst betroffen sein muss. Die Maßnahme muss lediglich aufgrund des IfSG erlassen worden sein.
Bei der Frage, ob ein Betrieb tatsächlich mindestens als faktisch geschlossen anzusehen ist, weil ein Weiterbetrieb unter den noch zulässigen Umständen unzumutbar ist (vgl. LG Mannheim, Urteil vom 29.04.2020, Az.: 11 O 66/20, Quelle: juris Rn. 36), wird man unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Belange der Beteiligten und des Grundsatzes von Treu und Glauben von Fall zu Fall entscheiden müssen: Ist ein Gastronomiebetrieb rein auf die Bewirtung von Gästen vor Ort ausgelegt und stellt ein möglicher Außerhausverkauf lediglich ein vollkommen untergeordnetes Mitnahmegeschäft dar, das unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf keinen Fall fortgeführt werden kann, läge nach § 242 BGB ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung vor, wenn die beklagte Versicherung sich darauf berufen würde, dass dieser Bereich des Geschäftsbetriebs trotz der Verordnungen fortzuführen gewesen wäre. Auf einen Außerhausverkauf, der insoweit keine unternehmerische Alternative darstellt, muss sich der Kläger dann nicht verweisen lassen (vgl. Rixecker in Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 2. Aufl. 2020, § 11 Rn. 67).
Eine Einschränkung des Versicherungsumfangs durch Teil B § 1 Ziffer 2 … und die dort aufgezählten Krankheiten und Krankheitserregern besteht nicht.
Dies ergibt sich bereits aus der vertraglichen Vereinbarung der Parteien. Außerdem verstößt die Klausel gegen das sich aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ergebende Transparenzgebot und ist deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Quelle (Volltext): LG München I – Urteil v. 01.10.2020 – 12 O 5895/20
LG München I, Urteil v. 22.10.2020 – 12 O 5868/20
Hier zur Klausel:
… Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne
dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in
den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und
Krankheitserreger …
Entscheidung:
Das LG München I erkennt den Anspruch “überwiegend” zu.
Kurz aus den Gründen:
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird dem Wortlaut der Bestimmung entnehmen, dass die Aufzählung die meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger nach dem IfSG wiedergibt. Einen Hinweis darauf, dass im IfSG etwas enthalten sein könnte, was in
dieser Liste nicht wiedergegeben ist, befindet sich weder an dieser, noch an anderer Stelle in den Bedingungen der Beklagten. Allein die Überschrift oder den Wortlaut „Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden […]“ muss der
Versicherungsnehmer nicht als Einschränkung des Versicherungsumfangs verstehen. Aufgrund der (werbenden) Länge der sich anschließenden Liste und der damit suggerierten Vollständigkeit ist es für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht naheliegend, dass die Klausel einen einschränkenden Versicherungsumfang formuliert und insoweit negative
Abweichungen gegenüber dem maßgeblich in Bezug genommenen IfSG bestehen.
Eine klare und deutliche Formulierung wie zum Beispiel „nur die folgenden“, „ausschließlich die folgenden“ oder „diese Auflistung ist abschließend“ enthält die Klausel nicht. Vielmehr kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer aufgrund des Wortlauts
und der Verweisung in § 1 Ziffer 1 erwarten, dass eine bloße Wiedergabe der gesetzlich erfassten Krankheiten und Krankheitserreger erfolgt. „Namentlich genannt“ wird der Versicherungsnehmer, welcher nicht über Spezialkenntnisse zum IfSG (§ 9 IfSG sowie §§ 6 Abs. 1 Nr. 5, 7 Abs. 2 IfSG) verfügt, dahingehend verstehen, dass es sich hierbei um die vom IfSG benannte Krankheiten und Krankheitserreger handelt.
Quelle (Volltext): LG München I – Urteil v. 22.10.2020 – 12 O 5868/20
LG Essen, Urteil vom 21.10.2020, 18 O 167/20
Keine Entschädigung wegen einer coronabedingten Betriebsschließung, da die in Frage stehende Klausel in den vereinbarten AVB:
Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die nachfolgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger: …
abschließend und wirksam sei.
LG Oldenburg, Urteil vom 14.10.2020 – 13 O 2068/20
Verspricht der Versicherer in der Betriebsschließungsversicherung Deckungsschutz für
die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger und
folgt darauf eine Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger, in der die Begriffe Corona, COVID 19 oder Sars-Cov2 nicht genannt sind, besteht kein Versicherungsschutz bei Betriebsschließungen aufgrund der Corona-Pandemie.Folgende Klausel stand hier zur Disposition:… Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger: …
Quelle: beck-Verlag / BeckRS 2020, 26806
OLG Celle, Urteil vom 02.09.2021, 8 U 120/21
Keine Deckung in der Betriebsschließungsversicherung für den SARS-Coronavirus auch bei AVB ohne tabellarische Auflistung
Folgende Klausel war verfahrensgegenständlich:
“Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger, ausgenommen sind jedoch humane spongiforme Enzephalopathien nach § 6 (1) 1. d) IfSG.”
Entscheidungsgründe (siehe hierzu Quellenangabe):
Definieren die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Betriebsschließungsversicherung den Begriff der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger als die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger, wobei eine Auflistung von Krankheiten und Krankheitserreger innerhalb der AVB nicht erfolgen, besteht keine Deckung für die «erste Welle». Das Oberlandesgericht Celle argumentiert, dass der SARS-Coronavirus zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls nicht in §§, 6, 7 IfSG aufgenommen worden war.
Quelle: Beck-Verlag / beck-online / FD-VersR 2021, 442562
LG Stuttgart, Urteil vom 30.09.2020 – 16 O 305/20
In einer Betriebsschließungsversicherung, in der Deckungsschutz ausdrücklich «nur [für] die im Folgenden aufgeführten» meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger vereinbart ist, ohne dass dort COVID-19 oder Sars-Cov2 genannt werden, besteht kein Versicherungsschutz bei Betriebsschließungen aufgrund der Corona-Pandemie.
Quelle: beck-Online / BeckRS 2020, 27059
LG Bochum, Urteil vom 15. Juli 2020, 4 O 215/20, u.a. aus VersR 2020, 1104
Beinhaltet eine Klausel einer Betriebsschließungsversicherung eine
enumerative Auflistung der einzelnen Krankheiten und
Krankheitserreger, auf die sich der Versicherungsschutz beziehen soll und
enthält der Einleitungssatz mit dem Wort “nur” eine ausdrückliche Erklärung, wonach nur die im Folgenden aufgeführten meldepflichtige
Krankheiten oder meldepflichtigen Krankheitserreger solche im
Sinne dieses Vertrages sind, so besteht kein Versicherungsschutz bei
einer Betriebsschließung wegen des neuartigen, zum Zeitpunkt des
Vertragsschlusses noch nicht bekannten Corona-
Virus.
LG Bayreuth, Urteil vom 15.10.2020 – 22 O 207/20
Wortlaut der dem Fall zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen:
Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger
… Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger: …
Leitsätze:
Bestimmt sich der Versicherungsumfang einer Betriebsschließungs-versicherung nach Allgemeinen Versicherungsbedingungen, nach welchen der Versicherungsfall vom Vorliegen bestimmter, im Einzelnen namentlich aufgelisteter Krankheiten und Krankheitserreger abhängt, so besteht wegen des grundsätzlich abschließenden Charakters der namentlichen Auflistung für nicht genannte Krankheiten und Krankheitserreger – hier Covid-19 bzw. SARS-CoV-2 – kein Versicherungsschutz.
Die Inbezugnahme von Normen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu Betriebsschließungs-versicherungen ist in Ermangelung entgegenstehender, eindeutiger Anhaltspunkte rein referenzieller Natur und kann nicht als dynamische Verweisung auf den Gesetzesumfang des IfSG in der jeweils gültigen Fassung angesehen werden.
Eine erweiternde oder analoge Anwendung abschließend formulierter Allgemeiner Versicherungbedingungen auf neuartige Infektionsgeschehen ist unzulässig.
LG Düsseldorf, Urteil vom 19.02.2021, 40 O 53/20
Begrenzung auf bereits im IfSG genannte Erreger benachteiligt den VN unangemessen
Maßgeblich war folgende Klausel in den Versicherungsbedingungen:
“Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind
die folgenden, im IfSG in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger:”. Bei den aufgezählten Krankheiten und Krankheitserregern ist das Virus SARS-CoV2 nicht aufgeführt.
Versicherungsschutz bestehe, auch wenn zum Zeitpunkt der Allgemeinverfügung vom 18.03.2020 naturgemäß der Erreger SARS-CoV2 noch nicht in der Liste der im Infektionsschutzgesetz aufgeführten Krankheiten aufgenommen war. Die Klausel in den Versicherungsbedingungen, die den Versicherungsfall auf die im alten Infektionsschutzgesetz ausdrücklich aufgeführten Erreger beschränke, sei unangemessen benachteiligend und deshalb nach § 307 BGB unwirksam. Auch gegenüber einem Kaufmann habe die Versicherung nicht ausreichend klar herausgestellt, dass der Versicherungsschutz für neu entstehende Krankheiten ausgeschlossen sei.
Quelle: Pressemitteilung des LG Düsseldorf 4/2021 vom 19.02.2021
Und dann noch die ganzen anderen Einzelprobleme dazu:
OLG Hamm, Beschluss vom 20.06.2022, 20 U 51/22
Keine «Schließung» des Betriebs bei Weiterbetrieb von Außer-Haus-Verkäufen
Eine «Schließung» eines Betriebs liegt nicht vor, wenn mittels eines Außer-Haus-Verkaufs ein erheblicher Teil des Betriebs weiterlief.
Quelle: Beck-Verlag / beck-online / FD-VersR 2023, 455646
Sonderthema Entschädigung des “Staates”
BGH, Urteil vom 17.03.2022 – III ZR 79/21
Weder Entschädigungs- noch Schadensersatzansprüche für coronabedingte flächendeckende Betriebsschließungen im Frühjahr 2020
a) § 56 Abs. 1 und § 65 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gewähren Gewerbetreibenden, die im Rahmen der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie als infektionsschutzrechtliche Nichtstörer durch eine auf § 28 Abs. 1 IfSG gestützte flächendeckende Schutzmaßnahme, insbesondere eine Betriebsschließung oder Betriebsbeschränkung, wirtschaftliche Einbußen erlitten haben, weder in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung noch im Wege verfassungskonformer Auslegung einen Anspruch auf Entschädigung.
b) Mit den Verdienstausfallentschädigungen nach § 56 Abs. 1 und § 56 Abs. 1a IfSG , dem Anspruch auf Impfschadenversorgung nach § 60 IfSG und der Entschädigung für Nichtstörer nach § 65 IfSG enthält der Zwölfte Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes punktuelle Anspruchsgrundlagen, denen das planmäßige Bestreben des Gesetzgebers zugrunde liegt, die Entschädigungstatbestände auf wenige Fälle zu begrenzen und Erweiterungen ausdrücklich ins Gesetz aufzunehmen.
c) Entschädigungsansprüchen aus dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht beziehungsweise aus enteignendem Eingriff steht entgegen, dass die im Zwölften Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes enthaltenen Entschädigungsbestimmungen – jedenfalls für rechtmäßige infektionsschutzrechtliche Maßnahmen – eine abschließende spezialgesetzliche Regelung mit Sperrwirkung darstellen.
Der BGH verneint hier Ansprüche des Inhabers eines Hotel- und Gastronomiebetriebes:
nach den Entschädigungsvorschriften des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) – hier aus § 56 Abs. 1 IfSG sowie auch aus § 65 Abs. 1 IfSG,
aus einer analogen Anwendung von § 56 Abs. 1 oder § 65 Abs. 1 IfSG,
ebenso einen Entschädigungsanspruch aus § 38 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. § 18 des Ordnungsbehördengesetzes für das Land Brandenburg.
Es scheiden auch Ansprüche aus dem richterrechtlich entwickelten Haftungsinstitut des enteignenden Eingriffs aus.
Ebenso wenig kann dem Kläger unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der sogenannten ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung des Eigentums eine Entschädigung zuerkannt werden.
Hilfeleistungen für von einer Pandemie schwer getroffene Wirtschaftsbereiche sind keine Aufgabe der Staatshaftung. Vielmehr folgt aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), dass die staatliche Gemeinschaft Lasten mitträgt, die aus einem von der Gesamtheit zu tragenden Schicksal entstanden sind und nur zufällig einen bestimmten Personenkreis treffen. Hieraus folgt zunächst nur die Pflicht zu einem innerstaatlichen Ausgleich, dessen nähere Gestaltung weitgehend dem Gesetzgeber überlassen ist. Erst eine solche gesetzliche Regelung kann konkrete Ausgleichsansprüche der einzelnen Geschädigten begründen. Dieser sozialstaatlichen Verpflichtung kann der Staat zum Beispiel dadurch nachkommen, dass er – wie im Fall der COVID-19-Pandemie geschehen – haushaltsrechtlich durch die Parlamente abgesicherte Ad-hoc-Hilfsprogramme auflegt (“Corona-Hilfen”), die die gebotene Beweglichkeit aufweisen und eine lageangemessene Reaktion zum Beispiel durch kurzfristige existenzsichernde Unterstützungszahlungen an betroffene Unternehmen erlauben.
Ansprüche aus Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG) und enteignungsgleichem Eingriff sowie nach § 1 Abs. 1 des Staatshaftungsgesetzes des Landes Bandenburg sind ebenso nicht begründbar.
Vorinstanzen:
LG Potsdam – Urteil vom 24. Februar 2021 – 4 O 146/20
Brandenburgisches OLG – Urteil vom 1. Juni 2021 – 2 U 13/21
LG Berlin, Urteil vom 13.10.2020, 2 O 247/20
Entschädigungsanspruch – Keine finanzielle Entschädigung für Gastwirt wegen coronabedingter Schließung seiner Kneipe gegenüber das Land Berlin
Das LG Berlin hat entschieden, dass ein Gastwirt gegen das Land Berlin keinen Anspruch auf finanzielle Entschädigung wegen der coronabedingten Schließung seiner in Berlin betriebenen Kneipe geltend machen kann.
Der Kläger hat dazu vorgetragen, ihm seien aufgrund von Maßnahmen des Landes Berlin nach dem Infektionsschutzgesetz und der “Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 in Berlin” in Bezug auf die allgemeinen Einschränkungen bzw. Beschränkungen des Gaststättenbetriebes Gewinne entgangen. Der Kläger hat das Land Berlin dafür mit der vorliegenden Klage auf Zahlung eines Teilbetrages in Höhe von 5.001 Euro in Anspruch genommen.
Das LG Berlin hat die Klage abgewiesen.
Nach Auffassung des Landgerichts hat der Kläger unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Aspekt einen Entschädigungsanspruch gegen das Land Berlin. Die Anordnung der Schließung von Gaststätten sei rechtmäßig gewesen. Die mit der Schließungsanordnung verbundene Einschränkung der Gaststättenbetreiber, über einen Außer-Haus-Verkauf hinaus Verkäufe tätigen zu können, sei unter besonderer Berücksichtigung der damaligen Erkenntnislage durch den damaligen “Lock-Down” veranlasst und als verhältnismäßig anzusehen.
Zwar sei es grundsätzlich möglich, Gaststättenbetreibern auch für die Folgen einer rechtmäßigen Gaststättenschließung eine Entschädigung zu zahlen, wenn die erlittenen Beeinträchtigungen als sog. unzumutbares “Sonderopfer” anzusehen wären. Im konkreten Fall seien aber die durch die vorübergehende Gaststättenschließung im Zeitraum vom 14.03.2020 bzw. 23.03.2020 bis zum 09.05.2020 erlittenen Nachteile regelmäßig nicht als ein solches unzumutbares Sonderopfer anzusehen und würden sich im Bereich eines tragbaren allgemeinen Lebens- und Unternehmerrisikos bewegen.
Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig; es kann dagegen Berufung beim KG innerhalb von einem Monat nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe eingelegt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten muss auf die schriftlichen Urteilsgründe verwiesen werden.
Quelle: Pressemitteilung Berlin